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1857. Svimabeuv den 18. Apil und Echwarzrnberg. Redigirk und verlegt von C. M. Gärtner in Liebe und Treue bis zum Grabe. (Fortsetzung und Schluß.) Die Anstalten zur Weiterreise durch alle Schrecken-« labyrinthe dcS/tahcn Todes wurden nun beeilt; nicht erstarkt, sondern matt, gleichsam verschmachtet, standen die kiugeschirr- ten Pferde vor den Kibittkcn. Die Stränge und Bekleidun gen der Pferde und Schlittenlenter fingen bald wieder an, sich mit einer eisigen Kruste zu umziehen, und der ellcnhohe Schnee knisterte, während die Herzen der Verbannten um da- Nothwendige, um barmherzige Liebe fleheten. So weit die Augen reichen konnten, lag ein unabseh bare- Schnee- und Eisgcbirge. Verzweiflung erfaßte beinah SeraxbimS Herz, als er Isidora in den Schlitten zu ihrem Vater steigen sah; nichts dachte, empfand und sah er mehr; der furchtbare Gedanke — sie, die er über Alles liebte, im östlichsten Theil von Rußland, am Eismeer zu wissen, bewegte ihn allein; vor ihrem Schlitten warf er sich in den tiefen Schnee und flehte sie an, von ihrer Aufopferung abzustehen, flehte den Vater an, sie nicht mitznnehmen. Erfolglos blieb auch dies! sie folgte ihrem Vater i.wd seinem furchtbaren Verhängniß. Gott ist überall und trestnt unsere Herzen nicht, rief Sie dem Geliebten zu, und pfeil schnell sauste der Schlitten dahin. Jenem folgten die Ande ren. Seraphim bezahlte die Nachtlager und eilte den Dahin- eilcnd^nach. Noch hatte er keinen festen Plan fassen kön nen, g?rn würde er diesem Engel gefolgt sein, um mit ihr bei den Ostjacken zu leben, als ob die ländlichste Glückselig keit sie dort umgebe. Aber Tausenke von Menschen hatten Gott und Kaiser seiner Wissenschaft und Gelehrtheit und Kunst vertraut. Pflicht und Ehre stritten abermals mit Gewissen und Liebe; die Letztere mußte sich besiegt ergeben. Noch ein mal sah und sprach unter Thränen und Schmerzen die Un glückliche den Unglücklichen; dann waren sie durch die Gesetze und Elemente getrennt. Herz an Herz gedrückt nahmen die Freunde von einan. der Abschied, kein Wort entströmte dem von Schmerz der Trennung zugepreßten Munde, lautlos wie der Tod, die männ lichen Thränen in den Augen, verstanden sie sich und. — cs war geschieden. Jene Straße führte in das Verderben! Seine Straße zu Glanz, Ehre und Glückseligkeit. — Wo aber weilt der goldene Friede am sichersten? — Seraphim hatte Petersburg, Liesen Weltvalast erreicht; sein krankes Herz und Gemüth wurden durch die großen, neuen Dienstobliegenheiten, die durch den furchtbaren Aus bruch der asiatischen Cholera sich noch vermehrten, oft und vielfach zerstreut/ so daß der thätige bis zum Hinsinken er mattete Geist und Körper nur in den oft fieberhaften Nächten von schrecklichen Traumgebilden geängstigt ward. Wie uncnd- lich große Anstrengungen sein nngeschwächter Körper auch zu ertragen im Stande gewesen, so erlag doch endlich die er- mattete Natur auch, und ein hitziges, nervöse- Fieber warf ihn auf da- Krankenlager. — Acht Monate waren in Pflich ten de- Dienstes und in der Krankheit vergangeü; die un- geschwächt« Natur kam der medizinischen Kunst zu Hülfe, Seraphim gena- zur Freude Aller, die Gelegenheit gehabt hatten, ihn kennen zu lernen. Welch» großen Dienste er in -dieser kurzen Zeit, in den furchtbaren Monaten der schwatzest Cholera, durch Anordnungen von Rettung-anstalten, durch eigene Verachtung von Lebensgefahren sich etworben, bewies ein kaiserlicher Ukas, der ihm den St. Annen-Orden ist Brillanten und die Würde al« Kaiserlicher LeibmedtkuS uyb Generalarzt der Armeen ertheilte. Seraphim war ein zu philosophischer Kopf, al« daß tr nicht Glück und Seclenschmerz mit gleicher Waage »wog, darnm konnte ihn auch nichts; weder Glück noch Unglück be siegen; fest und treu blieb er seinen Grundsätzen, seiner Liebe. Bereits zweimal hatte er durch das Gouvernement, in welchem er einen bedeutend einflußreichen Gönner^ der ihm Dank schuldete, besaß, an die Geliebte geschrieben; fünf Monate waren darüber wieder, verflossen: bange Besorgnisse ergriffen sein Herz Und schön fürchtete er, die Todesparze habe den Faden der Liebe und Hoffnung für immerdar zerschnitten. - An einem Abend am offenen Fenster stehend, seine Blicke nach dem besternten, hellflimmernden Himmel sendend, und über die Größe des göttlichen Daseins, wie über die Ver gänglichkeit irdischen Glücks nachdenkend; — meldet, ihm sein Diener einen fremden Offizier an. Beim Eintreten desselben fliegen-sich Beide in di» Arme und halten sich.in innig»! Freundschaft innig umschlungen. „Michael! Seraphim!" wa ren die einzigen Worte, die sich durch die von Wehmuth nnd Freude geschlossenen Lippen drängten. Des Monde- sänfte- Licht fiel al- Gruß und Kuß der Fernen --- aus die Gruppe, und ertheilte ihr die Weihe wahrhaft geistiger Sympathien. Endlich gewannen die MäNuer ihre Haltung wieder, die Ge fühle entströmten in Worten. Michael erzählte Seraphim nun, daß er seit ihrer Bekanntschaft die Reise nach Oschotzk bereits zum dritten Male gemacht; daß Isidora lebe und ge sund sei; des Geliebten Briefe erhalten habe, aber dem Be fehle, nicht wieder zu schreiben, folgen müsse. Diesen Brief, als den ersten, bringt Dir der Freund gegen Dienstpflicht; dabei überreichte er dem entzückten Se- raphtm ein Schreiben von der Geliebten. Wie ein nach Speise Schmachtender, wie der Verbrecher, der.nach Absolu tion seiner Sünden, nach dem heiligen Brod und Kelch sich sehnt, ergriff der Geliebte da« Blatt Papier, öffnete es und küßte die geliebten Stellen, wo die Hand der Tbeuren ge ruht. Frenke überstrahlte sein Gesicht; als er las, daß »in Schutzgeist eigener Art und Größe aus seltene, gütige Weist das Elend ihnen dort zu mildern bemüht sei; und daß selbst in dieser Verbannung sich glücklich leben lassen könnte, wenn dieser Todessriede durch die heiligen Gedanken, durch die Em pfindungen der Liebe und/Zufriedenhcit beseligt würde. „In der Pflege Ihre« immer schwächer werdende» Va ters," nahm Michael da- Wort, „findet sie Trost und Hoff nung." „Dank, tausend Dank, Du lieber Stelenarzt!" entgeg nete Seraphim dem Freunde, und fragte, wie e« Alexi« er gehe, und welcher glückliche Zufall ihn Nach-Petersburg ge bracht? . >'i >1 „Auf Befiehl de« Kaiser- Hin ich hier; Alle«, hab« ich