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(Nachdruck oerboten.) Roman von A. o. Trystedt. (Schluß.) Nun fühlte sie sich ganz vereinsamt, denn zur Mutter fühlte sie sich nicht sonderlich hingezogen; mit ihr verknüpfte sie nur ein oberflächliches Verständnis. Als schon alle sich entfernt- hatten, kniete sie noch lange in der kleinen Kapelle über der Gruft. Stark duftendes Grün und Blumen lagen zer streut auf den Steinfliesen des Bodens. Ihr aber war es, als spüre sie noch den Atem ihres Toten. Sie wußte ja, daß es in 'einem Leben dunkle Stunden gegeben hatte, deren Nachwirkung ihn gequält bis ans Ende. Daß ihm wohl war, allem Schmerz und heim licher Qua! enthoben zu sein, beruhigte sie ein wenig. „Ich werde dich nie vergessen, mein lieber, guter Vater," flüsterte sie, „magst du auch gefehlt haben, ein guter Mensch warst du doch, denn ich habe es dir angesehen, du hast dein Unrecht bereut in heißen, ehrlichen Kämpfen . . . Nun ruhe aus, Gott schenke dir den Frieden, welchen du auf Erden vergeblich ge sucht hast." Noch in kurzer Andacht verweilte Edith, dann erhob sie sich und ging in den strahlenden Frühlingstag hinaus, gehoben und getröstet. Still gingen dis nächsten Tage dahin. Baron Hochfeld hatte in seinem Testament den größten Teil seines Baroermögens der Baronin ver macht. Den Rest des Geldes, sowie das Schloß mit seinen weilen Ländereien erbte Edith. Der Rechtsanwalt ordnete alles in bester Weise. Inspektor und Verwalter blieben als treu erprobte Beamte in ihren Stellungen. Immerhin mußte Edith sich, wenn sie nicht bald heiratete, persönlich um die Verwaltung ihres Besitztums kümmern Diese Verantwortung lastete auf ihr. Sie wußte noch nicht, wie sie sich mit ihren neuen Pflichten ab finden sollte. Das Schloß erschien ihr in diesen ersten Trauer- tagen wie ausgestorben. Ueberall fehlte ihr der Vater; wie lieb sie ihn gehabt, und welchen reichen Inhalt er ihrem Leben gegeben, das kam ihr jetzt erst so recht zum Bewußtsein. Da, an einem Vormittag kam ein Kabeltelegramm. Die Baronin las es aufmerksam, mit befriedigter Miene. Dann sagte sie bewegt: „Dein Oheim ist mit seinem Sohn Magnus unter wegs nach Europa, in höchstens vierzehn Togen können wir sie beide erwarten. Der Papa wünschte es so, Eüithchen, und auch, daß wenigstens Magnus hier uf seinem Lager lag der Baron mit leicht zur Seite geneigtem Kopf wie in erquickendem Schlummer. Doch bald erkannte der Diener, daß es der Schlaf war, aus dem es kein Erwachen mehr gibt. Graf Botho Hochfeld war verschieden. Nun gab es neue Trauer im Schlosse. Der Arzt wurde gerufen und stellte als Todes ursache Herzlähmung fest. Auf Befragen der Baronin zuckte er die Achsel. „Die Ursache des schnellen Endes, gnädige Frau? Viel leicht ein Schreck, oder auch heimlicher Gram, hoch gradige Erregung, oder — ein Versehen beim Quantum des Schlafpulvers — wer könnte es sagen? Nur die Obduktion der Leiche könnte das feststellen." Da fragte die Baronin nicht mehr. Ergeben beugte sie das Haupr und betete für das Seelenheil des Ent schlafenen. Obenaus im Arbeitstisch des Verstorbenen lag ein Schreiben mit der Aufschrift: „Von der Baronin nach meinen Tode zu öffnen." Darin ordnete der Baron an, seinem Bruder in Amerika sofort Kenntnis von seinem Ableben zu geben. Auch erteilte er ausdrücklich seine Einwilligung zur Vermählung seiner Tochter Edith mit seinem Neffen Magnus, gen. Vollmer. Nur den einen Wunsch sprach er aus, daß Magnus seinen wahren Namen, Adels prädikat und Titel wieder aunehme. Die Baronin hatte ihrem Gatten innerlich niemals nahe gestanden, sie empfand wobl Wehmut und stille Trauer, aber sie beklagte fein Hinscheiden nicht sonder lich, besonders, da Glück und Freude winkten. Sie hatte Magnus damals sehr in ihr cherz geschlossen und war entzückt, daß er nun doch noch ihr Schwiegersohn wer den sollte. Edith brauchte uon der letztwilligen Verfügung ihres Vaters nichts zu erfahren, wenigstens vorläufig nicht;- ohne ihr Wissen kabelte die Baronin ihrem Schwager mit der Bitte, sobald wie möglich mit seinem Sohn zu kommen. Die einzige, welche das Hinscheiden des Barons aufrichtig und schmerzlich beweinte, mar Edith; sie hatte nur Liebe und Zärtlichkeit von ihrem Vater er fahren, für sie war sein Tod ein schwerer Verlust. Fassungslos schluchzte sie in sich hinein, als man den Vater unter großem Gepränge zur Gruft seiner Väter trug.