Suche löschen...
Weißeritz-Zeitung : 19.06.1915
- Erscheinungsdatum
- 1915-06-19
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1761426109-191506194
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1761426109-19150619
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1761426109-19150619
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Weißeritz-Zeitung
-
Jahr
1915
-
Monat
1915-06
- Tag 1915-06-19
-
Monat
1915-06
-
Jahr
1915
- Titel
- Weißeritz-Zeitung : 19.06.1915
- Autor
- Links
- Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Feldpostbrief. Dom Oberkommando zur Veröffentlichung zugelaffen. 7m Rampf gegen Montenegro. Wir haben zwei angenehme Rasttage hinter uns. Die Sonnenfinsternis wurde der abergläubischen Mannschaft wegen offiziell im Befehle verlautbart, hat aber nicht stattgefunden. Die Macht der Brigade hat eben Grenzen. Ein Gewitter kam da zwischen. Mein« schöne astrophysischc Erklärung wird jetzt von der Mannschaft erst recht nicht geglaubt. Vor Sonnenaufgang steht die Brigade vor der berühmten Dugafurche. Es ist ein blut getränkter Boden. Zu geschichtlichen Reminiszenzen ist nicht viel Zeit. Jede Gruppe hat ihren Naum zugewiesen, jeder kennt seine Aufgabe. In langen Linien sind die Kompagnien aufgelöst und gegliedert, lautlos das Flaggensignal zum Losbrechen abwartend. Fleißig werden die Feldstecher gebraucht. Die Artillerie steht schußbereit. Rund 8000 Menschen in der weiten Mensur. Ein wonniges Kraftgefiihl. Ich stehe mit meinem Stab — den kann man sich nur im Kriege leisten — bei einem Vogomilengrab. Der Doctor universalis und Bataillonschefarzt D. und Kriegsphoto graph, immer zu weit vorne, ist bei mir. Die rosenfingrig« Eos findet verdammt wenig Bewunderung, um so eifriger werden die Montenegrinerhosen auf dem Bergkanime gesucht. Sonnenaufgang. Die Luft ist wie Marzipan. Grell fallen ihr« Strahlen in unsere Augen. Die mehr oder weniger südöstliche Angrisfsrichtung gewährt den Feinden immer diesen Vorteil. Endlich wird kurz hintereinander Gefechtslärm bei der rechten und linken Flügelgruppe hörbar. Die Artillerie beginnt zu orgeln, und nun schnellen auch wir, die Frontgruppe, los. Der schönste Angriff, den ich je gesehen. Die Züge übergreifen sich, das feindliche Weiterfeuer ignorierend, in überlangen Sprüngen. Am Fuße der Adlerhöhe vor der Kapelle angelangt, wird von uns das Feuer allgemein eröffnet. Di« Gruppen links von uns sind in gleicher Höhe, aber rechts bleiben sie stark zurück. Der Feind über höht uns gewaltig, daher Stechschüsse, fast nur Fußverwundungen. Flankenfeuer von rechts. Einzelne Leute werden davon so ver wirrt, daß sie auf die falsche Sette der Deckung kriechen. Ein Ver wundeter überklettert sogar eine Mauer, um erst recht in das Flankenfeuer zu kommen. Unsere Artilleriegruppe, Oberleutnant F., schießt zum Küssen. So oft di« weißen Wölkchen beiderseits der Erenzpl)lamide er scheinen, ist beim F«inde eine kleine Feuerpause, die natürlich unsererseits zur Verbesserung der Stellung benutzt wird. Jetzt hat man erst Gelegenheit, die Sreinpyramide ordentlich zu besehen. Die rechte Kante ist meine Direktion. Der Steilhang mit Blöcken besät und tausendfach zerrissen und zerspalten. Ich finde keinen passenderen Vergleich als die Mondoberfläche. In den aus gewaschenen Löchern, die an Gletsthermühlen erinnern, ist Wasser, Regenwasser. Auch das stärkste Feuer hält die Leute nicht ab, zu trinken. Die Verwundeten sind im ersten Moment ganz verdattert und geistesabwesend. Kameraden verbinden sie recht geschickt. Mit Händen und Füßen arbeitet sich die Mannschaft hinauf, in den toten Räumen sammeln sich die Müden. Die blaue Fahne des Eruppenkommandos leitet den Kampf und die Feuerüber legenheit ein. Durch anderthalb Stunden wird die feindliche Stellung bearbeitet, hie und da wird ein Feind sichtbar, der bessere Deckung sucht. Von Nückfallskuppe zu Rückfallskuppe geht es nach Wiederaufnahme des Angriffes weiter. Munition kommt. Es geht vorwärts. Den Montenegrinern nutzt die Gunst des Termins und die Munitionsverschwendung nichts. Immer näher kriecht er heran, jeder Stein wird lebendig. Un abwendbar wie das Schicksal nähert sich das Feuer. Unser Hecht grau verschwindet in dem Hellen Gestein. Die linke Nachbar gruppe ist etwas zurück, sofort macht sich dies durch feindliches Flankenfeuer bemerkbar. Wir sind schon auf den kleinen Distanzen, von rechts pfeift es auch herüber. Dis Montenegriner überschießen uns, wir haben fast gar keine Verluste. Ihre ohnmächtige Wut kann man sich vorstellen. Die Sch-wabas nehmen den Berg, der durch nichts aufzuhaltende Angriff wirkt lähmend, der Wille siegt. Die Mannschaft spürt die eigen« Ueberlegenheit. Punkt 12 Uhr ist die höch ste Spitze genommen. Nun find wir die Herren der Situation. Die Bergspitze ist zur Doline eingesunken. Die Felswände bieten beiden Kompagnien Deckung. Die Leute haben den Montenegrinern alles abgeguckt. Im Hand umdrehen ist das feindwärlige Felsbnnd mit einer Steinmauer versehen. Das Bataillonskommando signalisiert „Flankenfeuer links abgeben!", wird prompt besorgt. Der Grnppenkommandant Oberst R. erscheint. Ein Schuß durch den Arm zwingt ihn kurz darauf, das Eefechtsfeld zu verlaffen. Gegen t Uhr nachmittags nimmt die Nachbargruppe den Rücken in der linken Flanke. Der Cesechtstrain kommt, wie das Christkindl begrüßt. Leider trübte der einsetzende Regen, der die ganze Nacht hindurch anhielt, die Siegesfreude. Unsere tiefe Doline gestattet uns mächtige Lagerfeuer. Uebrigens gab es in unserer Situation nichts zu verheimlichen. Die gebratenen Kartoffeln schmeckten ausgezeichnet. Der Feind wagte keine Störung. Am nächsten Tage wurde die Offensive von meinem Eruppcnkommcindanten Hauptmann G„ ohne ein« weiteren Be fehl abzuwarten, fortgesetzt, das Operationsziel war ja noch nicht erreicht. Di« linken Kolonnen taten dasselbe. Rechts müssen uns unbekannt« Hindernisse eingotretcn sein. Das ebenfalls wieder einfetzende Geftcht blieb, dem Gehör nach, weit rückwärts. Deswegen war unsere Vorrückung die ganze Zeit von rechts flankiert. Der F«ind war lange nicht so hartnäckig wie gestern. Das Terrain ganz erbärmlicher Karst, mit Jungwald bedeckt. Der letzt« Rücken vor Krstac, unserem Ziele, kostete viele Tropfen Schweiß. Durch das a tvmpo erfolgend« brillante Um fassen des anderen Halbbataillons mit der Maschinengewehr abteilung wurde auch diese entscheidende Höhe genommen und die Artillerie hätte, wenn das Nachkommen möglich gewesen wär«, die berühmten Schanzen über den Haufen schießen können. Die feindlich« Artillerie hat in dieses Gefecht überhaupt nicht ein gegriffen. Wegen bedrohlicher Nachrichten über die Festung B. wurde der Offsnsivstoß, den ich als das schönste bisher erlebte Kriegsereignis betracht«, leider abgebrochen. Der Oberleutnant O. bearbeitete noch wutentbrannt die öst lich Krstac gelegene Schanze mit seinen Maschinen. Auch ich gab Lin paar Salven ab, die K«rle schossen mit Schwarzpulver. Die linke Flügelkolonne verabschiedet« sich ebenfalls kräftig und spur- ilos verschwanden die Kolonnen im Walde. Es war gegen 2 Uhr W Minuten nachmittags. Mir fiel die sympathisch« Aufgabe zu, Sen Rückmarsch zu decken. Zwei Züge mit je 1000 Schritt Ab- »and wurden auf der alten Vorrückungslinie, aus den Adlerberg dickgiert. Ich selbst sollte mit dem der Kompagnie mit Be ginn der Dämmerung folgen. Es war ein hellichter Tag. Das Stocke» der Akgriffsbewrgnng muß den mit allen Salben ge- kchmierten Junaci aufgefallen sein. Nach einer Stunde faßen Hitz dtz Arle auf dm Fetzen, Ganz entgegen einher früher einmal ^7 5. vutchgeführten analogen Aufgabe, wo di« MönkenWnLt erst 24 Stunden später nachfolgten und mich nicht im geringsten be helligten, wurde diesmal eine regelrechte Parallel verfolgung eingeleitet. Es mögen nicht viele gewesen sein, in den Flanken einig« Mann, im Rücken merkwürdigerweise nichts. Aber das Gefühl allein zu sein, das unübersichtlick)« Terrain, die Besorgnis wegen des Zurückbringens eventuell Verwundeter und auch die sonstigen unangenehmen Eigenschaften der Herren Feinde, di« man sich er zählte, machten die Sache recht unbehaglich. Von Stellung zu Stellung kläffte es in den Flanken besonders heftig, wenn ich mich wegen der Einhaltung der Rückenlinie zeigen mußte. Sie trafen Nichts. Um 5 Uhr mußte ich im Angesichte der Adlerhöhe haltmachen. Auch im Rücken war es lebendig geworden. Der Feind drängte heftig nach. Drei Montenegriner, welche bis auf zehn Schritt dem linken Flügel nahe kamen und mit ihrem landesüblich««: Fluch sturmieren wollten, wurden erschoss«». Das verschafft« mir etwas Luft. Ich mußte stehen bleiben, weil eine Abteilung nahe d«r Grenze scheinbar menagierte. Als sie endlich verschwunden war, ging ich flllgelweis« zurück. Der schützende Wald mußte verlaffen werden. Die nächste Stellung war wett rückwärts und der steile Hang des Adlerbergcs war deckungslos. Als rechter Flügel von ... bis zurück. Infolge des sehr heftigen Feuers ging ich mehr zurück als ich wollte, und auch plötzlicher. Kein Offizier, beide Herren saßen bereits oben in der Festung und trauten sich nicht zu schießen, wie es sich später herausstellte, weil sie meine Linie absolut nicht unterscheiden konnten. Trotz des lebhaften Feuers war Freund und Feind nicht zu konstatieren. In diesem kritischen Moment ertönte wie eine Engelsstimme von irgendwo: „Haupt mann H. hier, greife mit einem Zug ein." Der Trompetenton verhallte und schöne runde Salven verrieten mir die Stellung des braven Götz. Kurz darauf trompetete es wieder: „Kann nicht schießen, bin maskiert. Freund oder Feind?" Drei Leute von mir waren es, die sich in der letzten Stellung verspätet hatten. Brave Kerle eigentlich, aber solche Dummiane, senkrecht auf die eigen« Front zu laufen. Feuer einstellen! schrillen die Pfeifen. Auch das geht vorüber. Der Rückzug geht plan mäßig vonstatten. Hierauf zur anderen Halbkompagnie geht es, die Pelerine wird mir durchschossen. Vis zur äußersten Tragfähig keit ihrer Gewehr« schießen die Montenegriner. Völlig erschöpft kommen wir oben an. Um 6 Uhr geht es weiter, um 8 Uhr er reichen wir die Eendarmeriekaserne, unseren Hilssplatz mit nehmend. Dort fanden wir die erste Herzstärkung. Naß, zum Um fall«» müde, wurde dort genächtigt. Es war schon völlig ruhig. Ein unbekannter Wohltäter hatte ein schönes großes Haus an gezündet. Eine Wonne! Ratenweise alles ausgezogen und ge trocknet. Der Dachstuhl war bereits eingestürzt. An der soliden, warmen Mauer herrlich geschlafen, zur Beruhigung ängstlicher Gemüter sei noch hinzugefügt, gesichert. Bloß vier Verwundete hat die Affäre gekostet. Am nächsten Tage rückte ich zum Bataillon ein. MSegsereignM. wüstenkrieg in Deutsch-Südwest. Ein fesselndes Bild aus dem Wintcrkriege in Deutsch-Süd- wcstafrika sendet ein Mitkämpfer an die „Times": „Wir waren gerade beim Hinausmarschieren, etwa 50 Meter von unserem Re giment, als ganz in unserer Nähe vom Beobachtungspostcn aus Alarm ertönte und der Ruf „A—a—e—er—ooplan" von einem etwas entfernteren Ausschauhügel herniederscholl. Das Lager ist sehr weit ausgedehnt. Wir alle müssen von der Morgendämme rung an bis zur Frühstückszeit draußen sein, exerzieren usw. Ja, heut blieb uns keine Zeit, das Lager zu verlassen oder die äußeren Schützengräben zu erreichen, wir mußten schnell Schutz suchen, wo wir nur konnten, liefen den Eisenbahiidamni hinunter, und ich versteckte mich zwischen zwei Wasserbehältern. So hatte ich einen ganz guten Schutz gefunden, wenn nicht eine Granate gerade in mein Loch fiel. Aber sehr behaglich fühlte ich mich noch nicht, denn die Wasserbehälter sind das Ziel der Fli«ger. Ich war ziemlich sicher, daß die beiden ersten Bomben uns nicht treffen würden, aber Nr. 3 fiel nur ein paar hundert Fuß von meinem Versteck entfernt zu Boden. Ich warf mich flach hin, als die Bombe herunterkam und dann mit einem «rdcrschütternden Krach explodierte; eine Flammenwolke, schwarzer Qualm und Staub wirbelten an meinem Wassertank auf. Granatsplitter sausten über mich hin und durch schnitten drei Telegraphendrähte, die bei mir niederfielen. Ich dachte sicher, daß die Granate ganz dicht bei meiner Deckung ex plodiert sei, und war sehr erstaunt, zu seh«n, daß die Stelle fast 40 M«ter entfernt war. Mir schienen es Jahre zu sein, während die Bombe hcrabficl . . . Wir haben hier im Lande unter recht schwierigen Verhält nissen zu kämpfen und haben einen besser ausgerüsteten Feind gegen uns, als unsere Soldaten im Vurenkriege hatten. Täglich haben mir stundenlang anhaltende Wllstenstürme. Di« Temperatur im Schatten beträgt mindestens 38 Grad Celsius, ein mal waren es sogar 45 Grad. Aber noch bin ich viel bester auf dem Posten als je zuvor und habe während der ganzen Zeit das schwerste Gepäck getragen. Johannisburg hat 12 000 Mann an die Front geschickt. Ka vallerie hat hier magere Zeit. Es ist furchtbar schrver, genug Master für uns zu bekommen, und nun erst für die Tiere! Der Platz, auf dem wir jetzt kämpfen, ist, was Sand und Wind aw- belaiigt, noch schlimmer als Lüderitzbucht; ein Höllensturm tobt vom Mittag bis zur Dunkelheit, alle Zelte gehen dabei in Fetzen. Unsere, die wie durch ein Wunder ein paar Tage gehalten hatten, brachen plötzlich gestern nachmittag mit einem Krach zusamm«n. Der Sand peitscht wie Hagel, und der heiße Wind bringt uns nicht einmal Abkühlung. Wir reinigen unsere Hemden, indem wir sie drei Tage lang in der Sonne ausbreiten, doch müssen wir uns kl«ine Steinmerkzeichen machen, wo si« liegen, weil sie oft an einem einzigen Tage völlig zugeschüttet werden. Viel« von den llnsrigen sind operiert worden, es mußte nämlich der Sand aus ihren Speicheldrüsen entfernt werden. Beim Esten hat der Speichel nicht seinen gewöhnlichen Abfluß und verursacht große Schmerzen und Schwellungen. Unser Wachtmeister war einer solchen Erkrankung wegen drei Wochen im Hospital. Es ist un möglich, selbst in einem geschlost«nen Zelt, nicht immer eine ztem- liche Menge Sand zu schlucken, wenn der Wind weht. 200 Bur schen aus Kapland müssen Tag und Nacht den Sand von der 60 Kilometer langen Eiscnbahnstrecke schaufeln. Die Bahn hat am Morgen gute Fahrt, doch wenn sie am Abend zurückkehrt, liegt der Sand oft vier Fuß hoch auf den Schienen. Natürlich dürfen wir Schutzbrillen tragen; nur in die Schlacht wird freilich niemand damit gehen, aber das ist auch die einzige Zeit, wo wir sie ablegen. Am letzten Sonntag erschien wieder «inmal unsere alte Freundin, die „Taube". Sie warf vier gut- - ' r " gezielte Grallaken ab. Sle fielen all« etwa 100 Meter von mekttem Zelt entfernt hinunter, und «in Stück Kupfer sauste durch das Segeltuch. Ein Kamerad vom Pretoria-Regiment, der an einem Schützengraben arbeitete, fand kein« Zeit, Deckung zu suchen. Er. warf sich flach zu Boden und blieb so liegen, bis die erste Granate explodiert war. Als er aufsprang, kam die zweite Granate, und ein großer Splitter drang durch das Schulterblatt in die Lunge. Der arme Kerl starb noch am selben Tage. Und doch ist d»r Kamps gegen die Menschen ein Kinderspiel im Vergleich zu dem gegen die Naturgewalten . . Ein Neutraler im Zossener Kriegsgefangenenlager. Im Pariser „Temps" veröffentlicht ein Neutraler, der seine Briefe aus Bergen datiert, unter dem Titel „Zurück aus Deutschland" Schilderungen seiner Eindrücke und Beobachtungen, die er während der Reise in unserm Lande gemacht hat. Sein letzter Bries ist dem Gefangenenlager in Zossen gewidmet und zeichnet das Lagerleben im ganzen in freundlichen Farben, wenngleich der Verfasser in seiner Gesinnung augenscheinlich auf der gegnerischen Seite steht. Er bemängelt die Quantität der Nah rung, aber er betont, daß nach allem, was er gesehen hat und was man ihm erzählte, die französischen Gefangenen im Zossener Lager gut behandelt werden. Seine Schilderung legt dafür auch im einzelnen Zeugnis ab. „Das Lager," schreibt er, „ist ein riesiges Quadrat, das von einer dreifachen Stacheldrahtein zäunung von 3 Meter Höhe umgeben ist. Hunderte von Baracken mit geteerten Pappdächern, parallel mit Gäßchen laufend, bilden die Stadt. Nm Eingang des Lagers wird strenge Aufsicht ge halten. Zum ersten Mal in dieser Jahreszeit breitet Vie Sonne, di« hinter einem Wolkcnversteck hervorkommt, etwas Licht und Wärme über die graue Erde Brandenburgs. Alle Gefangenen hat sie herausgelockt; sie träumen, gehen auf und ab, die einen einsam, andere wieder in Paaren und Gruppen. Ein Engländer spielt Fußball init demselben Eifer und derselben Uebcrzeugung wie in Brighton. Einige, die erst kürzlich aus dem Lazarett entlasten wurden, lehnen an den Baracken, um sich von der Frühlingssonne aufwärmen zu lassen. Am Haupteingang holt eine Abteilung die Kartoffeln aus der Erde, die die Deutschen dort im Herbst in kleinen Hausen in strohgefllllte Schlupfwinkel gesteckt haben. Es sind etwa 20 Gefangene von 3 Soldaten be wacht, und während 5 oder 6 von ihnen die Säcke füllen, amü sieren oder necken sich die anderen oder treiben irgendeinen Schabernack. Nicht alle haben ihre Uniformen behalten, die einen haben Jacken, andere alte Mäntel an; wo sie die her haben, weiß ich nicht. Fast alle, die im Feld waren, sind „Haarmenschen" geworden. In einer Ecke des Lagers, in der Nähe der Küch«n, wird eine Partie Fußball gespielt. Alle Truppenteile sind ver treten: die Infanterie, die afrikanischen Schützen; die Kolonisten spielen gegen die Artillerie. Manche sind in hohe» Stiefeln; cs macht nichts, sie laufen wie die Hasen, der Ball fliegt und springt über die Grenze hinaus; ein Pfiff ertönt; der Schiedsrichter gibt sein Urteil ab — denn es ist eine Partie nach allen Regeln — man klatscht bei den guten Schlägen und belacht die Unge schickten. Drei Koloste von Rusten, in Wirklichkeit noch Kinder, die nichts vom Spiel verstehen, versetzen einander, um sich ge lenkig zu machen, große Schläge mit ihren zusammengerollten Mänteln. Als ein Franzose sie anspricht, antwortet einer der Iwans: „Mich nicht verstehen, mich nicht verstehen." In anderen Lagern hat die Notwendigkeit der Arbeit für die körper liche und geistige Gesundheit, der Wunsch, ihr Gehirn und ihre Arme zu beschäftigen, die Gefangenen erstaunlich erfinderisch ge macht. Die kupfernen Soldatcnschüsteln der Rusten z. B. sind leicht zu verarbeite», und einige Künstler unter ihnen stellten Töpfe, Henkelkrüge, Blum-eiwasen daraus her mit solch einen, Er folge, daß die deutschen Offiziere und Mannschaften welche für ihre Häuslichkeit kauften. Ich habe Gegenstände in den Händen gehabt, die aus allen möglichen Dingen von den Gefangenen hergestellt worden waren: hier ist «ine Brieftasche aus dem Leder eines russischen Stiefels verfertigt, dort ein Papiermcster, das bewunderungswürdig schön aus einem 12 Zentimerer langen Nagel, der zum Bau der Baracken verwendet war, entstanden fft. Um sich die Langeweil« der endlosen Wintertage zu vertreiben, hatten ein paar Gefangene diesen Nagel genommen und seine Spitze in die Glut des Ofens gesteckt, bis er rot wurde. Dann liefen sie schnell und legten ihn auf die Schienen einer Feldbahn, die das Lager durchquerte. Kühner Schmied, mit diesem Hand werkszeug des Glücks begann dein Kunstwerk. So setzte er 10 Lis 14 Tage seine Arbeit fort, dann verzierte er sie mit Blumen und gab ihr die Form eines Batagays. Cellini kann, als ec seinen „Perseus" goß, nicht mehr Hartnäckigkeit, guten Willen und Talent darauf verwendet haben, als der brave Soldat für sein Papiermester. Ich habe einige Zeichnungen eines Kunst- schülers gesehen, die eine stellte eine Baracke vor und war „Der Käfig" unterschrieben. Im Gefangenenlager kann ein Maler sein Glück machen. Die deutschen Offiziere, ihre Frauen und Kinder gehen an der Staffelei vorbei, und die kleine Summ«, die der Künstler verdient, verteilt er unter seine armen Kame raden. Er weigert sich auch nicht, das Bild des Herrn Haupt mann zu malen. Um die Langeweile zu vertreiben, haben die Gefangenen der meisten Lager Vorstellungen gegeben und Chöre gebildet, und am Abend stimmen sie die Touloumine cder Montagnes des Pyröuees an. Nach allem, was ich gesehen und gehört habe, sind die Gefangenen in Zoffen weder „Quälereien noch schlechter Behandlung ausgesetzt . . * Eine Botschaft ans Sibirien. Wie die Wiener „Zeit" mitteilt, erhielt ein junger Rechts anwalt in Linz von einem Kollegen, der in russische Eesangen- schaft geraten ist, ein Schreiben, in dem der Gefangene durch ge schickte Umschreibung eine Mitteilung machen konnte, die der ruffische Zensor sonst nicht durchgelasscn hätte. Es heißt in dein Brief: „Im allgemeinen muß ich sagen, daß es den Gefangenen in Krasnoiarsk sehr gut geht; allerdings wäre mir ein Winter aufenthalt in unserer Villa in Karlau bet Graz bedeutend lieber, aber da läßt sich für Heuer nichts machen. Finanziell stehen wir auch sehr gut, die Gagen werden prompt ausbezahlt und ich muß sagen, daß ich finanziell ungefähr gleich stehe wie mit dem Gehalte, den ich als Rechtspraktikant bei Ge richt bezog. Sibirien ist ein sehr interessantes Lanh, es habe» viel« beschlosten, für immer hier zu bleiben. R. I. P." — Der letzte Satz war von der Zensur gestrichen, aber noch lesbar. BekagntliH sind di« Rechtspraltikanten bei Gericht unbesoldet! Kriegshumor. Die neuesten englischen HUlfs - truppen. 1500 englische Bluthunde, auf deutsch-uniforimer» Puppen dressiert, gehen nächstens in englischen Expeditionskorps nach Frankreich. Wenn auch diese Bestten versagen, stehen Eng land als Lrsatzreserve nur mehr Mondkälber zur Verfügung. JnFrankreich wird die Wehrpflicht schon auf das 60. Levens jahr ausgedehnt. Da dies« „n«u«n" Jahrgänge aber zur Er reichung des Sieges noch lange nicht ausreichen, hat Poincarö zu Sicherung des MannschaftÄevarfrs dyk Hk bis lüvjährigen «u Sterben bet Todesstrafe »erboten. , < (KiteM-us
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)