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(Fortsetzung folgt.) haupten, niemals wieder mühungen blieben auch Gundula konnte es guter Onkel, ihr treuer, plötzlich genommen sein noch nicht fassen, daß ihr väterlicher Beschützer ihr so sollte. Sie war untröstlich nis verschlang die Landschaft, und nur das Pfeifen und Tosen des Sturmes, das Rauschen der wild erregten Flut war vernehmbar. Mit Blitzesschnelle verbreitete sich die Nachricht von dem Unglück, überall vernahm man Ausrufe des Schreckens und der wärmsten Teilnahme. Der See aber gab sein Opfer nicht zurück. Einer der besten, gütigsten Menschen halte in seinen Wellen ein kühles, tiefes Grab gefunden. Nach Mitternacht flaute der Sturm ab, und es dauerte nicht lange, so beruhigten sich die Wogen, und bald schimmerte die Oberfläcke des Walchensees im Widerschein von ungezählten Sternenlichtern. Keine Welle bewegte die Oberfläche. Noch in derselben Nacht fuhr jemand nach Uhrfeld und brachte die Unglücksbotschaft herüber. Schonend suchte man Gundula auf das Schreckliche vorzubereiten. Aber sie erriet sogleich die ganze un heilvolle Wahrheit und sank in fassungslosem Schmerz zusammen. Auch Stefany wurde durch das Unglück persönlich betroffen. Er hatte Gundulas Oheim nicht nur geschätzt, sondern auch geliebt. Er fuhr gleich am nächsten Tage nach Kochel und brachte es richtig heraus, daß dort eine Art Wettfahrt stattgefunden hatte; als er dann nach der Persönlichkeit des Fremden, Bethonis, forschte und man ihm dieselbe beschrieb, wurden seine Mienen immer finsterer. Es stellte sich dann heraus, daß der Fremde abge reist war, ohne seinen Namen zu nennen oder seine Adresse zu hinterlassen. Die Angelegenheit blieb für die Näherstehenden sowohl, wie für alle anderen ein dunkles Geheimnis. Man ließ in den nächsten Tagen nichts unversucht, um die Leiche zu bergen. Aber der See hat uner gründliche Tiefen und gibt, wie die Anwohner be- ein Opfer heraus. Alle Be in diesem Falle ohne Erfolg. dann dem Betrüger nach, der einen tüchtigen Borsprung erlangt hatte; denn zehn Minuten mochten inzwischen vergangen sein. Als Düren den See erreichte, schienen Himmel und Wasser in eins zu verschwimmen. Oder schien es ihm nur so? „Ich muß eilig nach Uhrfeld hinüber," sagte er zu dem Bootsmann, kein Preis ist mir zu hoch, Ihr könnt fordern, soviel Ihr wollt." „Eine mißliche Sache, Herr. Wir erreichen kaum noch die Mitte des Sees, dann bricht das Unwetter los, und lebend kommt keiner über den Walchensee, welcher so verwegen ist, die Wassergeister herauszu- fordern." „Verliert nicht die Zeit mit überflüssigen Worten! Los, los, mit festem Willen und dem Einsatz der ganzen Kraft vollbringt der Mensch heldenhaftere Taten als die von Euch verlangte." „Gut, Herri Der Himmel gebe seinen Beistand! Schließlich lasse ich nichts zurück, weder Weib noch Kind. Bei dem Herrn freilich ist's etwas anderes, ich kenne das schöne, vornehme Fräulein, die junge Verwandte, welche der Herr wie ein eigenes Kind liebt." „Fahr zu, Bursche, fahr zu, du verdienst dir reichen Lohn l" Unruhig wogten die Wellen, auf und ab tanzte der Kahn, aber die schwieligen Hände des Schiffers lenkten ihn sicher, wie ein dunkler Vogel schoß er über die schwärzliche Flut. Düren hielt es für richtiger, seiner Empörung gegen Bethoni hier keinen Ausdruck zu geben. Er hielt die Augen halb geschlossen, wenn er sie öffnete, suchten sie das oorauseilende Boot, von dem fast nichts mehr zu sehen war. Jetzt aber fuhr ein pfeifender Ton durch die Lust, und dann setzte ein orkanartiger Sturm ein, die Wogen aufpeitschend, so daß sie sich in den Kahn ergossen. Als Bethoni die Gefahr erkannte, gab er Befehl, sein Boot zu wenden. Und das war sein Glück. In beträchtlicher Entfernung glitt es an dem andern Nachen vorbei, dem Ufer entgegen. Als Düren dies gewahrte, übermannte ihn der Zorn. Er vergaß alle Vorsicht und erhob sich. Seine Faust drohte dem Schwindler, seine Stimme suchte das Tosen des Sturmes zu übertönen. Gestikulierend hob er die Arme, und in diesem Augenblick verlor er das Gleichgewicht. Kopfüber stürzte Düren in den See. Der Bootsmann, welcher ihm vorher den Rücken zugewandt, gewahrte das Schreckliche erst, als das Un glück geschehen und nichts mehr daran zu ändern war. Die schwarze Flut verschlang sofort den schweren Körper, er versank in die Tiefe, ohne je wieder an die Oberfläche zu kommen. Fast wäre nun auch der Bootsführer ein Opfer des gewaltig anschwellenden Aufruhrs geworden. Er brauchte all seine Geistesgegenwart, um wieder ans Ufer zu gelangen; denn das Schreckliche war ihm durch Mark und Bein gegangen, er ächzte und stöhnte vor sich hin, seine Zähne schlugen wie im stärksten Fieber stost zusammen. Und doch glühte sein Körper, und der Schweiß rann von seiner Stirn. Im anderen Boot war der Unfall gleichfalls be merkt worden, zunächst natürlich nur von Bethoni, er schrie dem Führer zu, daß der Herr drüben in dem Boot ins Wasser gestürzt sei. Als Bethoni wieder Land unter den Füßen fühlte, tat er einen Seufzer der Erleichterung. Diese Fahrt hätte ihm leicht das Leben kosten können, das er so heiß und begehrlich liebte. Es erfüllte ihn mit Schaden freude, daß sein Feind das Opfer geworden. Aber er hielt es doch für richtiger, von der Bild fläche zu verschwinden und allen Verhören aus dem Wege zu gehen. Stundenlang noch tobte das Wetter, tiefe Finster» und brach fast zusammen unter der Wucht des ersten Schmerzes. Sie blieb noch ein paar Tage in Uhrfeld in der geheimen Hoffnung, daß es doch noch gelingen werde, die sterblichen Reste ihres väterlichen Beschützers der grausen Tiefe zu entreißen. Stefany stand ihr treu zur Seite, aber das Wort, auf welches Gundula wartete wie auf eine Erlösung, blieb ungesprochen. Und doch hatten seine Blicke oft so sehnsüchtig und selbstvergessen auf ihrem Antlitz geruht. Aber dann mußte sie doch Abschied nehmen von der Stätte, die ihr so lieb geworden und ihr dann so schweres Leid gebracht. Mit schwerem Herzen fuhr sie in die Heimat zurück. Stefany begleitete sie, umgab sie mit einer zarten Fürsorge. Doch zur Gattin begehrte er sie nicht. Telegramme hatten Eicke und dessen Damen, sowie Frau von Ransow, von Dürens tragischem Ende in Kenntnis gesetzt. Während der O-Zug mit Gundula von Ort zu Ort brauste, lehnte sie mit geschlossenen Augen auf ihrem Platz. Dunkel und drohend stieg die Zukunft vor ihrem Geiste auf. Nun war sie erst ganz verwaist und vereinsamt. Der ihr so jäh entrissen worden, hatte ihr Vater und Mutter ersetzt. Daheim angelangt, wurde sie von Frau von Ransow liebevoll empfangen. Es war eine überaus traurige Heimkehr.