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LLv" MK » 6)» " ZHLZ ann ändert sich die Szenerie. Anstatt der Aebtissinnenzelle im Kloster er scheint ein enger, von Fackellicht er hellter Raum. Es ist die Nische im Treppenturm des Orlamünder-Flügel? auf Burg Lauenstein. An einem eiser nen Ring zu feiten der spitzbogigen Tür steckt die Fackel und wirft zuckenden Lichtschein auf eine Muttergottes-Statue, über der ein ewiges Lämpchen schaukelt. Eine hagere Frauengestalt in faltigem, schwarzem Mantel, die Kapuze über den Kopf gezogen, nimmt die Statue vom Sockel, mißt mit gespreizter Hand drei Spannen vom Sockel aufwärts und lockert dann mit einem Dolch den nur lose ein gesetzten Ziegel an dieser Stelle des Gewölbes. In die nun entstehende Oeffnung schiebt sie eine kleine Schmuckschatulle, setzt den Ziegel wieder ein und stellt die Gottesmutter an ihren Platz zurück. Dann fällt sie vor der Statue nieder, betet inbrünstig, segnet den verborgenen Schatz, indem sie dreimal das Kreuzes zeichen darüber macht, und verläßt, noch einmal seufzend zurückschauend, den kleinen Raum. Als sie die Fackel dem Eisenring entnimmt, wird ihr Gesicht voll beleuchtet und zeigt die hageren, greisenhaften Züge der weißen Frau, genau wie das Bild, das von ihr im Rittersaal der Burg hängt. Die Greisin ent fernt sich wankenden Schrittes. Der Gang ist ihr blutsauer geworden, aber die Mission, die zu erfüllen sie hergetrieben, den Talisman-Ring in einem sicheren, nur ihr bekannten Versteck zu bergen, hatte keinen Aufschub mehr geduldet, denn sie fühlte ihr Ende nahen. Nun kann sie ruhig ihr müdes Haupt zur Ruhe legen: sie hat alles getan, was in ihren Kräften stand, Un heil vom Hause des einst so heißgeliebten Mannes fernzuhalten. Dem Talisman-Ringe hatte sie einige Andenken aus der Jugendzeit beigefügt, den Ring, den ihr der Erzbischof von Bamberg zur Firmung ge schenkt, den Siegelring ihres Großvaters, eines Her zogs von Meran, eine Armspange, eine Freundschafts gabe aus der Mädchenzeit und jene goldene Haarnadel, mit der sie der Sage nach ihre zarten Kindlein getötet haben sollte. Auch den kleinen Dolch, mit dem sie den Ziegel gelockert, hatte sie noch in die Oeffnung ge worfen. Nun hat sie Abschied genommen vom Letzten, an dem ihr Herz auf Erden noch gehangen, die Bergangenheil begraben und sieht nun sehnsüchtig der Erlösung durch den Tod entgegen. Wieder rauschte es wie von schleppenden Frauen- gewanüern durch den nächtlichen Orlamünder-Saal, Ne WenMim-e Wicks MerkglkuM-beilW E WMepitL-Srikma MmkblsM abermals strich ein kalter Lufthauch über Me etofame Träumerin im Erkersitze hinweg, aber sie spürte « kaum. Schwer lag ihr Haupt aus dem am die Fenster brüstung gestützten Arm, die rechte Hand hing schlaff herab. So, in halber Ohnmacht, sand sie der Professor, der, schlaflos auf seinem Lager liegend, vergeblich auf ihre Rückkehr aus dem Orlamünder-Saal geharrt hatte. Endlich hatte er es vor Unruhe und Sorge nicht mehr aushalten können, hatte es doch schon -in Uhr ge schlagen, und nocb verwellte die Freundin io dem kalten, unheimlichen Raume. Rasch kleidete er sich an, schlich die Treppen hinunter und zur offenen Saaltür hinüber. Die Fenstersette des großen Saales lag in tiefes Dunkel gehüllt, nur durch die offene Tür fiel ein Streifen Mondlicht auf den Estrich. Das sah ge spenstisch aus. Ein Frösteln überlief den Professor, aber er raffte sich zusammen und spähte, seine Äugen an die Dunkelheit gewöhnend, scharf in den Saal. Da erkannte er auf dem Fenstersitze die zusammengesunkene Gestalt der Schriftstellerin und war mit drei Schritten an ihrer Seite. Ihre herabhängende, eiskalte Hand ergreifend, rief er sie leise, um sie nicht zu sehr zu er schrecken, beim Namen. Aber er mußte seinen Rus. mehrmals wiederholen, ehe sie langsam das Haupt hob und die schweren Lider öffnete. Wie geistesabwesend starrte sie ihn an. Dann fuhr sie mit der Hand über die Stirn, atmete tief auf und schien endlich zu begreifen, wo sie sich befand. Der Professor hatte, den Wein aus dem Tischchen erblickend, sofort den Römer gefüllt und hielt ihn nun der Erschöpften an die Lippen : „Trinken Sie, Ada!" bat er, den Arm um die Schwan- ver Wg aer weißen flau Eine mysteriöse Geschichte von M. Aneschke-ZchLnau. (Schluß.) (Nachdruck serbatew) kende legend. Sie folgte der Bitte und trank gierig das ganze Glas aus. Dann erhob sie sich und schritt, von ihm gestützt, die Stufen herab. Willig duldete sie es, daß er sie umfing und wie ein krankes Kind zur Tür geleitete. Doch als sie den Treppenturm betraten, stockte ihr Fuß. Der Anblick der Nische rief ihr das nächtliche Erlebnis deutlich zurück. „Ich weiß nun, weshalb wir den Ring nicht be halten durften!" flüsterte sie dem Freunds zu, sich dicht an ihn schmiegend! „Oh, ich weiß alles, alles!" „Alles?" fragte er leise zurück. „Auch, daß ich mich namenlos um dich geängstigt habe, weil ich dich liebe und nicht mehr von dir lasten kann?" Der andere Morgen brachte dem Burgherrn von Lauenstein, der ungeduldig am Frühstückstische der