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Dienstmütze. Dann zog er ein umfangreiches Kuvert aus seiner Mappe und überreichte es respektvoll zugleich mit dem Schein und einem bereit gehaltenen Bleistift. „Ein Einschreibebrief, Herr von Wellnitz, wollen Sie so freundlich sein und unterschreiben." Fritz erzitterte bis ins Innerste, wie ein Baum, den ein Blitzstrahl bis zur Wurzel trifft. Er wußte, was dieser gelbe Umschag zu bedeuten hatte, der enthielt seine Preisarbeit, die, wie er es vorausgesehen, abgelehnt worden war. Aeußerlich gelassen setzte er seinen Namen auf den Schein. Mit kurzem Gruß begab er sich in den Park zurück. Betroffen schaute der Postbote ihm nach. Bisher hatte der Herr Ingenieur zu jeder Zeit ein freund liches Wort fü^ ihn gehabt. Was mochte ihm geschehen sein? Er sah ja ganz verstört aus. Schwerfällig ließ Fritz sich auf eine Bank nieder. Nun hielt er die Gewißheit in Händen, daß seine bösen Ahnungen nicht getrogen. Tiefe Mutlosigkeit bedrückte ihn, die der Ver zweiflung nahe kam. Er legte das geschlossene Kuvert neben sich und stützte den Kopf in beide Hände. So saß er lange, gramgebeugt, alles in ihm wankte, eine Zagen beschlich ihn, das seinen Glauben an sich selbst zu zerstören drohte. Da aber raffte er sich empor, biß die Zähne zu sammen und öffnete den Unischlag. Ein kurzes Schreiben fiel ihm entgegen, höflich bedauernde, aber sonst frostige und unverbindliche Worte enthaltend. Er aber wußte, daß seine Arbeit Beachtung ver diente. Warum schlug ihm alles fehl? War es, weil ein Makel auf seinem Namen lastete, Schicksalswille, daß er niemals aufatmen, die alten Ketten nicht abstreisen durfte? Konnte ihn das Glück, Edith sein eigen zu nennen, dafür entschädigen? Nein, niemals! Er brauchte das Bewußtsein, Hervorragendes zu leisten; blieb ihm dies versagt, so konnte er weder Glück empfinden noch ein Weib glücklich machen. Nun kam die demütigende Stunde, wo er wieder einmal eingestehen mußte, eine Fehlarbeit getan zu haben. Am liebsten wäre er geflohen, um sich vor Edith, vor seinen Schwiegereltern und allen Bekannten zu verbergen. Aber daran war natürlich nicht zu denken. Er mußte den Lethebecher bis aus die Neige leeren. Sie waren ja alle zartfühlend und taktvoll, suchten sein Mißgeschick zu übersehen, als etwas Belangloses hinzustellen. Aber wie sie über seine Preisbewerbungen dachten, das mußte er doch. „Schade um all die schöne Zeit," hatte die Baronin gelegentlich geäußert, „könntest du sie nicht besser aus füllen, lieber Fritz, und dir obendrein Enttäuschungen ersparen?" Solche Bemerkungen verbitterten den verzweifelt Strebenden noch mehr. 3. Kapitel. Darüber war der Winter vergangen, und der Früh ling hatte seinen Einzug gehalten. In der schönen Amtswohnung des Direktors Trinöve waltete Lona bereits seit Monaten als junge Hausfrau. Es war eine Freude, das Glück dieser beiden Men schen zu sehen. Innige Liebe hatte da- Band ge knüpft, sanfter, kluger Franensinn es zum festen, un löslichen Knoten geschlungen. Trinöve entdeckte an >edem Tage neue, bewunderns werte Eigenschaften an seiner Gattin. Er lebte noch immer wie in einem Rausch dahin. „Unsere Flitierwochen sollen nie ein Ende nehmen," pflegte er zu sagen, „mein Beruf allerdings verlangt meine volle Persönlichkeit; darauf aber bin ich trainiert, daß im eigenen Heim mir Gcschästssorgen keine Mahl zeit verderben, keine Minute von meinem Glück rauben. Alle Verdrossenheit, jede böse Laune muß weichen, so bald ich mein kleines Eden betrete." Glück ist das wirksamste Schönheitsmittel, dafür bot Lona das beste Beispiel. In ihren Augen war ein tie ferer Glanz als früher, ihr Lächeln so schelmisch und geheimnisvoll, ihre Bewegungen leicht und schwebend, und über der ganzen Erscheinung jener undefinierbare Hauch tiefinneren Befriedigtseins, der junge Frauen so unwiderstehlich macht. Das nervöse Zusammenschrecken und heimliche, krampfhafte Auflauschen war geschwunden. Lona fürchtete die Schatten nicht mehr. Das Paar saß beim Morgenkaffee im behaglichen Zimmer, zum Draußensitzen war es noch zu frisch; durch die weitgeöffneten Fenster aber strömte warmer Sonnen schein zusammen mit dem Duft der blühenden Bäume. Bernhard Trinöve legte die Zeitung, welche er eingehend gelesen, zusamnien und erhob sich. „Ich muß fort. Ich muß fort! Begleitest du mich noch durch den Garten, Lönchen?" Er war eine mittelgroße, stämmige Erscheinung, gesund, wie aus Eisen geschmiedet, seine Glieder. So mochte auch sein Charakter sein. Er kannte weder Wankelmut noch. kleinliche Bedenken. Was er für recht erkannt, daraus schwor er, wofür er sich ein mal begeistert, das hielt er hoch und heilig, und keines Menschen abfällige Kritik hätte ihn gegenteilig be einflussen können. Wer sein Vertrauen getäuscht, wen er von sich ge wiesen, der war für ihn abgetan für alle Zeit. Das wußte Lona, und wenn es ihr durch den Sinn ging, durchzitterte sie heimliche Angst. Aber dann lachte sie sich selbst aus. Mochte jetzt kommen, was da wollte, ihr konnte es nichts mehr anhaben. Bernhard kannte ihr goldiges Gemüt, die reichen Herzens- und Geistesgaben seiner jungen Frau, im Uebermaß des Glückes pflegte er sie an sich zu pressen. „Wie beschei den mußt du sein, mein Lieb, du hättest mich bezaubern, rein verrückt machen können, wenn du es als Braut darauf angelegt hättest. Statt dessen verbargst du deine Vorzüge und gabst dich so schlicht und anspruchs los, daß ich gar nicht auf den Gedanken kam, du könntest dereinit die Gebende sein. Ich war so borniert, zu glauben, alles Gute in unserer Ehe und jede An regung dazu müsse von mir kommen." „Ich wollte doch mit meinen Gaben nicht vor dir prunken, Liebster, sondern dich damit beschenken, wenn ich erst ganz zu dir gehörte. Nun gebe ich mich rück haltlos, und alles soll dir zugute kommen." Lona batte sich gleichfalls erhoben, rückte seine tadellose Krawatte glatt, strich über sein volles, dunkles Haar, durch das sich bereits einige Silberfäden zogen, und half ihm in seinen Ueberzieher, Das ließ sie sich nicht nehmen. „Heute sage ich dir gleich auf der Veranda Lebe wohl," äußerte sie, „draußen ist alles noch naß von den Schauern, die gestern niedergegangen sind. Der Sturm hat viele Blüten abgerissen, die Wege sind auf geweicht. Am Mittag erwarte ich dich an der Pforte." „Ausreden gelten nicht, Schatz, du kommst mit," lachte Bernhard, sich gemächlich eine Zigarre anzündend, und die Tür öffnend, rief er hinaus: „Bringen Sie schnell den Regenmantel der gnädigen Frau und auch feste Schuhe, Lene l" Dis junge Frau sträubte sich nicht mehr, trotzdem sie ungern mit hinausging; sie wollte ihrem Manne die kleine Freude nicht verderben. - (Fortsetzung folgt.)