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sstät ölume üsru «I» gepllückl lein. tNachdruck «rb-I«».) (S-rtletzLNg.) Die schöne Kartenlegerin. Erzählung von M. v. Markovics. Törtchen Marholm hatte sich's nicht nehmen lassen. Was Runge, der Tapezierer aus der Kronenstraße, zn- wege brachte, das konnte sie auch. Dreißig Jahre war sie nun im Hause des Kommerzienrats Rautenstein, vom zierlichen Kammerkätzchen bis zur Beschließerin, Silberbewahrerin, ja, Vertranten ihrer „Gnädigen" avanciert — und folglich ließ sie, Törtchen Marholm, sich das von der neuen Köchin, die erst zwei Monate hier in Stellung war, nicht sagen: „ Das wird doch nichts Rechtes I Das Himmel bett und die Vorhänge im Biedermeierstil muß doch der Tapezierer anmachen!" Und Anselm, des Kommerzienrats alter Diener, der auch schon an die fünfundzwanzig Jährchen seinen Posten treu und ehrlich hier versah, gab Törtchen voll kommen recht. So — und so hatte es die Gnädige an geordnet — und es war das Zimmer des jungen gnädigen Herrn Leonhard, das er als Knabe bewohnt hatte, und nun war es für sein Töchterchen, die kleine Lilian, hergerichtet, die in zwei Tagen mit ihrem Vater aus Afrika hier eintraf. Im Schweiße ihres Angesichts hatten die beiden treuen Seelen sich abgemüht; aber man mußte es ihnen lassen: ihr Fleiß war belohnt worden. Wie ein nied liches Schmuckkästchen sah das Zimmer aus. Weiße Möbel, die die Frau Kommerzienrat ausge sucht, waren gestern gekommen — außer den duftigsten Spitzenstores verhüllten himmelblaue, mit wunderbaren Rosenmustern übersäete Gardinen das Bettchen und die Fenster und Türen — blühende Blumentöpfe überall — eine kleine Prinzessin konnte hier wohnen. Tie „Gnädige" war ausgefahren, Spielzeug und Denkspruch. Ilie ksmpklor «iw äb gsnr Vs; Lchöne im keden geglückt lein. Lewst Msmsnlenglsnr will lelner hülle rnliückl still; llnä «inüelt üu einen lirrnr, Nachdem Leonhard von Rautenstein sein heißge liebtes Weib unter Magnolien- und Orangenbüschen begraben, ließ er über ihrer Ruhestätte aus weißem Marmor, den er aus Kapstadt bezog, ein festes kleines Mausoleum bauen — zum Schutze gegen die Raub tiere des Urwaldes. „ Dann benachrichtigte er di« geliebte Mutter von dem schrecklichen Verlust, der ihn getroffen, und als der Urlaub kam, nahm er sein kleines Mädel in die Arme und schiffte sich auf dem großen Dampfer „Auguste Viktoria" ein. — Und diese Depesche des Sohnes vor sich in ihrer silbernen Handtasche, saß sie nun hier — sie, Leonore von Rautenstein, im geheimnisvollen Sprechzimmer der in der Großstadt sich eines besonderen Renommees er freuenden italienischen Kartenlegerin Lucia Diabelli. Er kam in vierzehn Tagen — ihr Leonhard, ihr großer Junge, der er in ihrem Mutterherzen noch immer war — er kam und brachte ihr das geliebte Enkelkind — sie würde nicht länger einsam sein, nicht mehr liebeleer durch das Leben gehen müssen. Ihr Gatte kränkelte seit Jahr und Tag schon — sie hoffte, daß er nun nachgiebiger, versöhnlicher, dem Liebreiz des Kindes nicht werde widerstehen können. Noch einmal nahm sie die längere Depesche heraus und las sie. Fran von Rautenstein sah die Gestalt hinter der Blätterwand nicht, die sich vorbeugte, um gleichfalls sich über den Inhalt des Papiers zu orientieren, und hatte keine Ahnung, daß sie selbst seit ihrem Eintreten be obachtet worden war. Schon begann sie unruhig zu werden, als der junge Diener eine fast unsichtbare Tür öffnete nnd leise meldete: „Madame Lucia —!" Die Besucherin sah auf. Ah! — Das war in der Tat eine seltsame Erscheinung, die in diese my steriöse Umgebung paßte. Eine hohe, schlanke Gestalt in einem weißen Krepp- kleide mit einem mattgelben, durchgeistigten Antlitz, die tiefumschatteten Augen voll dunkler Trauer und einem leisen, müd-melancholischen Lächeln um den blassen Mund. Diese Erscheinung wirkte wie der Schauer einer Hypnose. — In gewinnendster Weise bat Madame Lucia um Vergebung, daß sie so lange habe warten lassen, „aber höchst wichtige, dringende Geschäfte — unaufschiebbar —" .Doch nun widme ich mich Ihnen ganz," schloß die schöne Frau. Der Laut eines Hellen Silberglöck- chenS — der Bursche brachte ein perlmutt-eingelegtes Tischchen, stellte ein schwarzes Rosenholzkästchen darauf und verschwand lautlos. Mit gespanntester Aufmerksam keit verfolgte Frau von Rautenstein jede Miene, jede Bewegung dieser modernen Lenormand, welche ein Spiel Karten und ein goldenes Fläschchen dem schwarzen Käst chen entnahm. Mit diesem Fläschchen trat sie zu dem grünen Wasserbecken und schüttete einige Tropfen des Inhalts in das Wasser da begann es zu rauschen, betäubend zu duften, und der zarte Strahl, auf dem die Kugel tanzte, schwoll zu einer hohen Fontäne, di« grell erleuchtet war. Tiefernst betrachtete Madame Lucia das rauschende Wasser — dann setzte sie sich ihrem Gast gegenüber, breitete das Kartenspiel aus und begann mit ihrer weichen, müden Stimme: „ Von weiter Ferne, heimkehrend, erwarten Sie zwei geliebte Wesen sehnsüchtig, die auf den tückischen -Fluten des Meeres gleiten — — ich sehe sie — sie halten sich umschlungen —" Erstaunt und erregt stammelte die Aufhorchende: „Mein Sohn.— das Enkelkind Lilian! — und werde ich sie glücklich in meine Arme schließen?" Tie Kartenlegerin wiegte leise das Haupt mit den schwarzen, üppigen, seidenweichen Flechten. „ Tas Schiff, die „Auguste Viktoria", trifft am 2. Juli im Hafen zu Hamburg ein " „Auch das wissen Sie — Eins Bewegung der zarten, elfenbeinfarbigen Hand hieß die Fragende schweigen. — und noch eine dritte Person, die Ihnen nahesteht, sehe ich in diesen Blättern — — sie ist dem Abscheiden nahe —" „Mein Gatte!" rief die Erschreckte, und sprang auf. „Es ist gut — ich danke Ihnen, Madame — aber ich muß heim —" Sie fürchtete, noch mehr, vielleicht Schlimmeres zu hören — das rauschende Wasser — der starke Tust, wie von Heliotrop, verursachte ihr Nervenschmerzen — sie brach hastig auf. Und eine größere Banknote in das schwarze Rosenholzkästchen legend, verabschiedete sie sich von Lucia Diabelli und eilte flüchtigen Fußes aus der „Villa Smaragd". Kaum hatte Frau von Nautenstein das „grüne Zimmer" verlassen, als hinter der Blätterwand ein elegant gekleideter Mann hervortrat. Es war der Bruder der schönen Kartenlegerin, der ihr auch sehr ähnlich sah, obwohl er bedeutend älter war als die Schwester. Madame Lucia zeigte ihm lächelnd den Hundert markschein und flüsterte: „Sei überzeugt sie kommt wieder!"