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98» Mittwoch, den LO. Deeember. MrMöiMiHL,- UMäsfreMd. Rediqin und verlegt von E. M. Gärmer in Schneeberg und Schwarzenberg. Zum Zahresfchluß L8Z7. Horch! — Horch vom Thurme schallt am Sylvesterabend aus ehernem Munde in dunkler Nacht der bedeutsame Schlag zwölf! und mit ihm ist unwiederbringlich in den ewigfluthenden Zeitenstrom abermals ein Jahr hinabgtsünken. Begraben aus ewig sind mit diesem Schlage die Freuden und Leiden, die Sorgen, Mühen und Kämpfe, die uns das eben beendete Jahr brachte, und dankend heben wir die Hände und blicken empor zu jenen lichten Höhen, dort wannen unser Trost und unsere Hülfe kommt und sprechen glaubensvoll: Set gepriesen, Allvater, für deine Segnungen, Mit Vette» du un» auch im verflossenen Jahre so reichlich überschüttet hast; sei aber auch gepriesen für Lie Leiden, und Sorgen, für die Schmerzensstunden und Kummernächte, mit denen uns deine Weisheit in dem dahingeschwundenen Jahre hrtmsuchte! — Mögen auch viele schwere und trübe Stunden im verflossenen Jahre über uns heranfgezogen sein, der sroheN und glücklichen Tagt' brachte uns da« geschiedene Jahr denn doch in weit größerer Zahl! . ' " Und: — wir stehen- noch frisch und gesund mitten unter den Lebenden, können noch wirke» und schaffen' und sorgen für die theuern Unseren! — liegt in diesem einzigen Ausruf nicht Alles, was zum herzinnigsten Danke gegen unseren Schö pfer auffordert? Wie Manche von denen, die mit nns in ungeschwächtem LebenSmuth oder wohl auch mit schon Unkender Lebenskraft, doch froher Hoffnungen für die Zukunft voll, eintraten in das dahingeschwundene Jahr und di« WS vielleicht: nahe, sehr nahe standen durch die Bande des Blutes oder der Liebe und der Freundschaft, ach! wie manche von diesen habe» im Laufe des verflossenen Jahres „Lebe wohl!" für immer gesagt dieser Welt und unserem heute noch heiß blutenden Herztw und find hinabgebettet in der Erde dunklen und kühlen Schooß! Dock auch sie, die da vollendet haben den schweren Gang durch dieses unvollkommene Erdenthal, auch sie find glücklich, denn sie haben abgelegt das drückende Gewand irdischer Unvollkommenheit und wandeln nun hochbeseligt und hochentzückt am ewigtreuen Vaterherzen ruhend im ewigen Reiche unaus sprechlicher Seligkeit, dessen Wonnen noch kein Ohr gehört und kein Auge gesehen hat. Darum mögen sie ruhen in Frieden! Wir preisen sie selig, denn fie haben siegreich überwunden! Wir aber, die wir noch wandeln auf den wechselvolle» Gefilden der treuen Mutter Erde, wir wollen getrost und muthig htnüberschreiteu in das neue Jahr und wollen fest vertrauen auf die Hülfe des Ewigen. Der Gott, der im verwichnen Jahre unser Schutz und Heiser war, wird auch im künftigen unser Schild und Schirm sein. Aus ihn steht unsere Hoffnung, deß find wir fröhlich! / - < Ueberblicken wir nun im Geiste das verflossene Jahr mit seinen politischen und sonst wichtiger« europäischen Ereignissen noch einmal, so müssen wir gestehen, bis auf die letzten zwei Monate zählt das Jahr 1857 unbezwetfelt mit zu den glücklichsten und gesegnetsten im ganzen l9. Jahrhundert. — Der Engel des Friedens ruhte segnend und schirmend über ganz Europa, und Handel und Gewerbe erfreuten sich in den ersten zehn Monaten eines allgemeinen Aufschwung- wie seit Jahren nicht. Eine Kluge, die seit Jahren nicht vernommen worden war, die Klage über den Mangel an Menschen händen, erscholl aus den Fabrikbezirken wie Ackerbauregionen. Die Getreidepretse gingen in Folge einer fast durch ganz Eu- ropa gesegneten Ernte nicht unbedeutend zurück und die Obst- und Weinländer erfreute), fich vorzugsweise eine- reichen Got- teSsegens. — Die hohen Lenker der Staaten umschifften mit der weisesten Umsicht alles, waS den Frieden und die Eintracht der Völker stören konnte, und nur zwei politische Fragen von hoher Bedeutung schweben noch immer unerledigt: Die all gemein europäische wegen der Donausürstenthümer und die reindeutsche h olstein-lauenburgtsche. Einer baldigen glücklichen und befriedigenden Lösung der letztern sind alle wahrhaft deutschgesinnten Herzen zugewandt. Möchte unserem be drängten nordischen Bruderftamme bald kräftiger Schutz in seinen verbrieften und heiligen Rechten werden! In den letzten beiden Monaten des dahingeschwundenen Jahres brach leider! eine gewaltige und schwere Geld- unh Handelskrisis, die in den Bereinigten Staaten von Nordamerika ihren Anfang genommen, über Europa herein Und «tu» große Anzahl der größten und geachtetsten Handelshäuser in England, Polen, Schweden, Deutschland u. s. w. stürzten ist stch zusammen und zogen in ihrem verhängnißvollen Sturze eine Unzahl kleinerer Häuser nach fich. Nur allein ilst reichen Htoß« britannten schätzt man die Passtv-a der Fallissements sür London seit Anfang October auf 15,000,000 Pfd. Sterls und in den Provinzen auf S5,000,000, zusammen die schreckenerregende Summe von 50,000,000 Pfd. Sterl, oder ungefähr 466 Millionen Thaler! Welche ungeheuren Verluste! In Folge dieser furchtbare» GeldkrifiS herrscht augenblicklich in vielen gewerblichen Zweigen in England, Frankreich und Deutschland eine nicht unbedeutende Arbeitsstockung und aller Augen find hoffnungsvoll aus da- Jahr 1858 gerichtet, Pas nachhaltig wieder bessern soll, was zwei, drei Monate niidtrgertssen habt» Unser engere- Vaterland Sachsen muß aber das eben beendigte Jahr unbedingt zu einem der, glücklichsten Mftn, und selbst die schwere Geld- und HandelSkrtfis hat das so außerordentlich gewerbreiche Sachsen im ByHältniß zu anderen Industriestaaten nur sehr wenig betroffen.