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blickte tiefsinnig durch die trüben Scheiben: der Vater saß ohne Theilnahme, wie immer, und die Baw lehnte sich weit " aus dem Fenster, so lange bis der Helle Kang der Schellen nicht mehr zu vernehmen war. Anna, sagte sie dann, Du hast wohl den Herrn gesehen, dir eben vorüber fuhr. Waß gilt's, ^das wär» der Mann, Euch in Eurer Sache zu Helsen, vertraut Euck nur ihm und mir. Ich kenne ihn wohl. Er kann für Dich handeln und will es auch. Mische Dich nicht in diese Dinge, Base, antwortete Anna, und hüte Dich wohl, ein Wort in meinem Namen zu sprechen, denn ich möchte leicht anders fühlen als Du. Niemand soll uns beistehen, eS sei denn, daß er es um der Gerechtigkeit willen thäte! Niemand, und er am wenigsten.— Ist es möglich, rief die Base aus, daß Du den schönen, lieben Herrn hassest? Wenn Dein Herz keinen andern Grund meiner Weige. rung kennt als Haß, sagte Anna, so würdest Du mich auch nicht verstehen, selbst wenn ich Dir das Meinige aufschließen könnte. Noch einmal, sprich nie wieder von ihm und seiner Hülse. Nein, ganz andere Gedanken sind in meiner Seele. Ich habe den Muth, an der Seite meines unmündigen Bru ders mein Recht vor dem Czaar, unserm Herrn, zu vertreten. Ich hätte es längst gethan, erber des Vaters Verbot schreckt mich! — Nimmermehr sollst Du es, sagte der Vater mit hohlem, bebendem Ton., Die Menschen, Hohe und Niedere, sind un sere Feinte; reize sie nicht, laß sie nicht wissen, daß der alte Mann noch lebt, dem sic Alles genommen haben. — Ach, wer sagt mir, was ich thue! flüsterte Anna leiser. Soll ich ihn sterben lassen in Mangel, da der Herr mir Ent schluß und Kraft ins Herz gab? Soll ich ihm ungehorsam sein, zum ersteumale seit ich lebe? — Vater laß uns zum Czaar gehen, sagte ich schmeichelnd, der große, mächtige Mann wird zwei Kinder nicht von sich weisen, die für ihren Vater bitten. Die für ihren Vater bitten! wiederholte der Kranke, ja ihrer ist das Himmelreich! der Mächtige wird sie nicht von sich weisen.. (Fortsetzung folgt.) Tagesgeschichte. Schon vor Monaten haben wir in unserer Tagesgeschichte darauf hingewiesen, daß es zwischen England und dem un geheuer großen Reiche China im fernen Asten jedenfalls zu einem langwierigen und mörderischen Kampfe kommen wird und haben auch dieses Thema zu wiederholten Malen in un serem „Volkssreunde" besprochen. Nun hatte eS zwar vor mehrern Wochen den Anschein, als würde der Streit zwi schen England und China vor der chinesischen Hafenstadt Cant o n doch nicht in einen wirklichen Krieg ausarten; allein die neusten Zeitungsnachrichten aus den chinesischen Ge wässern lauten wieder sehr kriegerisch, und da sich England gleichfalls mit Macht rüstet und allwöchentlich neue Truppen und Schiffe nach China abgehen laßt: so scheint ein heißer und jedenfalls lang anhaltender Kampf zwischen England und China denn doch unvermeidlich zu werden. ' Geht England siegreich au« diesem Kampfe hervor (woran schließlich denn doch nicht zu zweifeln ist), so werden die Handelsverhältnisse von ganz Europa in 10, 15 Jahren eine ganz andere Gestalt annehmen, denn ein ungeheueres Reich von 280 Millionen Einwohnern wird zum großen Theile unserem Handel erschlossen werden. Doch dürfen wir uns nicht verbergen, daß England nur mit den größten Anstren gungen und vielleicht erst nach mehrern Jahren gegen China vollständig obsiegen wird; denn obwohl der Chinese in der eigentlichen Kriegskunst dem Engländer weit nachsteht, so ist er auf der andern Seite doch auch ein wahrhaft tapferer Soldat und kein Mittel ist ihm zu niedrig und zu verwerflich, womit er dem Feinde schaden kann. Dazu kommt noch der glühendste Haß, der sich bis zum Wahnsinn steigert, mit dem er gegen die Engländer oder „rothhaartgen Barbaren", wie sie der Chinese nennt, erfüllt ist. — So viel ist sicher, dieser englisch-chinesische Krieg wird mit einer gegensei tigen Wuth und Erbitterung geführt werden, wie kaum noch ein andrer und die Zcitnpgen werden uns, wenn der Kampf einmal allgemein entbrannt ist, so abscheuliche Thaten von den Chinesen berichten, daß wir uns, mit gerechtem Abscheu von diesen Greueln abwendcn werden, denn der Chinese setzt im äußersten Fall alles aufs Spiel, wenn er nur dem Feind« recht empfindliche» Schaden beifügen kann. So berichtet ein ausländisches Blatt, „Moniteur de la Flotte": daß die Chinesen im jüngstverflossenen Monat Februar ein Flüßchen, das ein ausgezeichnetes Wasser bat, so daß die Engländer und Amerikaner seit vielen Jahren sich daraus mit Wasser zum Trinken und Kocheü zu versehen pflegten, mit vegetabilischen Substanzen (d. h. mit Pflanzen) vergiftet ha ben. Das Wasser verursacht nun den Matrosen die heftigsten Krämpfe, und wollen sie nicht einem sicheren Tode entgegen gehen, so dürfen sie kein Trink- und Kochwasser mehr aus dem Flüßchen schöpfen. : Auch das Vergiften der Brunnen ist bei den Chinesen an der- Tagesordnung. In das Innere des Ungeheuern chinesischen Reiches vorzudringen werden demnach die Engländer nur mit der allergrößten Vorsichtigkeit wagen können, denn der rachgierige Chinese wird alle Brunnen und Lebensmittel, so weit nur immer auSsührbar, vergiften. Außerdem sind d'e großen Seen, Kaho-Tschi, Uü-Ho, Petschi-Lo und Win-Sing neuerdings von großen Deichen (Erddämmen) eingefaßt worden und ent halten ungeheure Wasscrmassen. Diese Seen liegen in der Nähe der großen Hauptstadt des chinesischen Reichs, Peking. Sobald sich nun ein feindliches Heer in der Umgegend der Hauptstadt zeigt, werden die Erddämme durchstochen, um durch die, diesen Dammdurchstichen entströmenden gewaltigen Wasser massen die feindlichen Truppen zu ersäufen. Daß bei einer solchen künstlich hervorgerufenen Ueberschwemmung mehre 100 Quadratmeilen des fruchtreichsten und bestens angebauten Landes, so wie eine große Anzahl Dörfer und Städte mit überfluthet und gänzlich zu Grunde gerichtet werden, darnach fragt der Chinese nicht. Doch wird es überhaupt noch gute Weile haben, bi« die engländischen Waffen dahin gelangt sind, ihre Kraft und Schärfe im Innern des furchtbaren Reiches China zu erpro ben. Allein da der Kamps einmal wieder entbrannt ist, wird England gewiß alles daran setzen, um siegreich daraus her vor zu gehen; denn mit halben Maßregeln ist gegen China nichts äusgerichtet. Endet aber der Kampf für England sieg reich, so werden die Folgen für Europa unermeßlicb sein. „Großbritannien erklärt den Krieg, aber in Wirklichkeit ist der Kamps zwischen Europa einerseits und China anderer seits entbrannt, und die ganze christliche Welt wird die Früchte des Sieges ernten " so schließt ein französisches Blatt seine Betrachtungen über den in gewisser Aussicht stehenden eng lisch - chinesischen Krieg. Der „Volksfreund" wird nicht unterlassen, seinen Le sern von Zeit zu Zeit ausführliche Berichte, nach den besten Zeitungsblättern bearbeitet, über die Fortschritte dieses englisch chinesischen Krieges mitzutheilen. Deutschland. Preußen. Berlin. Die offi. ctelle „Preuß. Corr." schreibt: „Nach den uns zugchenden