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Beethoven, der Meister des Rhythmus, mochte sich wohl augezogen fühlen, auch einmal Musik für den Tanz zu schreiben. Er tat cs in seiner frühen Zeit, als er zu dem Ballett „Die Geschöpfe des Prometheus“ die Musik schrieb. Prometheus und Ballett? Aus einem erhalten gebliebenen Übersichtsplan kennen wir den ungefähren Gang der Handlung. Prometheus wird aufgefaßt „als ein erhabener Geist, der die Menschen seiner Zeit in einem Zustand von Unwissenheit antraf, sie durch Wissenschaften und Kunst verfeinerte und ihnen Sitten bei brachte. Von diesem Grundsatz ausgegangen, stellen sich in gegenwärtigem Ballett zwei belebt werdende Statuen dar, welche durch die Macht der Harmonie zu allen Leidenschaften des menschlichen Lebens empfänglich gemacht werden“. Der zw’eite Akt zeigt uns, wie Prometheus die von ihm geschaffenen Menschen von Apollo und den Musen unterrichten läßt. Das gibt uns den nötigen Hinweis auf die Ouvertüre. Sie skizziert den Gang der Hand lung. In der langsamen Einleitung stellt uns der Tondichter die hehre Gestalt des Prome theus vor uns hin. Das Bläserkolorit unterstreicht diese Absicht. In dem dann folgenden Allegro molto, das dem Schluß des Ballettfinales entnommen ist, erleben wir die „Geschöpfe des Prometheus“, die Menschen, die er zu Freude und Schönheit führt. Kein Zufall, daß das Stück in C-dur steht. Es ist Beethovens Freudentonart. Die siebente Sinfonie ist — damit kann sie der Ballettmusik an die Seite gestellt werden — ein Triumph des Rhythmus. Richard Wagner hat sie mit folgenden Worten als die „Apotheose des Tanzes“ charakterisiert: „Seinen Tongestalten selbst jene Dichtigkeit, jene unmittelbar erkennbare sinnlich sichere Festigkeit zu geben, wie er sie an den Erscheinungen der Natur zu so beseligendem Tröste wahrgenommen hatte, das war die liebevolle Seele des freudigen Triebes, der uns die über alles herrliche A-dur-Sinfonie erschuf. Aller Ungestüm, alles Sehnen und Toben des Herzens wird hier zum wonnigen Übermute der Freude, die mit bacchantischer Allmacht uns durch alle Räume der Natur, durch alle Ströme und Meere des Lebens hinreißt, jauchzend selbstbewußt überall, wohin wir im Takte dieses menschlichen Sphärentanzes treten. Diese Sinfonie ist die Apotheose des Tanzes selbst: sie ist der Tanz nach seinem höchsten Wesen, die seligste Tat der in Tönen gleichsam idealisch verkörperten Leibesbewegung.“ In den ersten beiden Sätzen ist diese Deutung am wenigsten zu belegen. Der erste Satz beginnt mit einer langsamen Einleitung, verhaltene Klänge gehen dem Hauptteil voraus. Dieser ist von allem thematischen Ballast befreit, er ist nicht auf einem Thema, sondern auf einem Rhythmus aufgebaut. In vier Takten wird er festgestellt. Dann erst setzt in den Flöten das Hauptthema ein, im Piano, später bringen es die Streicher im Fortissimo. Dieses federnde Thema beherrscht den ganzen Satz, auch das zweite Thema steht in seinem Bann, es ist im Grunde nichts Neues. Auch die Durchführung wird von dem Rhythmus des Hauptthemas beherrscht, und so ist der ganze Satz ein einziger Rausch von Glück und Freude. Gelegentlich huschen Schatten vorbei. So im Überleitungsthema, so in der Koda, wo zu den lichten Figuren der Violinen und dem Orgelpunkt-E der Bläser in den tiefen Streichern ein drohend schleichender Basso ostinato ertönt. Um so hinreißender, um so feuriger und freudiger ist dann der Aufschwung, den der Satz schließlich wieder mit dem Hauptrhythmus nimmt. Auch der zweite Satz ist von einem mehr rhythmischen als eigent lich melodischen Thema beherrscht. Es ist der Rhythmus eines Trauermarsches. Er bestimmt den Hauptteil, in dem Bratsche und Cello und dann die zweiten Geigen leise vor sich hin zuweinen scheinen, er ist aber auch in dem das Bild etwas aufhellenden Mittelteil durch das eigensinnig dumpfe Pochen der Bässe weiterhin wirksam. Nun aber entspringt der Ver haltenheit Tanz und Bewegung. Das Scherzo, Nachkomme des Menuetts, ist erst recht — wie aller Tanz — vom Rhythmus bestimmt. Ein wilder Tanz von Naturgeistern, von Kobolden und Käuzen. Sehr stark gegensätzlich das Trio, das Beethoven einem alten öster reichischen Wallfahrergesang nachgebildet haben soll. Der vierte Satz endlich ist ein bacchantisches Rasen, ein orgiastisches Sichausleben. Nun verstehen wir Richard Wagner. Nun haben wir die Apotheose des Tanzes erlebt. Das dritte Klavierkonzert, in c-moll, das dem Prinzen Louis Ferdinand gewidmet ist, läßt uns mit seinem Mittelsatz, einem schwärmerischen Largo, an den Idylliker der „Pasto rale“ denken. Merkwürdig genug steht sein E-dur zwischen den beiden Außensätzen in c-moll. In ihnen, dem energischen Allegro mit seinem einprägsamen, wie aus Erz gegossenen Hauptthema und dem eigensinnigen Rondo-Finale, begegnet uns Beethoven, der Heroiker. Dr. Karl Laux