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Redigier und verlegt von C. M. Gärtner in Schneeberg und Schwarzenberg. Die Tabaksdose. (FvMhung) Ja, wahr ist's, unser Herrgott ersetzt den Armen und Niederen durch Fülle der Gesundbeit, was er ihnen an irdi- scheu Glücksgütcrn fehlen läßt. Aber, Friedrich Fleischmann, ahnest du denn nicht die Versuchung, welche dir in »er Ge stalt jener Jungfer grnahet ist? Schlägt dein Pul« nicht schneller al« gewöhnlich? das Herz nicht ungestümer? Rollt nicht heißer dein Blut durch alle Adern? Hinweg mit dem Blicke von der beschäftigten Jungfer! Deren Großmutter ist in ihrer Jugend vielleicht eben so kräftig und wohlgeformt gewesen. Wo aber ist an derselben nur die geringste Spur früherer Reiz« vorhanden? In' der Welt ist ja Alles eitel und vergänglich. Auch jenes kastanienbraune volle Haupt haar wird ergrauen und auSsallen, jener weiße stolzgetragene Nacken sich krümmen, die Röthe und Fülle der Wangen ver. schwinden und Falten, Runzeln und Lederfarbe an ihre Stelle treten. Der zündende Blick de- dunkeln Augenpaares wird erlöschen; die Augen werden in Graugrün übergehen und wohl gar rothe Ränder bekommen, jene schönen vollen Arme in schlaff um die Knochen hängende Muskeln sich umwandeln. Also philosophirte ich, um mir mein heißgcwordenes Blut abzukühlen. Allein, gleichwie die Kartenhäuser unter einem Anhauche, fielen auch alle meine Betrachtungen in nichts zusammen, als die Jungfer sich jetzt umwendete und mit von der Arbeit doppelt gerötheten Wangen zu mir anhob: „Aber, Herr Magister, frieren Sie denn nicht unter der dünnen Wattdecke und auf der bloßen Strohmatratze? Dazu ist Ihr Federkopfkissen so dünn, daß Sie wie auf einem Bret stück so hart liegen müssen!" „Mein Kind," versetzte ich gepreßt, „es war einmal ein Spanier, welcher de- Nachts auf der bloßen Erde geschlafen hatte. Als er am Morgen erwachte und eine Flaumfeder unter seinem Haupt« sand, sagte er: „Ei, ei, ich habe nur auf einer einzigen Feder gelegen und darum so hart. Wie viel härter hätte fich's nicht erst auf einem ganzen Bündel Federn schlafen müssen? Ich denke wie jener Spanier." „Das ist nicht wahr!" versetzte die Jungfer keck, „der Spanier war ja ein dummer Hans!" „Ein Glück, daß der Spanier eben nicht hier ist," sagte ich freundlicher als ich wollte. „Er würde blutige Genug- thuung für den dummen Hans fordern." „Et, ich würde mich nicht vor ihm fürchten," erwiderte die Jungfer und lächelte, daß die weißen Zahnreihen wieder zum Vorschein kamen. Zu spät sah ich rin, daß, da ich dem Mädchen den kleinen Finger gelassen hatte, jenes nun nach der Hand trachtete. Meine stumme, noch offen stehende Cla- viatur nämlich gewahrend und solche für ein Pianosorte hal tend, sprach die Jungfer bittend: „Herr Magister, wollen Sie nicht einen hübschen Wal zer oder Ländler aufspielen? Gar zu gern-höre ich Mufik." Da stand der Versucher plötzlich in seiner wirklichen Ge stalt vor mir! Wie Schuppen fiel mir- vor den Augen. Durch das brauue Haar de« jungfräuliche« Hauptes schaute jetzt eine Höruerpaar hervor; der kleine Midchenfuß ward zum Pferdefüße, die arbeitsame Hand zur Kralle, da- blühende Gesicht zur Teufelsfratze. Ich kämpfte mit meinem Fleische — kämpfte schwer — aber siegte! . „E- ist gut." hob ich entschieden zu der Jungfer an, „ich bedarf Ihrer nicht länger, werde mich ohne Kaffee be helfen, bis Ihre Großmutter wieder hergtstellt ist." „Hab' ich etwas nicht recht gemacht?" erwiderte die Jungfer ganz bestürzt und über ihr hübsche- Antlitz zog sich ein Schleier hin. „Habe ich Sie wider Willen beleidigt?" fuhr fie mit einer Thräne im Auge fort. „Da- nicht!" antwortete ich. „Aber ich bedarf, wie schon gesagt, Ihrer Dienste weiter nicht. Ich will versuchen, .ob ich nicht auch ohne Kaffee leben, mein Bette selbst ans- schütteln und meine Wohnung auskehren kann. Soll ich Ihnen übrigen» noch einen Rath ertheilen, so ergeben Sie sich nicht der bösen Tanzlust, welche Seele und Leib zugleich ertödtet." „Ich tanze gar nicht," fiel die Jungfer gekränkt ein, „nur gern spielen höre ich einen Tanz." „Schon diese Lust ist verdächtig, denn fie ist die An sängerin zu schlimmern Lüften," versetzte ich ernst. Erglühend und stumm ging die Versucherin. Ich aber warf mich erschöpft in einen Stuhl. Ich über wand mich! Wie klein, wie unbedeutend diese Paar Worte dastehen! Wer aber wird ermessen wollen und können, wie viel mich dieses Wörtlein „überwinden" kostete. Stand ich doch schon auf dem Sprunge der Jungfer nachzulaufen, ihr meine Worte ab- und fie um ihr Wiederkommen zu bitten. Bis jetzt hatte ich das weibliche Geschlecht nur au- der Ferne und in ge- und verputztem Zustande betrachtet. Ich hatte cs betrachtet, wie man künstlich ausgespannte Schmetterlinge in Glaskästen anfieht. Ueberdtes hatte ich geflissentlich jede vertrauliche Annäherung gemieden, weil eine solche sich nicht für meinen Stand und meine- sonstigen Verhältnisse zieme. Da mußte mein Unstern ein Mädchen zu mir führen, da- in jeder Beziehung für mich eine Versucherin ward. „Hebe Dich weg von mir, Satan! Du bist mir ärgerlich!" sprach ich in Gedanken zu der Versucherin. Aber sogleich strafte ich mich wieder wegen dieser Rede. Was kann, fragte ich mich, tue Jungfer dafür, daß du durch 'fie versucht wurdest? Hin Satan — ein sehr hübsches Mädchen war es, das, wenn^es wirklich keine Tanzwüthige ist, eher einem Engel gleicht-. ' Ich verbrachte den ganzen Tag in einem Streit» mit mir selbst hin. Als ich mich Abend» aus da» Lager' btgäb, welches die Jungfrau ausgeschüttelt hatte, konnte ich Mich nickt über dessen Kälte beklagen, wohl aber üher fiamMlV« Hitze und Schlaflosigkeit, dann über böse TrSffMe und »er» führerische Erscheinungen. Sei aber muthtg Und verzage nicht, Friedrich Fleischmann! Wache und bett, so wirst du nicht in Versuchung fallen, sondern die Lüft« de» Fleisches besiegen. Amen! Ein canäiärtns tdeologiss hat viel Ähnlichkeit mit ei nem Schmetterling« oder Motkendtebe, welcher bekanntlich drei Verwandlungen durchzumachen hat! bev« et wir», Ma» er werden soll. Als SchÄexMhmnastast üu» Student ist jener