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Deußspruch. Ancckl uickl: wir weben leiäen! Venn ibe mllb<! 8p?eckl abei: wn woben ksnäeln l Venn iln mühl nichi Zesn ?»ul. Wacker, der Kriegshund. Novelle von Otto Ritter. lNachdrmk verboten.) Weder für „Herrchen" noch für „Hündchen" schien diese Zierlichkeits-Bezeichnung angebracht. Denn Rechts anwalt Dr. Hclinhold war eine recht ausgewachsene Persönlichkeit, und sein Hund Wacker, ein großer schwar zer Pudel, war ein stolzes, schönes Tier, ein recht schaffener Hund und lein Hündchen. Daß man im Hause des Rechtsanwalts, wenn von ihm und dem Hunde die Rede war, von „Herrchen und Hündchen" sprach, daran war die alte Marianne schuld, eine Ost preußin, die als junge „Marjell" in die Familie des Anwalts gekommen und ihre Eigenheiten und Aus drücke bis in ihr Alter bewahrt hatte. Wacker war ein total schwarzer Pudel, wohl einer der größten seiner Art, echt bis in die Pfotenspitze und klug, wie es nur ein Pudel sein kann. Zwischen dem Herrn und dem Hunde bestand große Freundschaft; insbesondere war für den Hund sein Herr der Ab gott, dem er auf Tod und Leben ergeben war. Und der Rechtsanwalt war stolz auf das schöne Tier, das er ohne Schläge großgezogen hatte, und das ihm aufs Wort, auf den Wink gehorchte; wer die Eigen willigleit der Pudelrasse kennt, weiß, welche Schwierig keiten die Erziehung des Hundes gemacht hatte und wie hoch der absolute Gehorsam eines Pudels anzu schlagen ist. Gewiß war Wackers pudelnärrische Freund lichkeit und der diesen Hunden angeborene Humor auch den Mitgliedern der Familie Helmhold gegenüber vor handen, aber das war Loch jedermann bald klar: Herr chen geht dem Hündchen über alles, Ivie die alte Marianne sagte. Nun wäre ja von Wacker so viel Interessantes, Besonderes und Merkwürdiges zu er zählen, um darzutun, daß Lieser Pudel ein ganz be sonderer, tatsächlich mit Verstand begabter Pudel war; allein cs bleibe, um in dieser Kriegsgeschichte nicht abzuschweifen, bei der Versicherung, daß Wacker eben die Krone aller Hunde und aller Pudel im speziellen war. (Daß jeder Hundebesitzer seinen Hund noch höher einschätzen wird, ist selbstverständlich und dagegen nichts einzuwenden.) Und nun kam der :. .g, und Herrchen, als Ober leutnant, mußte bereits ain dritten Mobilmachungs tage hinaus ius Feld. Man mag ein Lächeln für die alte Marianne haben, als sie behauptete: „Hündchen weiß ganz genau, daß Herrchen in den Krieg geht"; sicher ist, daß dem Rechtsanwalt der Abschied von dem Hunde fast so nahe ging, wie von seiner Frau und seinem Buben. Bei dem Hunde äußerte sich ein gewisses Ver ständnis für die Situation darin, daß er seinem Herren auf Schritt und Tritt folgte, und daß er wachsamen Auges die Vorbereitungen zum Ausmarsch beobachtete. Als der Osfizierskosfcr gepackt dalag, legte sich Wacker pslichigetreu daneben und wartete der kommenden Dinge. Tie waren denn auch ganz und gar nicht nach seinem Geschmack. Tenn Herrchen ging davon, und iin Hause gab es verweinte Gesichter. Die Trauer des Hundes kam erst nach einigen Tagen so recht zum Ausbruch, als Herrchen immer und immer noch nicht wiederkam. Wer weiß, ob Wacker es überstanden hätte — man spricht ja nicht mit Unrecht von der treuen Hunde seele —, wenn man in der Familie des Anwalts sich des Hundes nicht Mit Zuspruch angenommen hätte. Es war natürlich, daß man mit Wacker oft und viel von „Herrchen" redete, und namentlich Marianne war in dieser Beziehung unerschöpflich; sie behauptete, Wacker verstehe jedes Wort. (Echte und rechte Hundebesitzer werden ihr das glauben.) Rechtsanwalt Helmhold war nun bereits Wochen und Wochen fort, und es war auch von ihm oft Nach- richt eingetrosfen. Er schlug sich im Westen, wie Hundert- tausende der Kameraden, mit dem Feinde hexum, hatte in Schützengräben gelegen und die Kugeln um sich Pfeifen gehört, war einmal am Arm geschrammt wor den, was von keiner Bedeutung war, hatte gitte und schlechte Verpflegungstage gehabt und war im ganzen zufrieden, soweit man jenseits jeglicher Kultur eben zufrieden sein kann. Beständig aber kehrte seine Klage wieder: „Habt Ihr mich denn ganz vergessen? Ich erhalte keine Zeile von Euch, und Liebesgaben scheinen überall hinzukommen, nur nicht zu uns. Wenn Wacker es vermöchte, der käme zu mir durch dick und düng." Tas war nun für Familie Helmhold um so schmerzlicher, als man es an Briefen urü> Paketen wahr lich nicht hatte fehlen lassen. Daß die Behörden er klärten, es geschehe alles, was irgend möglich sei, war nur ein schwacher Trost. Es war in den Tagen, da man Lie Sanitärs- Hund-Kompagnien zu organisieren begann. Fachmänner und Laien guten Willens stellten sich in den Dienst dieser segensreichen Einrichtung. Eines schönen Tages erschienen mehrere Herren bei Frau Rechtsanwalt Dr. Helmhold. Daß sie ein Anliegen herbeisührte, war von vornherein klar. Da die Frau Rechtsanwalt im ersten Augenblick glaubte, man wolle ihr eine schlechte Nachricht Wer ihren Mann bringen, sic aber in dieser Beziehung rasch beruhigt wurde, wickelte sich die Angelegenheit der Sanitäter besser ab, als es zuerst den Anschein hatte. Man habe soviel über die Tüchtigkeit, Klugheit und Zu verlässigkeit des Hundes Wacker gehört, daß man be schlossen habe, den Hund in Len Dienst der guten Sache zu stellen, ihn als Sanitätshund auszübilden und ihn ins Feld zu schicken. Die Frau Rechtsanwalt sträubte sich energisch. Der Hund sei ihrem Manne wert, und sie wolle das treue Dier nicht hergeben, nachdem sie den Mann her geben mußte. Uebrigens habe sie noch niemals davon gehört, daß man zu Scmitütshunden Pudel verwende, man gebrauche doch meist Schäferhunde.' Das sei richtig, meinte die Sanitätskommission, aber Wacker sei eben ein ganz besonderer Hund. Uebri gens heiße es im Konversationslexikon vom Pudel: Er leistet geistig das Bedeutendste, was' ein Tier zu leisten vermag. Er besitzt einen wunderbaren Geruchssinn, vortreffliches Gehör und feinen Geschnrack, auch einen merkwürdigen Orts- und Zeitsinn. Er ist höchst gut mütig, besitzt große Nachahmungssucht und schwimmt vortrefflich. „Nach allem, was man von Ihrem Wacker hört," fügte einer der Herren hinM, „finden sich in ihm alle diese Eigenschaften in höchster Potenz, und so kann er uns die allerwichtigsten Dienste leisten. Bedenken Sie, gnädige Frau, wieviele Menschenleben solch ein tüchtiger Hund zu nette» vermag!" Noch schwankte d« Frau Doktor, als jcdocb ein anderer Herr der Kommission meinte: „Wer weiß, ob der Hund nicht seinen Herrn dort draußen wieder- findet", war es entschieden: Wacker wurde KncgshuW. Am nächsten Tage wurde er abgeholt und „ein gelleidet". Wer kann sagen, was in solch einer Hunde seele vorgeht, ob und welche Gedanken Wacker hegen mochte. Vielleicht, daß der Umstand, daß man den Sanitätern einen Unteroffizier mitgegeben hatte und dessen Uniform, an „Herrchen" bei seinem dlbscbied er innernd, mitsprach, genug, Freund Wacker sträubte sich nicht lange und ging mit.