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Wolfgang Amadeus Mozart (1756—1791) schrieb im Jahre 1783, als er sich auf der Heim reise von Salzburg nach Wien befand, bei einem kurzen Aufenthalt in Linz für den Grafen Thun in aller Eile eine Sinfonie in C-Dur, die aus diesem Anlaß nun die Linzer Sinfonie genannt wird. Sie ist ein Beweis für die einmalige Begabung Mozarts und für sein Genie, das fast ununterbrochen und für jede Gelegenheit und für jeden Auftrag Musikpro duzieren konnte. Sie beginnt mit einer lang samen pathetischen Einleitung, die so sehr chromatisch und angefüllt mit Dissonanzen ist, daß seine Zeitgenossen Mozart als einen ,,Di§sonanzenjäger“ ansahen, der ,.Eisen in den Ohren“ haben sollte. Der erste Satz ist lebhaft und freudig, ein wunderbarer Glanz strahlt von ihm aus. Die zwei Themen sind klar und eindeutig voneinander unterschie den. In diesem Satz stecktein überragendes handwerkliches Können. Der zweite (lang same) Satz schlägt trotz seiner lieblichen, melodiengesegneten Haltung schon einige Töne an, die Beethoven später aufgreift und in ihrer Düsterkeit verstärkt. Das schlichte, immer volkstümliche Menuett bringt eine Melodie, die später in der Zauber flöte von neuem von Mozart verwendet wird. Der Schlußsatz (Presto, also mit höchster Geschwindigkeit zu spielen) ist wiederum in der Sonatenform, also mit zwei kontra stierenden Themen komponiert worden, wo bei Mozart eine Menge kontrapunktischer Künste eingearbeitet hat. Es ist kaum vor zustellen, daß in zwei bis drei Tagen Mozart dieses Werk geschrieben haben soll. Aber solche Beweise höchster Schaffenskraft gab er in seinem kurzen Leben viele. Joseph Haydn (1732—1809) hat in seinem reichen Schaffen auch mehrere Konzerte für Violoncello geschrieben, von denen das Konzert in D-Dur am bekanntesten ist. Haydn hatte die Möglichkeit, seine Werke immer sofort selbst mit dem von ihm gelei teten fürstlich Esterhazyschen Orchester durchzuspielen. Er beherrschte selbst fast alle wichtigen Instrumente und konnte infolgedessen ein Werk schaffen, das allen Ansprüchen gerecht wird. Das Werk ist im Aufträge geschaffen und verrät höchste handwerkliche Vollkommenheit, die für jenen Hörer, der dies zu verstehen weiß, den Genuß an diesem Werke ungemein vertieft. Es ist in der für Konzerte üblichen Dreisätzigkeit abgefaßt. Der erste Satz beginnt mit einer sinfonischen Einlei tung, die die beiden Themen des klassi schen Sonatenschemas enthält, die das Cello aufnimmt, aber sofort mit dem Reichtum seiner solistischen Figurationsmöglichkeiten übergießt. Es ist erstaunlich, wie Haydn das virtuose Element in die Ausgewogenheit der klassischen Formung einbaut, ohne daß das Gleichgewicht jemals gestört wird. Der lang same Satz bringt die symmetrische drei teilige Liedform mit schönen gesanglichen Themen, während der Schlußsatz ein heiter ablaufendes Rondo darstellt, in dessen Zwischenspielen das Soloinstrument seine Geläufigkeit zeigen kann. Haydn hatte eine ursprüngliche Heiterkeit, also ein We sen, das ausgeglichen war und zum Opti mismus neigte. Jeder Ton gibt diese wohl tuende Haltung wieder — und gerade von dem Violoncellokonzert geht dieses Fluidum einer glücklichen Genügsamkeit, die die Aus geglichenheit liebte, aus. Antonin Dvorak (1841—1904) hat sich mehrmals mit der Sinfonie auseinanderge setzt. Mit der fünften Sinfonie (Aus der neuen Welt) hat er einen Treffer gemacht. Die vorhergehenden vier Sinfonien stehen zu Unrecht im Schatten dieses Werkes, weil auch sie so musikantisch und voller Ein fälle sind. Die vierte Sinfonie in G-Dur, Opus 88, ist in der verhältnismäßig kurzen Zeit vom 26. August bis 8. November 1888 komponiert worden. Dvorak behandelt die strenge Form der Sinfonie ziemlich frei, er hält sich nicht an die Zweizahl der The men im ersten Satz, sondern bringt eine Fülle von Themen, die einen volkstümlichen Cha rakter haben. Dvorak hatte sich gerade in diesen Jahren sehr mit dem tschechischen Volkslied befaßt — eine Folge war die Locke rung der sonst so gebundenen Form der Sin fonie. Er führte seine Themen nicht im aka demischen Sinne durch, sondern war gerade von der Buntheit und Farbigkeit dieses Werkes überzeugt. Der slawische Charakter ist unüberhörbar. Im Scherzo zitiert Dvorak eine Melodie aus seiner komischen Oper ,,Die Dickschädel“. Er ist damit Mozart ähn lich, der in seiner Linzer Sinfonie im Menuett gleiches tut. Dvorak konnte seine 4. Sin fonie, nicht bei seinem Verleger Simrock an bringen, der den Kauf zu den üblichen ,,Sinfoniehandelspreisen“ ablehnte. Simrock wollte nur kleine Sachen, Sinfonien waren ihm zu riskant und garantierten kein Ge schäft. Dvorak gab deshalb sein Werk an den Verleger Novello in London, weswe gen die Sinfonie anfänglich bei uns gar nicht bekannt wurde. Dvorak löste später seinen Vertrag mit Simrock, er schrieb an ihn: Ich habe gerade jetzt lauter große Ideen im Kopfe — ich werde tun, was mir der liebe Gott beschert. Das wird wohl das Beste sein.“ Joh. Paul Thilman