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KM«« Wchkch-eltms Nr. 10 Freitag den 14. Januar 1916 abends 82. Jahrgang Amtliche Bekanntmachungen. Ausführungsverordnung zu der Bundesratsveiordnung, betressrnd Saatkartosfeln vom 6 Januar 1916 (R.G.Bl.S.5). I. Händler, landwirtschaftliche Genossenschaften und landwirtschaftliche B-reine, die nach 8 l Ziffer 2 die Erlaubnis zum Handel mit Saatkartosfeln erwerben wollen, haben ihre Gesuche im Bezirke ihrer gewerblichen Niederlassung bei der Amtshaupt mannschaft, in bezirkssreien Städten bei dem Stadtrate anzubringcn. Diese Gesuche sind unter gutachtlicher Aeußerung (8 2 Satz 3), die sich auch auf die Zu verlässigkeit des Gesuchstellers zu erstrecken hat, an die Kreirhauptmannschast abzugeben. 3 Die Kreishaupimannschasten' stellen nach Befinden Ausweise über die erteilte Erlaubnis aus und erlassen die erforderlichen Vorschriften zu der in 8 3 verordneten Buchführung und deren UeberwaSung. Nachstehend wird die oben erwähnte Bekanntmachung des Bundesrates zur Kennt nis gebracht. Dresden, den 11. Januar 1916. Ministerium des Innern BekamNmachmlg, betreffend Saatkartoffeln. Vom 6. Januar 1916. Der Bundesrat hat auf Grund des § 3 des Gesetzes über die Ermächtigung des Bundesrates zu wirtschaftlichen Mahnahmen usw. vom 4. August 1914 (Reichs-Gesetzbl. S. 327) folgende Verordnung erlassen: 8 >- Die Höchstpreise fürsKartosfrln gellen dis zum 15. Mai 1916 nicht für Kartoffeln, die I. vom Erzeuger unmittelbar.au Landwirts als Saatkartosfeln zur Aussaat verkauft werden oder 2. von Händlern, die von der höheren Verwaltungsbehörde die Erlaubnis zum Handel mit Saatkartoffeln erhalten haben, als Saatkartosfeln gekauft werden oder 3. von zugelassenen Händlern (Nr. 2) als Saatkartosfeln an andere zugelassene Händler oder cm Landwirte verkauft werden oder an solche Personen, welche durch eine Bescheinigung der Ortrpolizeibehörde den Nachweis erbringen, dah sie in der Lage sind, die anzukaufenden Kartoffeln unmittelbar zu Saat zwecken zu verwenden. Der in Nr. 2 vorgesehenen Erlaubnis bedürfen auch die landwirtschaftlichen Ge- noffenschüften und landwirtschaftlichen Vereine. 2. Die Erlaubnis zum Handel mit Saalkurtofstln (H 1 Nr 2) wird von der höheren Verwaltungsbehörde erteilt, in deren Bezirk der Händler seine gewerbliche Niederlassung hat. Sie gilt für das Reichsgebiet und ist jederzeit widerruflich Sie darf nur einer dem Bedürfnis entsprechend beschränkten Anzahl von Personen erteilt werden, dis, ab- gesehen von landwirtschaftlichen Genossenschaften und landwirtschaftlichen Vereinen, bc- reils vor dem i. August 1914 den geweibsmcihigen Handel mit Saatkartosfeln ousge- übt haben müssen. 8 3. Die zugclassenen Händler haben besondere Bücher über ihre Geschäftsabschlüsse in Saatkartoffeln zu führen. Sie haben darin den Namen des Bertrogsgegnere, die Menge und den Preis ersichtlich zu machen. Auch ijt anzngsben, ob der Vertragsgegner Land wirt, Händler oder eine nach 8 l Nr. 3 sonst zugelassene Person ist. Zu dieser Buchführung sind auch Landwirte verpflichtet, di; gewerbsmähiz Saal- kariosseln züchten und verkaufen. 8 4. Die nach 8 3 zu sührendcn Bücher sind d-r zuständigen Bchö de auf Verlangen jederzeit vmznlegm. 8 5. Die Landeszentralbehördsn erlassen die Bestimmungen zur Ausführung dieser Ver ordnung. Zuwiderhandlungen gegen die Vorschriften im § 3 und 4 dieser Verordnung sowie die nach 8 5 erlassenen Bestimmungen werden mit Gefängnis bis zu sechs Monaten oder mit Geldstrafe bis zu fünfzehnhundert Mail betraft. 8 ?- Veriräge über Lieferung von Saatkartosfeln, die vor dem 29. Oktober 1915 zu einem höheren als dem Höchstpreis oder nach dem 28. Oktober 1915 zu Höchstpreisen abgeschlossen sind, werden ausgehoben, soweit nicht Lieferung bri Inkrafttreten dieser Verordnung erfolgt ist. 8 8. Diese Verordnung tritt mit den« Tage der Verkündung in Kraft. Berlin, den 6. Januar 1916. Der Stellvertreter des Reichskanzlers. Delbrück. -s- Finanzielle Maßnahmen tn Belgien. Das W e ch s e l m o r a t o ri u m in Belgien wird in der Weise abgebaut, daß die Frist für E- Hebung des Protestes und für die sonstigen zur Erhaltung des Regresses not wendigen Handlungen für alle voi dem 3. Äugust 1914 im Gebiete des Generalgouvernements ausgestellten und bis 31. Januar 1916 dorr zahlbaren Wechsel über 200 Franken um 19 Monate 7 Tage hinausgeschoben ist; für die außerhalb des Gebietes des Generalgouvernements ausgestellten Wechsel und alle Wechsel von 200 Franken und weniger jist die Frist um 22 Monate 7 Tage ver längert. Der Protest darf erst in den letzten 7 Tagen der Frist erhoben werden; innerhalb dieser sieben Tage muß er aber auch erhoben werden. Für sämtliche Wechsel ist vom 1. Februar 1916 ab die Protestfrist um 5 Tage auf 7 Tage verlängert, ebenso die Frist für die Ausübung des Regreßrechts des Inhabers um 14 Tage. Das Banken Moratorium ist insoweit a u f- gehoben, als alle Rückforderungen von Beträgen, die zur Zahlung von Schulden und zur Beschaffung von Ma terial oder Waren für den eigenen Betrieb bestimmt sind, befriedigt werden müssen. Ferner ist die Verordnung des Königs der Belgier betreffend Äußerkraftsetzjung der Verfall klauseln aufgehoben, aber den Gerichten für den Einzelfall die Befugnis übertragen, zu bestimmen, ob be stimmte Rechtsfolgen aus der Nichtzahlung oder nicht recht zeitigen Zahlung von Schulden eingetreten sind. Die Verordnung betreffend Abbau des Moratoriums tritt am 1. Februar 1916 in Kraft. Sie gilt nur für den belgischen Teil des Generalgouvernements. Das Recht der Gerichte, im Einzelfalle auch in Wechselsachen Zahlungs- sristen zu gewähren, hat die Verordnung bestehen lassen. Streik der bayrischen Biertrinker. Seit Einführung der Bierpreiserhöhung in Bayern ist der Absatz um rund 15 Prozent zurückgegangen. Man erwartet noch einen weiteren Rückgang des Absatzes als Streik der Biertrinker gegen die Bierbrauereien, die weit größere Dividenden als früher für das letzte Kriegsjahr auswiesen, also gewiß nicht notleidend waren und sind. — Man sieht, die Bayern sind nicht nur iin Feld tapfere Leute, sondern ..UH auch hinter der Front zu geradezu heroischen Entschlusse» aufraffen. Eine wohluerdiente Ohrfeige. Mit dem Zuge, der am Sonnabendvormittag um 10Vi Uhr von Adelebsen in Göttingen ankam, fuhr, der »Voss. Ztg." zufolge, auch eine Frau, die sich rühmte, durch den guten Verdien st ihres Mannes, der Offizier-Stellvertre- tersei, jetzt viel Geld zu besitzen, ihret - wegen könne derKrieg noch zehn Jahre dauern. Ein mitfahrender Feldgrauer stand empört auf und gab der Frau eine solch kräftige Ohrfeige, daß der Hut zum Fenster hinausflog. Ein mitrcifcnder Herr gab dem Soldaten aus Befriedigung über die schnelle Justiz 10 Mark. ZusammengeiroÜnele HolM-süßs wasserdicht zu mache». Ehe man in das zusammcngetrocknete Holz- gefüß Wasser eingießt, stopfe man dasselbe mit Stroh oder schlechtem Heu aus. Dann lege man einen Stein oder dergleichen darauf und sst'ste dann erst Wasser in das Gefäß. Obgleich ein Tei! des eingegossenen Wassers wieder ablaufen wird, so verbleibt doch durch das an- gefeuchte Stroh oder Heu noch soviel Feuchtigkeit zurück, daß das Aufguellen des Holzes in kurzer Zeit erfolgt. Unglückliche Liebe. In Tannwald in Böhmen er schoß der Amtsdiener Habenicht die Kellnerin Johanna Groeger und ließ sich dann von einem Zuge der Goblonz- Tannwalder Eisenbahn überfahren. Das Motiv ist die Unmöglichkeit der Eheschließung zwischen beiden. -s- Zur Streikreoolte in Ohio. „Daily News" meldet aus New Dort vom 9. über die Unruhen in Aoungstown in Ohio: Es wurden 48 Stunden lang zwischen aus ständigen Arbeitern der Stahlwerke und der Stadtpolizei, die durch Miliz verstärkt wurde, gekämpft. 10 Ausständige wurden erschossen und 30 verwundet. Die Ausständigen, etwa 2000, setzten am Freitag eine Anzahl Häuser im Ge schäftsviertel in Brand und plünderten u. a. die Whisky läden. Sie verschafften sich eine beträchtliche Menge Dyna mit und drohten, das Villenviertel der Stadt zu zerstören. Die Polizei, die zu schwach war, die Menge zu zerstreuen, sprengte die Brücke über den Mohoningfluß in die Lust, um den Angriff auf das Villenviertel zu verhindern. Mehr als 50 Häuser und ein Teil der Fabriken sind teils zerstört, teils beschädigt. Das Geheimnis eines Zigeunerlagers. Der Be- richterslatter eines amerikanischen Blattes rühmt sich, Licht in das Geheimnis eines Zigeunerlagers gebracht zu haben, das sich vor kurzen« in der Nähe von Saint-Louis nieder gelassen hatte. Er fand in dem Lager eine „Zigeuner- tünigin", die mit allen Zeichen ihrer Würde geschmückt und keine andere als Miß Habersham, die Tochter eines Millionärs in Baltimore, war, die vor etwa 7 Jahren in geheimnisvoller Weise aus dem elterlichen Hause ver schwand. Miß Habersham war -n Glanz und Luxus er zogen worden und hatte eine gediegene Bildung erhalten. Wie üblich, war sie eines Tages auch in Gesellschaft er schienen und hatte sich mit einem Offizier verlobt. Kurze Zeit darauf war sie verschwunden. Ihr Vater setzte die bestorganisierten Detektivbureaus in Bewegung und opferte ungeheure Summen, um seine Tochter wieder zu ent decken. Aber alle Bemühungen, eine Spur von ihr zu finden, blieben vergebens, bis schließlich Vater und Bräutigam das Mädchen für verschollen hielten und ihre weiteren Nachforschungen einstellten. Dem Be richterstatter des amerikanischen Blattes bat die „Zigeu nerkönigin" ihre bewegliche Vergangenheit geschildert wie folgt: „Ich hatte das gesellschaftliche Leben satt, mit seinen Lügen und Verstellungen. Schon als kleines Mädchen hatte ich in Saratoga einen Stamm nomadischer Zigeuner getroffen, die schon damals einen großen Ein druck auf mich «nachten. Äls ich später das Lyzeum be suchte, verschlang ich mit einem wahren Eifer alle Bücher, die von Zigeunern, ihren Sitten und ihrer Sprache er zählten. Vor sieben Jahren bin ich aus dein väterlichen Hause entflohen und erwarb mir zunächst m Europa als Sprachlehrerin mein Brot. Dort traf ich einen Hindu, der mich in die Geheimwissenschaften einführte; später traf ich mit John Mitchell, dein König der Zigeuner, zu- sammen. Ich heiratete ihn und helfe ihm, sein kleines Königreich regieren. Attes in allem: ich bin sehr glücklich und habe keine Sehnsucht nach der Welt, die man die bürgerliche nennt, und die im Grunde nichts ist, als eine Welt des Scheins und des Betruges. Unter diesen No- maden hier gibt es keinen Zwang. Jeder gibt sich so, wie er ist, und wenn auch das Leben mit ihnen ohne äußeren Glanz ist, so bin ich doch frei und frage nach niemandem auf der Welt." Mister Habersham hat die Nachricht von der Wiederauffinduna seiner Tochter mit großer Freude ausgenommen. Ein Brief von der Hand seiner Tochter selbst brachte ihn« die Bestätigung der Nach richt, dis ihn in so große Freude versetzte, daß er nur zu gern einen „Zigeunerkünig" als Schwiegersohn mit in de» Kauf nahm. Vas Gesundbeler-Anwesen in England. In welch ungeheurer Weise die Gesundbeterei in England wuchert, trat recht deutlich bei einem Fall zutage, der vor kurzein die englischen Gerichte beschäftigte. Ein gewisser Jewell ist Vater eines siebenjährigen Töchterchens, das plötzlich erkrankte, und zwar allein Anschein nach am Typhusfieber. In der ganzen Nachbarschaft herrschte darob große Auf regung, und alles riet den Eltern, zun« Arzt zu schicken. Die Eheleute Jewell sind jedoch Gesundbeter und wollten nichts davon wissen, daß ihre Tochter von einein gewöhn lichen Arzt behandelt werde. Das Kind befinde sich in den Händen Gottes, und um es zu retten, bedürfe es nur des Gebetes. Anstatt nun den Arzt kommen zu lassen, berief Jewell andere Bekenner der „Christian Science" zu sich, deren Beruf es ist, Kranke gesund zu beten, wofür sie im Gegensatz zu den Aerzten „nicht einmal Geld vev- langen". So fanden sich denn in der Familie 20 Gesund beter, vier Männer und sechzehn Frauen, ein und löstest einander von Stunde zu Stunde ab, um am Krankenbett des kleinen Kindes zu beten. Vergebens redeten die Nach barn auf die Leute ein, und ein Arzt, der schließlich erschien, wurde hinausgewiesen. Die Polizei, die einzuschreiten ver suchte, konnte nichts erreichen und nicht verhindern, daß das Kind starb. Aehnliche Fälle haben schon wiederholt die eng lischen Gerichte beschäftigt, die gewöhnlich zu einem Freispruch kamen, weil ein direktes Verschulden nur selten nachgewiesen werden konnte. Keiner der Aerzte, die als Zeugen oder Sach verständige geladen worden waren, konnte zweifelsfrei versichern, daß er, wenn er rechtzeitig gerufen woioen wäre, den Kranken hätte retten können. Anderseits wissen die Gesundbeter ihren guten Glauben mit solchem Nachdruck zu betonen, daß die Geschworenen sich ihrein Einfluß nicht entziehen können. Um nun Richter und Ge schworene in dieser Beziehung zu einer strengeren Auf fassung ihrer Pflichten zu bestimmen, hat der medizinische Kongreß, der vor einiger Zeit in London tagte, auf Grund statistischer Tatsachen die Feststellung gemacht, daß allein in London die Gesundbeterei jährlich 20 000 Opfer for dert, und etwa 50 000 in den englischen Provinzen, wo die Gesundbeterei noch wenig verbreitet ist. Jewell ist jetzt wegen sahrlässiger Tötung angeklagt und seine Ver haftung angeordnct worden. Sicherlich wird es ihm nicht an Anwälten fehlen, die von der Gerechtigkeit seiner Sache durchaus überzeugt sind, denn man darf nicht ver gessen, daß sich auch in England unter den Gesundbetern nicht nur Angehörige der unteren Bevölkerungsschichten befinden, sondern auch'Bankiers, Literaten, höhere Offi ziere, Damen der Gesellschaft, höhere Beamte, Hofwürden- trüger und — sogar Acrzte. Aus dem Gerichtssaal. Das Urteil im Frankfurter Mädchenmordprozstz. Das Schwurgericht in Frankfurt a. M. verurteilte den Dreher Bauer, der sich wegen Ermordung und Zerstückelung seiner Geliebten zu verantworten hatte, zuzehnIahrenZuchthaus. Die Ge schworenen nahmen Totschlag an, ohne Zubilligu^ mildernder Umstände. Die Strafe wurde mit einer anderen Strafe von 3'/, Jahren Zuchthaus, die der Angeklagte wegen Einbruchs zu ver büßen hat, zu einer Gesamtstrafe von l2 Jahren Zuchthaus ver einigt. Sechs Monate der Untersuchungshaft wurde» als verbüßt aus die Sira'- ungerechnet.