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BE LA BARTÖK. Worte des Gedenkens zum 77. Geburtstag am 25. März Joseph Szigeti: „Einer meiner letzten Eindrücke von Bartok ist jener Nachmittag, als ich den abgemagerten, ans Bett gefesselten Meister und Freund in seiner beschei denen Wohnung am Stadtrand New Yorks besuchte. Er sprach an diesem Nachmit tag über Verunglimpfungen und Mißstände, die meist Dinge betrafen, die mit Musik oder Kultur unmittelbar nichts zu tun hatten. Was aber allen diesen Gesprächs themen gemeinsam war, war die Tatsache, daß er keinerlei selbstischen Gründe hatte, gerade diese Dinge zur Sprache zu bringen: er verschwendete seinen Atem und seine im Schwinden begriffenen Kräfte an Angelegenheiten, bei denen er es sich hätte leisten können ,kein Interesse 4 zu zeigen .. . 44 (Aus einer Gedenkrede für den Sender Budapest 1948) Zoltän Kodäly: ..Bart6k gehört zu jenem Menschenschlag, der von ewiger Unzu- friedenhei l getrieben, alles auf Erden verändern, alles schöner und besser machen will. Wenn in zukünftiger Zeit einmal alles von Bartök zutage liegt, wird man die Welt geltung dessen besser zu schätzen wissen, der in seiner Jugend glaubte, nur seinem eigenen Lande dienen zu können.“ Ferenc Fricsay: „Bartok ist der erste unter den Meistern der zeitgenössischen Musik, der die Wende der Zeit nicht nur ahnte, sondern auch all das, was dem Wesen des Geistes dieser unserer Zeit entspricht, in vollkommener Form musikalisch zu gestalten vermochte. Tieflotender Ernst, Verabscheuung aller Äußerlichkeit, Versenkung ins Wesenhafte, Vermählung mit dem Mysterium der Natur charakterisierten seine Seelenhaltung. Und wenn Gemeinschaftsgeist (das Fundament, auf dem jeder heute Schaffende sein Werk gründen muß), wenn solcher Gemeinschaftsgeist mannhafte Geradlinig keit und realen Sinn voraussetzt — Bartok ist das Beispiel eines solchen Schaffens typus.“ Yeliudi Menuhin: „Schon seit mehreren Jahren war der Körper Bartoks nur noch wie ein dünnes, über eine resonante Höhlung gespanntes Pergament anzusehen; jeder Pulsschlag in ihm schien tödliche Erschütterungen hervorzurufen. In der Tat, er existierte nur noch, um dem unbändigen Willen seines Herrn zu dienen — um die Schwingungen, die er auffing, zu registrieren und fortzupflanzen. Dieser geradezu wesenlose Körper, unnachgiebig angetrieben von den vielgestaltigen, faszinierenden Rhythmen, die er der Folklore Ungarns, der Balkanländer und des Nahen Ostens abgewonnen hatte, dieser von Willenskraft getriebene Körper war selbst nur ein Instrument; ja, bildlich gesprochen, war er wie eine Trommel der Primitive, auf der das Schicksal seine erbarmungslose Melodie schlug. Die furchtbare Krankheit, unter der er litt, hatte das Todesurteil bereits gefällt: seine Tage waren gezählt. Mit jedem Tag gab er sich mehr dem Geiste hin, mit jedem Tag gab er der Erde etwas von seinem Körper, so daß dem Tode, als Bartök seine letzte Note zu Papier gebracht und sein letztes Echo den Winden anvertraut hatte, kaum mehr etwas geblieben war, auf das er hätte Anspruch erheben können.“ (Aus „Begegnung mit Bartok“, 1945)