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« ^3 « »Du siehst aus, als ob du mir ein großes Glück brächtest, Papa I* sagte sie atemlos. Er blickte lächelnd in ihr erglühendes Antlitz, das nicht schön, aber in seiner jugendfrischen Reinheit sehr anziehend war, und entgegnete dann heiter: „Ich hoffe es, mein Kind ; die Botschaft, die ich dir zu überbringen habe, scheint mir in der Tat so glückverheißend für deine Zukunft, wie ich sie je für dich ersehnte, Graf Rhoda bittet mich um deine Hand, mein Töchterchen, und da er siegesfroh bereits dein Herz zu besitzen wähnte, so brauche ich ihn wohl nicht hoffnungslos fort- zuschicken, wie so manchen unvorsichtigen Freier vor ihm, was meinst du, Bally?" „Er, Papa, er begehrt mich?" Eine scheue Selig keit brach aus ihren Augen. Der herzenskundige Vater lachte: „So hat er recht, der kühne Siegeri Nun, ich freue mich herzlich seines Erfolges!" „Dem Grafen Rhoda willst du deine Tochter an vertrauen ?" rief da Margarete in schmerzlicher Be stürzung. „Es ist nicht möglich I Du mußt ihn ja kennen; wie magst du diesem Manne dein Kind, das du doch liebst, hingeben wollen!" „Ich bitte dich, liebe Mama, du hegst ein Vor urteil gegen Leon, ich ahnte es längst," kam Valerie hastig ihrem Vater zuvor. „Sieh, ich weiß es ja, daß du die Männer nach hohem Maßstabe beurteilen darfst. Mein herrlicher Vater ist ja auch mein Ideal, das ich aber schwerlich ein zweites Mal in der Welt verkörpert finde; drum muß ich genügsamer sein wie du. Wie kannst du Leon denn Schweres oorwerfen! Er ist doch ein bevorzugter Mensch; das Leben hat ihn verwöhnt, mag er drum immerhin etwas übermütig sein, ich lasse nicht den Glauben an sein redliches Herz!" „Du liebst ihn," erwiderte Margarete tonlos, „da bist du allerdings nicht mit Vernunftgründen zu wider legen." Valerie schlang die Arme um den Hals der Mutter und flüsterte erglühend: „Ja, ich habe Leon unbe schreiblich lieb, es macht mich stolz und glücklich, von ihm gewählt zu sein, du mußt mir nun auch nicht wehe tun und ihn schmähen." „Valeriens Herz hat entschieden," sagte Mannloh ungeduldig, „und diesem freien Entschluß werden wir uns fügen. Sie besitzt gottlob ein grohsinniges, ge sundes Urteil, dessen sich allerdings nicht viele Frauen rühmen können," fügte er sarkastisch hinzu. „In ihrer jugendlichen Unerfahrenheit, die ihre Liebe blind macht, besitzt sie gar keins," erwiderte Margarete schmerzlich. „Wie wenig paßt Vally mit ihrer schüchternen Bescheidenheit, ihrem anspruchslosen Aeußern zu dem genußsüchtigen, glänzenden Kavalier, wie kannst du sie nur zu dieser ungleichen Verbindung drängen wollen!" „Du machst mir das Kind nur irre," versetzte er aufgebracht. „Ich dächte doch, Vally, die in der großen Welt aufgewachsen, könne sehr wohl, wo es auch fei, ihren Platz als meine Tochter behaupten," fügte er hochfahrend hinzu. „Hörst du, Kind, gib um alles nicht dem unsinnigen Gedanken Raum, daß es eine äußere Bevorzugung für dich sei, die Gemahlin des Grafen zu werden. Deines Vaters Stellung gibt der seinen nichts nach, Graf Rhoda ist mir im Gegenteil zu Dank verpflichtet, und wenn ich mich an dieser Ver bindung erfreue, so geschieht es, weil ich dich nach deiner Herzenswahl vermählt sehen möchte." „Ich frage gar nichts nach den äußeren, bevor zugten Verhältnissen, Papa; ich habe noch nicht einmal darüber nachgedacht, ob es ein schweres oder beneidens wertes Los für mich sei, Gräfin Rhoda zu werden. Ich weiß nur, daß Leon der einzige Mann ist, um den ich mein schönes, trautes Vaterhaus verlassen könnte. Meine Lebensaufgabe soll Leons Glück sein, und ich glaube an die Wunderkraft der Liebe." (Forts, folgt.) keit, die sie mir gerade so anziehend macht, die würde ich schon zu besiegen wissen." „Ich begreife dich hierin nicht, Leon, es ist ein Glück, daß sie außer aller Frage steht; denn dies magere, kleine Ding, dem ja das Elend förmlich aus dem blassen Gesicht schaut, ist mir im höchsten Grade unsympathisch." „Ach, du bist ja nur eifersüchtig, mackrs mia," lachte Leon, „aber sei ruhig, ich tröste mich ganz gern mit Vallys Millionen, und wirklich liebe ich doch nur meine schöne Mutter unter allen." „Mein Abgott," murmelte sie zärtlich, „es ist auch niemand da in der Welh der dich so über alles liebt wie ich; du ahnst nicht, wieviel ich für dich getan." „Ja, du bevorzugst mich ganz kolossal vor meinem Bruder," erwiderte Leon gutgelaunt; „mir ist's nur recht, und niemand wird es dir verdenken, der Augen im Kopf hat und uns beide vergleicht. Niemals hat es zwei so verschieden geartete Brüder gegeben," fügte er, selbstgefällig seine Antinousgestalt im Spiegel musternd, hinzu. „Das Gänseblümchen paßt schlecht zu mir, wie? Und es wird mir eigentlich verdammt sauer, mich darnach zu bücken!" „Denke nur an die goldene Vase, die du dazu er hältst, sie verleiht ja der Unscheinbaren den seltenen Wert. Zudem ist mir das Mädchen trotz des jungen Adels weitaus die angenehmste Schwiegertochter, denn in ihrer Bescheidenheit wird fie sich mir gern unterordnen." „Du hast recht, meine kluge Mama, ich will auch nicht länger säumen, sie dir zuzuführen." Er küßte ihre Hand und stürmte in übermütigem Siegesbewußtfein von dannen. „Was hast du, Kind, du bist gar nicht bei der Sache und liest Wildenbruchs herrliche Verse mit einer Gleichgültigkeit, die sie wahrlich nicht verdienen," sagte Margarete Mannloh zu ihrer einzigen, siebzehnjährigen Tochter. Valerie legte das Buch aus der Hand und beugte sich mit lächelnder Bitte über ihre Mutter, die, an einem heftigen, nervösen Kopfschmerz leidend, auf einem Divan des fürstlich ausgestatteten Boudoirs ruhte. „Sei nicht böse, liebe Mama; aber trotz aller Ver ehrung für unseren großen Dramatiker kann ich ihm heute nur schwer gerecht werden. Papa sagte diesen Morgen, daß er uns vielleicht im Lause des Vormit tags hier aufsuckem werde, und da er es bisber nie mals zu dieser Zeit zu tun pflegte,' sinne ich beständig über den Anlaß zu diesem ungewohnten Besuch nach." Frau Margarete lächelte wehmütig. Die an An betung grenzende Liebe Valeriens zu dem Vater hatte ihr manch heimliches Weh bereitet, und doch mußte sie, ihrer Aufgabe getreu, schweigend diese schwärme rische Verehrung geschehen lassen, mußte es ertragen, daß dies heißgeliebte Kind, um derentwillen allein sie den falschen Schein ihrer unwürdigen Ehe ausrechthielt, den schuldigen Vater im Herzen bevorzugte, weil sie von dem Märtyrertum ihrer unglücklichen Mutter keine Ahnung besaß und die sittliche Schwäche, den herzlosen Egoismus ihres viel bewunderten, stolzen Vaters nicht kannte, da erstere ängstlich bemüht war, dem unschul digen, vertrauenden Gemüt der jungen, aufblühenüen Tochter die Nachtseiten des Lebens zu verhüllen. Margarete glaubte den sie beunruhigenden Beweg grund des angekündigten Morgenbesuches zu kennen, und die erregte Spannung Valeriens sagte ihr, daß diese wohl die gleichen Vermutungen hege. Sie war im Begriff, ihrer Sorge Worte zu geben, als der Kom merzienrat erschien. Er begrüßte seine Gemahlin flüchtig und wandte sich alsbald mit besonderer Wärme der Tochter zu, die ihm freudig entgegengetreten war und nun erwar tungsvoll in sein froh bewegtes Gesicht sah.