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Ne Men-llimde rr Lag Oer Abrechnung (Nachdruck verboten.) Roman von A. v. Trystedt. <10. Fortsetzung.) Mitten im Garten stand sie still und schaute sich um. Ein Bild gesättigter Schönheit und tiefsten Friedens bot sich ihren Blicken. Seltene Rosenarten blühten in berückender Farbenpracht auf den Beeten, die dunklen Büsche flüsterten leise, das Dach der Villa schimmerte stahlblau, die großen Fenster standen weit offen, die Spitzengardinen schienen ihr einen Scheidegruß zu- zuwinkDN. Große Tränen rollten über ihr aufgeregtes Ge sicht, dann aber bezwang sie sich. Was ihr so bitter weh durch den Sinn ging, das konnte ja doch nicht sein. Scheiden für immer von diesem Paradiese? Torheit! Lona trocknete ihre Tränen, unwillkürlich mußte sie lächeln. Trinöve würde sie ja bald wieder holen, sie hatte ihm jetzt alles offenbart in dem zurück gelassenen Schreiben. Wie lange würde er es wohl ohne sie aushalten, ein, zwei Tage? Länger ganz gewiß nicht. Die Tränen versiegten, und ein herziges Lächeln umspielte ihre Lippen. Aber dann wurden ihre Züge ernst und hart. Sie dachte an denjenigen, der schuld war an diesem Zer würfnis. Als die Pforte hinter ihr ins Schloß fiel, überkam sie doch ein Zittern, eine große Trauer, die Ahnung von etwas Unfaßbarem, einem dunklen Loose . . . Aber da fuhr eine leere Droschke vorüber, die sie heranwinkte; sie stieg ein, und von diesem Moment an nahmen ihre Reisedispositionen sie vollauf in An spruch. Aglick « 7. Kapitel. Anderthalb Jahre waren vergangen. Wieder ein mal zog der Frühling mit all seiner Wonne und Lust ins Land. Die Aprilsonne meinte es heute gut, schon am frühen Morgen hatten ihre Strahlen die Luft durch wärmt. Im Garten unter den blühenden -Bäumen war es heiß wie an einem Sommertag. Gerade unter dem blühenden Kirschbaum war der Kaffeetisch gedeckt; davor saß im hohen Stühlchen ein Baby, ein süßes kleines Mädchen von einem Jahr. Ein stattlicher Herr mit leicht ergrautem Haar trat aus der Haustür, durch welche man direkt in den Garten gelangte. Das Baby begann zu zappeln, mit Kußhändchen den Herrn zu begrüßen. .Guten Morgen, Lottchen," sagte er gemütlich, „nun, s könnte dem Hochmütigen nichts schaden," dachte Lona, „wenn ich seiner Forderung, von ihm zu gehen, scheinbar folge, wenn er mich bei seiner Rückkehr gar nicht oorfindet. Gut, ich werde ver reisen, vorher aber in einem Schreiben ihm völlige Aufklärung über das Geschehene sowohl wie über den Unglücklichen geben, den er für meinen Freund hält. . . . Diese Auffassung hätte ich mir allerdings nicht träumen lassen. Seufzend, das liebe schöne Gesicht von tiefem Ernst überschattet, setzte sie sich an ihren Schreibtisch und schrieb ihrem Manne eingehend, was sie ihm von Rechts wegen schon vor der Verheiratung hätte mit teilen müssen. Es wurde ein langer Brief, alles Dunkle, das in ihrem jungen, von tiefen Schatten um lagerten Leben war, aber auch die Fülle ihrer Liebe zu ihrem Gatten offenbarte sich darin. Als sie fertig war, glühten ihre Wangen, und ihre schönen Augen schimmerten feucht, Sie adressierte und wollte das Schreiben aus den Arbeitstisch ihres Mannes legen. Aber sein Zimmer war verschlossen. Das tras sie wie ein Schlag. Ein neues, nie ge ahntes Gefühl quoll in ihr auf. Sie kam sich wie eine Fremde, Verstoßene vor. Immer noch begriff sie nicht, daß man sie von ihrem Thron herabgestoßen; aber ihre Unruhe wuchs, etwas, wogegen sie sich mit aller Kraft zu wehren suchte, nahm mehr und mehr Besitz von ihr, das Bewußtsein, daß es zu allen Er klärungen zu spät sei, daß sie durch eigene Schuld in eine entwürdigende Situation geraten, und das Versäumte sich vielleicht nie wieder gutmachen ließ. Die Bekenntnisse, welche sie dem Schreiben anver traut, dursten um keinen Preis in fremde, unberufene Hände geraten; daher verschloß sie es in ihrem Schreib tisch, barg den Schlüssel in einem Kuvert, das sie ver siegelte, und legte es so hin, daß Trinöve es sehen mußte. Gern wäre sie trotz allem zu Hause geblieben, aber die Furcht, daß ihr Peiniger auch heute wieder kommen könne, trieb sie fort. Es war noch nicht Mittag, als sie reisefertig vor den Mädchen stand. In einer Plaidhülle hatte sie das Notwendigste zusammengepackt. Mit der kurzen Er klärung, daß sie auf ein paar Tage zu einer Freundin gehe, verließ sie ihr Heim. Die Begleitung des Mädchens hatte sie zurück gewiesen.