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Dresdner Journal : 03.11.1885
- Erscheinungsdatum
- 1885-11-03
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id480674442-188511036
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id480674442-18851103
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-480674442-18851103
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Dresdner Journal
-
Jahr
1885
-
Monat
1885-11
- Tag 1885-11-03
-
Monat
1885-11
-
Jahr
1885
- Titel
- Dresdner Journal : 03.11.1885
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WSSS. Dienstag, den 3. November. 1888. l» Liu« L»i^« 1Nl»rlivltt.... 18 Il»rN ^Mrlioi», 4 It»rN 80 ?t. »«au»«», IvkL L»—rd»N> ä«, 6«ut«cv«> L«ivt»», tritt?o»t- »»ä ötaM^-lLNLvtttL^ Ui»«, I»>wn»r4»»r»I»»i cl«a ltsuuo «na<u i?«tit»»»I» RO vot«r „8lL»«»»oät" äi« 2«U« 80 ?l. S« r»d«U»»- a»ä 2ttk«nu»t« 80 H Fuk»oU»H. Lr«M«;L«, - VR^Uol» »1t Faiu»bw» 4« 8c>ru>- »ml katattiM* Fboväi kür ä«v solxsväeo 1»^. DreMerÄurml. Ia»eri»t«usu>o»km« »»8«4r1»r l,«tp„A: Lra«et»tetter, CowmiriiollLr 6«, Dresdner .>oi>ra»t»; »»mdurg N»»«I 8r„I»o rr»n1k«rr ». U ! //<r-re<r"t-te«n F 8«rIi»-V>»a L»mkv7^. ?r»»-I.«>t »>x krinlsurt ». U. /kttei. .11.,^«,' LsrUv: Srsmcv Breilim: /. ütline/e«'« Äu^a« ^.'»«ek kr»o1kui1 ». H.! ^«e^rr'»< k« ItncUti^vlttu»^; vdrUli: tk. ^>kü/ker; N»ovo-«r: t'. i§ckiüsu>k«r,' ?»ri» Lo-lw - kr»»Ltllrr » N - Stuliß»rt: /taube F Oo., ItLwdnr^: F/. §1«»«'. Verantwortlicher Redacteur: In Stellvertretung Professor Otto Banck in Dresden. n « r» u » xed « rr küviut. f^r^elnion 6e» r>re,6oer ^oarruN», », t^o. LO. Aintlicher Ueil. Dresden, 2. R»vrmber. Se. Majestät der König und Se. Königliche Hoheit der Prinz Georg, Her zog zu Sachsen sind heute Nacht von Berlin wieder hier eingetroffen. Dresden, l. November. Mit Allerhöchster Ge nehmigung ist dem Borstande deS Hauptsteueramts Freiberg, Obersteuerinspector Hugo Alfred Schmieder die nachgesuchte Versetzung in den Ruhestand unter Gewährung der gesetzlichen Pension bewilligt worden. Nichtamtlicher Theil. Urbersicht: Telegrapbiscde Nachrichten. ZeitungSschau. (Die Urwahlen zum preußischen Landtage.) TageSgeschichte. Statistik und VolkSwirtbschaft. Feuilleton. TageSkalender. Inserate. Beilage. TageSgeschichte. (Fortsetzung.) Dresdner Nachrichten. Die Enthüllung deS LutherdrvkmalS in Dresden. Provinzialnachrichten. UnglückSfLlle in der Provinz. Vermischtes. Statistik und LolkSwirthschaft. EingesandteS. Börsennachrichten. Telegraphische WittrruugSberichte. Inserate. Telegraphische Nachrichten. Braunschweig, Montag, 2.November, Nach mittags. (Tel. d. Dresdn. Journ.) Der Prinz and die Prinzessin Albrecht sind Mittags Hl Uhr hier eingctrosfen. Von der Landesversammlung, den städtischen Behörden und der Stadtgeistlichkeit, Deputationen auS dem ganzen Lande empfangen, hielten sie bei prächtigem Wetter unter lebhaften Kundgebungen der Bevölkerung ihren Einzug tu die reich geschmückte Stadt. Loudon, Montag, 2. November. (Tel. d. Dresdn. Journ.) Der „Standard" meldet auS Athen, Griechenland habe die Mittheilung der Mächte ähnlich wie Serbien beantwortet und hin- zugefügt, eS könne die Dinge nicht gesichert be trachten, so lange nicht wenigstens Griechenland die durch den Berliner Vertrag ihm zugesicherte Grenzlinie im EpiruS besitze. Dresden, 2. November. Die Urwahlen zum preußischen Landtage. Der 29. October war für das Königreich Preu ßen ein bedeutungsvoller Tag. Zwar ist durch die Urwahlen zum Landtage eine endgiltige Entscheidung noch nicht herbeigeführt, aber immerhin gestatten die selben einen Schluß auf die künftige Gestaltung der Parteien. In dieser Beziehung geht nun das all gemeine Urtheil dahin, daß bei den jüngsten Wahlen die Verbrüderung der extremen Parteien der Ver einigung der gemäßigten Parteien gegenüberstand. Das Eentrum ist offen zur Opposition übergegangen, die Deutschfreisinnigen sind vielfach mit Hilfe de» EentrumS gewählt worden, umgekehrt gaben Deutsch, freisinnige EentrumSleuten ihre Stimme. Fragen wir, wer von beiden großen Verbrüderungen siegte, die Gemäßigten oder die Extremen, so läßt sich aus den bi» jetzt bekannt gewordenen Ergebnissen erkennen, daß bei den Wahlen die mittelparteilichen Bestrebungen, die Vereinigung der Gemäßigtconservativen mit den Nationalliberalen, das Uebergewich» erlangt hat Da» am 26. October 1882 gewählte Abgeordnetenhau» zählte unter seinen 433 Mitgliedern 185 Conservative und Freiconfervative, 120 CentrumSpartei, Polen, Dä nen, 66 Nationalliberale, 53 Deutschfreisinnige, 9 keiner Fraktion angehörige Liberale. Die Conjerva- tiven allein verfügten also nicht über die Mehrheit; e» fehlten ihnen (185) noch 32 Stimmen an derselben (217). Dagegen war eine Mehrheit vorhanden durch Verbindung der Conservativen mit den Nationallibe- ralen oder mit der CentrumSpartei. Diesmal dürfte sich das Parteiverhültniß so gestalten, daß die Con- servativen mit Ausschluß der extremen Richtung mit den Nationnalliberale» die Majorität bilden E» ist allerdings nicht zu verkennen, daß da» Bündniß der Ultramontaneu mit den Deutschsreisinnigen Ersolge aufzuweisen hatte und eroberten z. B die Ultramontanen Crefeld; in Hagen gelang e» mit Hilfe der CentrumSwähler, Eugen Richter sein Mandat zu sichern, allein in Bielefeld, welches die „Germania* mit Hilfe des EentrumS den Deutschfreisinnigen zu gewinnen und dadurch den Hofprediger Stöcker zu stürzen hoffte, ist doch die Freude der „Germ.* zu Wasser geworden. In Bielefeld sind 317 konservative, 113 nationalliberale und 210 deutschfreisinnige Wahl männer gewählt worden. Hosprediger Stöcker wird demnach aller Wahrscheinlichkeit nach nicht „auS dem Landtage verschwunden* sein. In Berlin haben die Deutschfreisinnigen zwar das Feld behauptet, die Con servativen aber sehr ansehnliche Minderheiten erlangt und auch die Nationalliberalen haben eS zu einem, in Anbetracht Dessen, daß sie zum ersten Male feit langen Jahren selbstständig in die Wahlbewegung ein- traten und bisher jeder Gliederung in der Hauptstadt entbehrten, beachtenswerten Erfolg gehabt. Im 1. Wahlkreise haben sie etwa 80 Wahlmänner durch gesetzt. In Breslau wie auch in Danzig siegten die Deutschfreisinnigen. Eine sehr erfreuliche Nachricht lief au» Hannover ein, wo die Nationalliberalen mit einer Mehrheit von etwa 100 Wahlmännern über die ver einigten Welfen und hannöversch Conservativen gesiegt haben. Auch in Cassel ist ein bedeutender Sieg der Natio nalliberalen zu verzeichnen. In Elberfeld-Barmen, bisher durch einen Nationalliberalen und einen Deutschfrei sinnigen vertreten, ist die nationalliberal-freiconservative Liste glänzend durchgegangen. Die Freisinnigen ver lieren hier also ein Mandat an die Freiconservativen. In Magdeburg siegten die Nationalliberalen glän zend. Auch in Wandsdeck haben die Nationalliberalen 1 Mandat, die Freiconservativen 1 in Elberfeld ge wonnen, die Freisinnigen haben 1 in Elberfeld und 1 in Wandsbeck verloren. Bon einzelnen Wahlergebnissen sind noch der Verlust de» Wahlbezirks Neuwied-Altenkirchen selten des Centrums, das dort 2 Mandate, an die National liberalen und die Conservativen einbüßt, und des Posener Landkreise» selten der Polen bemerkenswerth; hier werden durch das Zusammenwirken aller Deutschen ein Freisinniger und ein Conservativer gewählt. DaS Centrum hat danach bereits 4 Stimmen verloren, denen der Gewinn de- einen Crefelder Mandats gegenüber steht. Die Deutschfreisinnigen haben 7 Mandate ein gebüßt, unter anderen Hanau, wo die Nationalliberalen siegten und 1 Mandat in Lennep-Solingen. Die Nationalliberalen haben den Conservativen Osnabrück abgenommen, aber den Freiconservativen ein Mandat in Essen abgetreten; sie haben bis jetzt einen Zuwachs von 6 Mandaten. — In Frankfurt a. M. kam vor der Wahl eine Vereinbarung zu Stande, wonach ein Freisinniger und ein Nationalliberaler gewählt werden soll. In Berlin hat die Zahl der bis jetzt gewählten Wahlmänner gegen 1882 für den Fortschritt um rund 300 abgenommen, für die Conservativen um rund 100 zugenommen. Außerdem haben sich 183 Rational liberale dazwischen geschoben. Die Wahlen vom 29. October sind ein deutliches Zeichen eine» in der öffentlichen Meinung zu Ungunsten de» Fortschritt» eingetretenen TrmperaturwechselS. Angesichts des ein Verzweifeln an der eigenen Kraft bekundenden Wahlbündnisse» zwischen Ultramon- tanen und Deutschfreisinnigen ist es erfreulich, daß sich sowohl Freirons-rvative, wie Nationalliberale von allen zweifelhaften Verbindungen vollständig rein h el- ten, während eS diesen beiden Parteien, wie die „Kölnische Zeitung* hervorhebt, zu großer Ehre gereicht, „daß in allen wahltaktischcn Anweisungen deS EentrumS als oberster Grundsatz verkündigt wird: Ob Conservative oder Deutschfreisinnige zu unterstützen sind, muß je nach den persönlichen und örtlichen Ver hältnissen entschieden werden. Unter keinen Umstän den aber dürfen die Männer der Mittelparteien, Nationalliberale ode Freiconfervative eine einzige ultramontane Stimme erhalten.* Die Altconservativen sind infolge der sehr ent schieden zum Ausdrucke gekommenen konfessionellen Trennung mehr als jemals von dem Centrum ent fernt und wir stehen einer vollständig neuen Grup- pirung der Parteien gegenüber, für welche wir in dem Wiener „Fremdenblatte* einer sehr verständigen Auffassung begegnen: „Deutschconservative, Reichspartei und der rechte Flügel der Nationalliberalen unter Führung Bennigsen's, das heißt alle gemäßigten po litischen Elemente suchten und fanden die innigste Fühlung, um in geschlossener Colonne in Uebereinstim mung mit den reformatorischen Zielen und der natio nalen Politik deS Reichskanzlers die beiden Oppo sitionsparteien, Eentrum und Freisinn, zu bekämpfen. Eine conservativliberale Union steht also dem sonder baren fortschrittlichklerikalen Bunde gegenüber, der wohl nur in der gemeinsamen Gegnerschaft gegen Re gierung und Kanzler seinen Eimgungspunkt besitzt. Daß sich Bennigsen mit einem Theile der National liberalen von der großen liberalen Partei lot gesagt und unter Wahrung des gemäßigtliberalen Stand punktes den Conservativen milderer Observanz und der Politik des Kanzlers zu eigen gegeben hat, ist eine bedeutsame Erscheinung im Wahlfeldzuge der jüngsten Wochen. Man darf diese neue Allianz allerdings nicht überschätzen; die nalionalliberale Partei hat, selbst wenn sie hier als Ganzes in Betracht käme, viel von ihrer Größe und Kraft eingebüßt und der national liberale Wahlsieg in Baden ist ohne Einfluß auf die politische Gestaltung in Preußen geblieben — ernste Beachtung und Würde aber verdient das Streben der Mittelparteien, sich geeinigt um das Banner der Re gierung zu scharen, immerhin. Ein starker Bund dieser Mittelparteien allein kann ja das reformatorische Programm des Kanzlers unterstützen und der Ver wirklichung entgegensühren. Schulter an Schulter haben nuu Centrum und Fortschritt einerseits, Con servative und Nationalliberale andererseits gekämpft. Wo Klerikale und Nationalliberale im Kampfe stan den, hat der Freisinn den Ersteren seine Stimmen zu gewendet und ebenso halfen die Natttonalliberalen den Conservativen, wo diese dem Eentrum gegenüberstanden. Eine große liberale Partei oder eine klerikalconserva- tive Majorität ist bei dieser Constellation absolut un möglich geworden — im künftigen preußische» Par lamente wird man nur zwei große bunte Heerlager unterscheiden: jenes der oppositionellen, das heißt der klerikalen und deutschfreisinnigen, dann jenes der re gierungsfreundlichen, der gemäßigten oder Mittel- Parteien, das heißt der rechtsliberalen und der links- conservativen Fraktionen." Lagestzeschichte. Dresden, 2. November. Ihre Majestäten der König und die Königin begeben Sich morgen Diens tag, am 3. d. MtS. Nachmittags zu einem mehrtägigen Aufenthalte nach Schloß Sibyllenort in Schlesien, wo hin Se. königl. Hoheit der Prinz Georg mit Ihren königl. Hoheiten den Prinzessinnen Mathilde und Maria Josefa am Mittwoch, dem 4. d Mts. nach folgen werden. Zu den bevorstehenden Eröffnungsfeierlichkeiten des auf den 10. d. Mts. einberufenen Landtages werden die allerhöchsten und höchsten Herrschaften hier wieder anwesend sein. * Berlin, 1. November. Se. Majestät der Kaiser reiste vorgestern Nachmittags H4 Uhr, begleitet vom Generallieutenant Grasen Lehndorff, mittelst Extra zuges vom Stettiner Bahnhofe aus nach Eberswalde ab und begab sich von dort zu Wagen nach Jagdschloß Hubertusstock, wohin Se. Majestät der König von Sachsen, Se. königl. Hoheit Prinz Georg von Sachsen und Se. kaiserl. und königl. Hoheit der Kronprinz mit der anderen hohen Jagdgesellschaft bereits am Vormittage vorausgefahren waren Der Kaiser vereinigte sich in Hubertusstock mit der hohen Jagdgesellschaft zum Diner. Im Jagdschloß begrüßte Se. Majestät auch erst seine erlauchten Gäste, den König und den Prinzen Georg von Sachsen, sowie den Herzog von Anhalt. Der Prinz Wilhelm war durch Unpäßlichkeit verhindert, an der Jagd iheilzu- nehmen. Nach Aufhebung der Tafel verblieben die hohen Herrschaften auch den Abend hindurch im Jagd schlösse beisammen und übernachteten dann daselbst. Am gestrigen Jagdtage erfolgte zunächst die Abnahme der Strecke des vorgestrigen Jagens. Inzwischen kamen etwa um 10 Uhr Vormittags die zur gestrigen Jagd aus der Umgegend und auch aus Berlin geladenen Herren in Hubertusstock an, worauf dann nach dem eine Stunde entfernten BersammlungSpunkt ausge brochen wurde. Um 11 Uhr wurde zunächst in dem dort abgeschlagenen Jagdzelte das Frühstück einge nommen. Darauf nahm die Jagd aui Roth- und Damwild ihren Anfang, von welcher die gejammte hohe Jagdgesellschaft Nachmittag- um 3 Uhr im Jagd schlösse sich wieder einzufinden gedenkt. Nach gemein samem Diner wurde Nachmittag- >46 Uhr auf dem selben Wege die Rückfahrt nach Berlin angetreten. Zu dem gestrigen Jagdtage waren u. A. die Staat»- minister Or. Lucius, v. Puttkamer und Brollsari v. Schellendorf, die Generäle v. Albedyll und Graf W Brandenburg, der Oberceremonienmelster Graf zu Eulenburg, ferner aus der Umgegen) der Landrath v. Bethmann-Hollweg, Kammerherr v. Buch, Major a. D. v. Jena, Landrath v. Risfrlmann, Graf Arnim- Boytzenburg u. f. w. mit Einladungen beehrt worden. Im Gefolge Sr. Majestät deS Kaisers befanden sich Hofmarschall Graf Perponcher, Generallieutenant und Generaladjutant Graf Lehndorff, Viceoberstallmeister v. Rauch und die Leibärzte l)r. Leuthold und Ur. Tiemann. — Gestern, Abends 8 Uhr 5 Minuten, traf Sc. Majestät der Kaiser mit Sr Majestät dem König von Sachsen und Sr. königl.Hoheiten dem Prinzen Georg von Sachsen und dem Herzoge von Anhalt, dem Kronprinzen und der andern hohen Jagdgesellschaft mittelst Extrazuges im allerbesten Wohlsein wieder in Berlin ein und begab sich unmittelbar vom Bahnhofe auS nach dem königlichen Palais. — Se. Majestät der König und Se. königl. Hoheit der Prinz Georg von Sachsen waren vom Bahnhofe aus in da» königl. Schloß gefahren und hatten daselbst übernachtet. Am heutigen Morgen besuchten Höchst- dieselben die Messe in der St. Hedwigskirche. Nach der Rückkehr empfing Se. Majestät der König von Sachsen den hiesigen königl. sächsischen Gesandren Feuilleton. Redtgitt von Otto Banck. A. Hoftheater. — Altstadt. — Sonnabend den 31. Octobe» zum ersten Male: „Siegfried*, zweiter Tag auS der Trilogie: Der Ring de» Nibelungen, von Richard Wagner. Mit dieser Darstellung hat unser Hoftheater eine von der Zeitrichtung in der Tonkunst unabweiSlich gebotene Aufgabe bereits zum größten und in ihrem schwierigsten Theile glänzend gelöst. Im „Siegfried* hat Wagner sein System mit jubjectivstem Behagen und mit rücksichtslosester Zu- muthung an die Ausführende» — namentlich an» Orchester, seinen dramatischen Hauptfactor — wie an die Hörer durchgeführt. Nie agiren mehr al» zwei Personen auf der Bühne; ihre Gprechgesänge — in den Zwiegesprächen fast sämmtlich unfreundlicher, zänkischer Art — sind, reich an manierirter Ver schrobenheit und Unverständlichkeit der Sprache, in redseligster Breite auSgesponnen; jeder Chor- oder Ensemblegesang ist vermieden und zudem müssen wir auch m der größern Hälfte de» Drama» auf den Klang einer weiblichen Stimme verzichten. Da» große Gesammtwerk de» „Nibelungenringe»* ist in dem Ver laufe der Handlung genugsam bekannt geworden und hat in erschöpfendster Weise die eingehendsten kritischen Betrachtungen erfahren. Ohne diese überflüssig ver mehren zu wollen, sei hier nur ein individueller Ein druck wiedrrgegeben. Der frische belebte realistische Charakter der Musil, womit der erste Act nach der mysteriösen Einleitung bei Siegfried'- Eintritt anhebt, erregt sofort unsre volle Theilnahme. Aber sie mindert sich rasch durch den Eindruck de» gedehnten monodischen, unmelodischen und formlosen Gesangdialogs mit tyrannischer Wort- declamation, illustrirt vom Orchester, da- in ruhelosen mit Mißklang überfüllten Modulationen methodisch schwelgt, da-, mit deutung-bedürftigen Leitmotiven auS „Rheingold* und „Walküre* wohlauSaerüstet, durch deren stete Wiederholungen unsern Verstand und Witz zu quälerischer Anstrengung herausfordert, während wir doch nur mit bescheidenem Verlangen gute Musik hören möchten. Die geistvollsten Einzelnheiten, die mit scharfsinnigster Reflexion erdachten Combinationen und mit genialer Meisterschaft hergestellten instrumen talen Klangeffecte verlieren durch unablässige Häufung und durch Mischung mit gedanklich leeren Tonphrajeu an ihrer dramatischen und eigentümliche» Bedeutung und verschwimmen zu einer einförmigen Gejammt Wirkung. Sie bleibt überwiegend im „Siegfried* mit Ausnahme de- 2. ActeS. Der heuchlerisch kriechende Zwerg Mime, dem der Componist einen beabsichtigten Zug von Komik nicht zu geben vermochte, wird bald zur widrigen Erscheinung. Der reckenhafte, aber auch tölpelhafte, in roher Sprache wohlbewanderte junge Siegfried, der da» urlräftige, ungekünstelte, durch keine Lultur ver dorbene echte Menfchenthma repräsentiren soll, ist nur ein karikirter Naturbursche, der unsere Sympathie nicht fesseln kann. Mime war von je ein Bösewicht. Ader Siegfried'» Verhalten gegen diesen seinen Pflege- vater, bevor sich ihm dessen Bösartigkeit wirklich er weist, den er später sogar ohne alle» Bedenken wie ein lästige« Jnject todt schlägt, wirft einen starken Schatten auf diesen „herrlichen Knaben', der, an kein Gesetz der Natur und Moral gebunden, immer der „hehre Held" bleibt und sich doch nur durch seine physische Kraft Hervorthut. Der Dialog Beider, in dem sich al» abgeschloffene, kräftig schwungvolle Melo die Siegfried'» Lied „AuS dem Wald fort* heraus hebt, wird durch einen andern, peinlich ermüdenden unterbrochen: durch das Frage- und Antwortspiel (nach dem Liede von Wafthrudnir in der Edda) zwischen Mime und dem uns gar wohlbekannten Wandersmann, dem an Schwäche und Langweiligkeit leidenden Weltgebie ter Wotan. Er erscheint dramatisch vollkommen über flüssig bis auf Wotan'S letzten Ausspruch. Nach Sieg- frird'S Wiederkehr gelangen wir durch weitere musi kalisch« Orden endlich zu der in realistischer Schil derung, in rhythmischer und farbenvoller Tonmalerei prächtigen orchestralen Illustration deS „Schwert- jchmieden»*. Es ist ein symphonisch vollendetes, in Stimmung und Handlung — denn für beides bleibt immer das Orchester der eigentliche Verkünder und Vollstrecker — charakteristisches Tonbild. Im Schwert liede hingegen vermisse ich zu sehr einen melodisch natürlichen, gesunden Ausdruck fröhlich thätiger, kühner Jugendkrast, der Wagner nie eigen ist. Im zweiten dramatisch reichern und beweateru Act haben wir einige mehr widerwärtige, al» lang weilige Scenen zu überstehen. Der Zwerg Alberich, der ewige Wanderer Wotan, Mime, Siegfried und da- abenteuerliche, singende und feuerspeiende Gethier Lindwurm - Fafner betheiligen sich daran. Da» ekle Zwergpaar hält einen brüderlichen Schimpfzwiesprach. Die Kampffcene Siegfried'» und de« im Tode empfind sam werdenden Lindwurm», mit höchstem Ernste be handelt, vertritt die Komik de» Drama». Eine un ¬ begreifliche Verirrung Wagner'». Aber inmitten dieser Scenen gelangen wir zum Genüsse des Glanz stücke» der Partitur, zum „Waldweben*, der einzigen Scene auch, in der Siegfried durch seine Gefühls erregung unsere Mitempfindung gewinnt. Dies Ton gemälde — inbegriffen den ganzen Monolog Siegfried'», in welchem sich auch zuerst wirklicher Gesang entfaltet — ist von entzückender Schönheit in Erfindung und or chestraler Gestaltung, unvergleichlich in seiner Art an Naturwahrheit und poetischer, warmer, rein menschlicher Empfindung; eine unsere Phantasie mit bestrickendstem Klangzanber beherrschende Tonschilderei verbindet sich darin mit Idealität deS Ausdrucke». Man wünschte diese Scene länger, während man säst alle übrigen kürzer wünscht. Einen höchst lieblichen, fesselnden Eindruck machen auch die sich in poetischer Stimmung anschließenden an Siegfried gerichteten Offenbarungen de» Waldvogels, weniger durch dessen Gesang, al» durch den Gesang und die reizvoll malenden Ton färbungen deS Orchester» Und hier sei die Bemerkung ange knüpft, daß alle hervorragend schönen und schön wir kenden Tonstücke im Nibelungenrinae die unendlich dahin fließende principielle Formlosigkeit aufgeben und sich mit instinctivem Drange in künstlerischer Form gestalten. Den dritten Act beginnt eine Unterhaltung Wotan'S mit dem mystischen „ewigen Weibe* Erda, seiner alten Geliebten,> der Erdmutter, auch Mutter der Brunhilde, die er bereit» ein Mal (im „Rheingold' mit dem selben Motiv au» ihrem Schlaf ausstötte> Da die „Urweltweise* aber auch nicht weih, wa» er wissen möchte, jo verkündet er den überraschenden Entschluß, jeine Macht an den „wonnigen Wälsungsprößling*
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