Volltext Seite (XML)
eine halbe Werst von Plozk entfernt, branme. Dörfchen Allerlei alarmiert und stellte sich kampfbereit in vollster Ordnung ans. Es erwies sich aber, daß es in einem .Dörfchen, etwa UM -MM Wie oft hat sich Sarah Bernhard das Leben genommen? Ein Pariser Blatt hat es sich trotz des Krieges und anderer wichtigerer Sachen nicht nehmen lassen, auszurechnen, wie ost sich die „große" Sarah auf der Bühne das Leben ge nommen hat. Nach den Mitteilungen des Blattes hat sich die französische Tragödin mehr als 10000mal vergiftet, 7000mal ertränkt, SOOOmal erschossen und mehr als 20 000mal erdolcht. Leider scheint nun dem Berichterstatter ein bedauerliches Versehen passiert zu sein. Die von dem Journalisten verzeichneten Selbstmorde weisen nämlich eine Gesamtsumme von 42 000 auf. Nimmt man nun an, daß Sarah Bernhard im Alter von 20 Jahren zum erstenmal die Bretter bestiegen hat, und rechnet man weiter, daß die Tragödin höchstens 300 mal im Jahre um 11 Uhr des Abends von eigener Hand gestorben ist, so hätte sie 140 Jahre nötig gehabt, um die Reihe ihrer 42 000 'Todesfälle zu vollenden. Danach hätte die „große" Künstlerin vor kurzem also nicht ihren 70., sondern anscheinend ihren 160. Geburtstag ge feiert. Da dies sicher übertrieben ist — denn so alt ist die „große" Sarah gewiß nicht —, io bleibt nur die Annahme übrig, daß dem französischen Blalle ein bedauerlicher Rechenfehler unterlaufen ist. Lüne mau in Rußland Feuer löscht. Es war kurz vor dem Kriege, da zeigte sich in der Nähe von Plozk der Feuer schein eines grandiosen Brandes. Die Feuerwehr wurde liegt jenseits der Weichsel im benachbarten Gouvernement. Dieser Umstand setzte den Gehilfen des Plozker Brandmeisters in große Verlegenheit. Ein fremdes Gouvernement? Hat er auch das Recht, so ohne weiteres einzudringen? Aber der Herr Gehilfe war ein findiger Kopf, den die Geistesgegenwart selten im Stiche ließ — er setzte also schleunigst eine Bitt schrift an den Gouverneur auf, er möge dem Feuerweürkom- mando gestatten, sich auf einige Stunden in das benachbarte Gouvernement zu begeben. In kurzer Zeit war die Bitt schrift fertig, es fehlte nur noch die vorgeschriebene Stempcl- marke, ohne welche ja die ganze Bittschrift ungültig war. Zum Unglück sind aber alle Magazine geschlossen und nir gends eine Marke aufzutreiben. Und der diensteifrige Brand meistergehilfe läuft in eigener Person durch die ganze Stadt und sucht die, ach, so nötige Stempelmarke. Endlich waren seine Bemühungen von dem verdienten Erfolg gekrönt. Er erschien mit einer tadellosen „Proschcnije" vor dem Gouver neur. Es lvird erzählt, daß dieser ihn von oben bis unten mit einem Blick voll aufrichtigen Mitleids musterte und die sarkastische Bemerkung machte, daß Feuersbrünste nicht mit Bittschriften nebst den gesetzlich vorgeschriebenen Marken ge löscht werden. Unterdessen waren die Feuerwehrleute, vom einfachen Mitgefühl getrieben, Zum Brandort geeilt. Sie mußten aber die Strecke in vollster Ausrüstung zu Fuß zu rücklegen, wobei einer, durch die Ueberanstrengung ermüdet, vom Herzschlag getroffen wurde und starb. Das Feuer hat großen Schaden verursacht. Dem Herrn Brandmcistergchilfen aber könnte man nur raten, drei Tage vor jedem Arande die nötigen Stempelmarten einzukaufen. äußere Erscheinung" liegt Dr. Emil Schaeffer in einem kürzlich im „Insel-Verlag" zu Leipzig erscheinende« Werke vor. Da kein wahrhaft großer, kongenialer Künstler das Aussehen des Olympiers der Nachwelt überliefert hat, so kann nur die Gesamtheit der zahl reichen Bildnisse eine lebendige Anschauung davon ver mitteln, in welcher Gestalt der Dichter auf Erden wan delte. Und wie viele der bildnerischen Darstellungen erst durch unsere Phantasie mit Farbe und Körper- haftigkeit erfüllt werden müssen, so verwirren die literarischen Berichte durch allerhand Widersprüche unsere Vorstellung von seinem Aeußcren. Die einen lassen ihn aus schwarzen, die andern aus hellbraunen Augen das Spiel des Lebens be trachten; seine Stimme ist nach der einen Schilderung leise und hat nach der andern „einen ungeheuren Klang"; 1815 soll er eine „sparsam wcißgelockte Stirne" haben, und fünf Jahre später erscheint sein Haar „nur- wenig gebleicht"; 1827 bedauern zwei Verehrer, daß der Mund des Dichters sämtlicher Zähne beraubt sei, Goethes Arzt hingegen verbürgt, er habe sich das Gebiß bis zum höchsten Alter konserviert.. Ebenso schwanken die Eindrücke über die Gesamt erscheinung des Dichters; bald deucht er ein „viel- versuchter Offizier", der einem „Pfarrer oder bieder- herzigen Amtmann gleicht", dann wird er als „ein Jupiter Stator" geschildert, den „jedermann in Berlin. einheimisch glauben würde". Tie einen frieren ob der Eiskälte, die von der Exzellenz ausströmt, und andere wissen nicht genug von „seiner Sitte.ifreund- hichkeit" zu schwärmen. Bei solchen Gegensätzen ist jedes neue Zeugnis , von der äußeren Erscheinung Goethes von höchster I Wichtigkeit, und man wird es daher mit Freuden l begrüßen, daß der Verfasser aus den reichen Schätzen j der Sammlung Kippenberg einen Brief des bekannten ! Kunsthistorikers Franz Kugler an den berühmten ! Historiker Droysen aus Heidelberg vom 5. Mai 1827 - Mitteilen kann, in dem Kngler seinen Besuch bei ! Goethe schildert: „Ter Meister erscheint: Devrient als Lear, der König von Thule. Eine hohe, edle Gestalt, nicht gebückt, im braunen Ueberrock, den Kragen ein wenig phantastisch geschnitten und niederhängend. Das Gesicht ist edel, nicht so verfallen, als du glaubtest, die Farbe dunkel, braunrot, die Nase groß, aber nicht lang, über der gewaltigen jovischen Stirn heben sich weiße Haare, um den Mund spielt ein eigenes Lächeln. . . Er lädt Dich ein, neben ihm auf dem Sofa Platz zu nehmen, spricht mit Dir über dies und das, wie Du sonst schon bei Visiten auf der Reise gewohnt bist; nur bricht er überall schnell ab mit einem fast ängst lichen: „So so, na schön, und von hier gehen Sie usw." Du zeigst ihm die Skizze von Zelters Profil; er spricht darüber ein paar allgemeine Worte, freut sich, Dich kennen gelernt zu haben, über welches ganz gewöhnliche Kompliment Du alle Contenance verlierst und Dich schnell empfiehlst. Daß Dein Besuch kurz, die Unterredung von gleichgültigen Gegenständen war, wird Dich nicht weiter befremden; Tu wirst aber die gewaltige, königliche Erscheinung nicht so leicht aus Sinn und Gedanken zu verbannen vermögen."