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1857. Mittwoch, wn 25. März. Redigilt und verlegt von C. M. Gärtner in Schneeberg und Schwarzenberg. Liebe und Treue bis zum Grabe. (Fortsetzung.) EtrnmavSky hätte bei seinem schleckten Charakter au« SchitkovSky» That und der jetzigen Spannung, Vortheile ziehen können, wäre er nicht in Betreff früherer begangenen Schelmfireiche, um die SchilkovSky nur wußte, aber nie ihrer sich theilhastig gemacht hatte, zum Schweigen gezwungen ge wesen. Kehren wir jetzt zu Seraphim und seinem Mentor oder Beschützer, jenem an Herz und Gemüth edlen Juden zurück. Sein Versprechen, Seraphim mit Isidoren noch einmal spre chen zu lassen, vermochte er jetzt im ersten schrecklichen Aus bruch des Unglück- nicht zu halten; er verschwieg aber dem Jüngling den so traurigen Vorfall und täuschte ihn mit dem Vorgeben, Isidora sei von ihrem Vater nach Moskau zu einer Derwandtin gebracht. Diese Angabe hatten auch JsidorenS Äerwandte zu Warschau in der Stadt zu verbreiten gewußt und somit hatte sie auch bei Seraphim Glauben gesunden. Der Braut dahin nachreisen, war des Verlobten erster Gedanke; Jonathan, so hieß der wahrhaft redliche Jude, gab ihm viel und manches zu bedenken, und drohte ihm seinen fernern väterlichen Beistand zu entziehen, würde er seinen Warnungen und Lehren nickt folgen. Seraphim erkannte da« Edle, Großherzige seines Beschützers, und gelobte diesem Ge horsam und Ergebung in sein Schicksal. »Wohlan, mein Sohn!" sprach Jonathan, „nimm die se- Geld, verlasse die Stadt und suche in einer entfernten Gegend Dein Unterkommen, Dein Leben Dir neu zu gründen. Entsage Dem, was Dir nicht werden kann, für jetzt! Wie schmerzlich auch Dein Erwachen aus diesem schönen kurzen Traum ist, trage e- mit Duldung und bedenke, daß es die Strafe Deine- schweren Vergehen- ist. Der Glaube schütze Dich, die Liebe bewahre Dich, und die Hoffnung erhalte Dich. Seraphim willigte in Aller, nur nicht in die Annahme de- AbkansungS-Ichilling». Aus seinem Mobiliar und aus sei nen Büchern verschaffte er sich die Mittel zu seiner Reise ohne Wahl und Zweck. Gerührt schied er von Jonathan und ver sprach ihm über fein Leben, Wohlergehen und Wirken Nach richten zu senden. Jonathan erthetlte ihm seinen Segen, und der Jüngling mußte seine Geburtsstadt verlaffen, ohne zu wissen, wohin er sich wenden sollte. Gein Weg führte ihn zuerst nach Krakau. Angekommen daselbst, beschloß er nach Frankreich zu reisen; allein, die Vorsehung schien es ander- beschlossen zu haben. Die in ganz Polen im Stillen vor bereitete Revolution war ihrem Au-bruch nahe, und die rus sischen Behörden verweigerten demzufolge Seraphim einen Paß nach dem Au-tande. Die Verlegenheit de- Verlassenen war bet dem überall herrschende« gegenseitige« Mißtrauen nicht unbedeutend. In dieser hülflosen Lag« erschien ihm ein rettender Enges i« der Gestalt einer bejahrten Dame, deren Bekanntschaft er zufällig gemacht hatte. Diese suchte einen Begleiter nach Dorpat, wo sie z« Hause war. Nicht- kongte Seraphim er wünschter kommen, er trug fich dazu an, und reiste mit der Dame dahin ab. Hier trat »in Wendepunkt seine- Leben- und Schicksal» ein ; durch jene vtelvermögende Dame gelangte er al- Lehrer in bedeutende Familienkreise, und während er die Jugend belehrte» besuchte er in seinen freien Stunden die Universität, um über Medizi« Vorlesungen zu hören. Mit eisernem Fleiß« gab er fich den Studien hin, und vermochte bei den schon gehabten Dorkenntniffen La» Doctor-Examen nach zwei Jahren abzulegen. Al« promovirter Arzt und Phi lologe besaß er nun die Achtung, di« Liebe und da« Ver trauen Aller, die ihn kannten; t« fehlte ihm nicht« zu seinem Glück al- — feine Isidora! Der Gedanke an die Hartherzigkeit de« allen Juden in Warschau hatte schon längst den Wunsch In ihm rege gemacht- sich der christlichen Religion zuzuwenden, und seine jetzigen Verhältnisse machten e« ihm noch mehr zum Bedürfniß. Se raphim entschloß sich daher, die christliche Taufe zu empfangen. Bon Jonathan hatte er schon lange.keine Nachrichten mehr an- Warschau erhalten können; durch den Ungehorsam, womit Polen den großherzigen Kaiser Alexander belohnt hatte, war de» Kaiser- Nikolaus Sinn empört worden, di» bisher noch losen Bände zwischen Thron und Polen« Volk lösten sich, und nach dem ersten und letzten Reichstag unter Nikolaus brach und zerriß die bisher noch lose Kette gänz lich; die Revolution in Polen brach au-, und hemmte jede Verbindung. Die Ueberspannung der polnischen Gesinnungen und besonders ihre Forderungen, Lithauen mit Polen zu vereini gen, die Julirevokution iU Paris und der Au-bruch der bel gischen Revolution begeisterte Polen- Jugend so sehr, dass sie am 29. November 183Ü den offenen Katnpf gegen Lew Vicekönig Konstantin und sein« 5000 Russen in Warschau begannen; der Erfolg krönte diese» Wagestück. Btutströme flossen nun der Freiheit zu Liebe und Ehren, und La« »om Siege trunkene, exaltirte Volk der Polen beschloß, sich gänz lich unabhängig von der Krone Rußland« zu machen und die revolutionäre Bewegung über da« ganze Land zu verbreiten. Daß dieser Polenaufruhr für diejenigen Polen, die in Ruß land lebten, nicht angenehm sein konnte, läßt fich denke«. Da« polnische Volk hat in seinem Charakter Gtolz und schwer besiegbare Lust zur Unabhängigkeit, dabei «i«e unversöhnliche Feindschaft gegen feine Unterdrücker; und feder in Rußland lebende Pole hätte fich gern freiwillig unter Ler RevolutionS- fahne gestellt, wärt» die Argu-augen der russischen Behörde« nicht hinderlich gewesen. Auch Seraphim hatte viel zrr leiden und zu dulden, doch seinem Eide al» russischer Unterthan und Staatsbürger getreu, hielt er sich fern von jede, politischen Verbindung; er sah zu klar und scharf, daß die« revolutio näre Auftreten seine« Geburt-laude- nur dessen Untergang zur Folge haben müßte, und Laß nur aus Lem Wege der Ausgleichung und Gnade, da- Ende de« unglückselige« Er eignisse- glimpflich herbetgeführt werden könnte. Währen» dieser Schrecken-zeit empfing der durch äusgtzeichntte glückliche Praxis wirkende Mann einen Ruf. al- Militär-StaL-a^t «ach Petersburg; zu glänzend und ehrenvoll «ar die Ernennung, zu ruhmvoll die Aussicht in die Zukunft, al- »aß Seraphim dlefdErveunung au«schlägenkotmte. Sin gut«Siem keuch-