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ZUR EIN Helmut Bräutigam (geb. 1914 in Crimmitschau) fiel am 17. Januar 1942. Er war eines der vielen un sinnigen Opfer des zweiten kapitalistischen Welt krieges. Für die deutsche Musik bedeutet sein Tod einen unersetzlichen Verlust. Helmut Bräutigam war hochbegabt. Er war Schüler von Kurt Thomas, Johann Nepomuk David und Hermann Abendroth. Der Frühdahingegangene hinterließ eine Reihe von bedeutenden Werken. Unter ihnen spielt die Or chestermusik, Werk 8, eine wichtige Rolle. Sie kam 1939 im Gewandhaus unter Abendroth zur Urauf führung und wird seitdem häufig gespielt. Das drei- sätzige Werk nimmt die Musiziergepflogenheiten der Barockmusik zum Vorbild. Klar geformte Themen und unvermischte Klänge prägen eine immer durch sichtige und ehrliche Musik. In ihr gibt es keine Effekthascherei. Der erste Satz bringt gleich in den ersten acht Takten das thematische Material, zu nächst in der Trompete, dann in den Violinen. Es wird mit sehr großem Können verarbeitet. Die Nach ahmungstechnikspielt dabei eine wichtige Rolle. Der langsame zweite Satz beginnt mit einer großangeleg ten, tiefempfundenen Melodie, die im Laufe des Satzes immer wiederkehrt und jedesmal von neuen und anderen Begleitstimmen umspielt wird. Auch hier ist die Satzkunst erstaunlich. Der dritte Satz ist ein leicht gehendes Rondo über einen Egerländer Volkstanz. Lustig beginnt er mit dem Fagott, das den Volkstanz vorbläst. Bräutigam entfaltet auch hier eine kunstvolle Polyphonie, ohne den Charakter dieses Tanzes zu zerstören. Helmut Bräutigam hatte mit diesem Werke schon gezeigt, was er alles konnte. Wenn ihn nicht der frühe, sinnlose Tod hinweggerafft hätte, wären wir um eine große Begabung reicher. So aber ist es unsere Aufgabe, Helmut Bräutigam nicht zu vergessen. Rudolf Wagner-Regeny (geb. 1905 in Regen in Siebenbürgen) hat zu seiner Orchestermusik mit Kla vier gesagt, daß er diesen Titel mit Absicht gewählt habe, da das Werk kein Klavierkonzert sei. Er habe es für sich selbst geschrieben. Nun sei er kein be deutender Klavierspieler, so daß er das Klavier nicht mit ausgesprochen solistischen Aufgaben bedacht habe. Das Werk ist 1935 komponiert worden. Es gliedert sich klar in vier Teile, die alle für sich äußerst charak teristisch sind. Der erste Satz, heftig, gehämmert, beginnt mit einem Wechselgespräch der Bläser mit dem Klavier. Das Thema ist bestimmend für den ganzen Satz; später beteiligen sich auch die Streicher an dem klar abgesetzten Wechsel der Instrumente, die an eine unvermischte Orgelregistrierung erinnert. Der zweite Satz beginnt mit einer einfachen und zarten Melodie im Klavier, die von allen Instrumen tengruppen aufgenommen und dazu vom Solisten umspielt wird. Der dritte Satz, freimütig und frisch, lebt von einem rhythmischen Einfall. Die kleine Trommel schlägt den ganzen Satz hindurch einen schwungvollen Neunsechzehntel-Rhythmus, der die sem Satz einen tarantellaartigen Charakter gibt. Der Schlußsatz, anmutig bewegt, beginnt mit einer kur zen fugenähnlichen Einleitung, die von spielerischen FÜHRUNG Figuren des Klaviers abgelöst wird. Später kommt das Fugenthema umgekehrt wieder. Heiter und spielerisch klingt das Werk aus. Wagner-Regeny lebt heute in Berlin und ist Mit glied der Akademie der Künste. j p xhilman Das heute erklingende Konzert in B-Dur ist das letzte Klavierkonzert, das Mozart schuf, eines der letzten Werke überhaupt — entstanden in seinem Todesjahr 1791. Zwar entspricht es in Aufbau und Form durchaus den früheren Konzerten, doch ist hier der „Konzertbegriff“ noch schärfer heraus gearbeitet und der Stimmungsgehalt weit persön licher. Die frühere, leidenschaftliche Erregung — be sonders der Konzerte in Moll — ist einer seltsam ver klärten Resignation gewichen, der alte, leben sprühende Glanz wandelte sich in stillen Frieden. Im ersten Satz erklingt es zwar auf das versonnen erscheinende Thema wie ein Kampfruf in den Holz bläsern, doch immer mehr wird er überschattet von müder Resignation. Das Larghetto erinnert an den träumerischen Romanzen ton mancher früheren Kon zerte, doch auch hier ist die Stimmung wehmütiger und pessimistisch. Erst das Finale löst die schwer mütigen Gedanken in der Abwandlung des in der selben Zeit entstandenen Frühlingsliedchens „Komm lieber Mai“ zu hellerer, freudigerer Stimmung. Fast wie ein Abschiedsgruß an seine Wiener Freunde, die an seinem Schaffen Anteil genommen, mutet dieses Konzert an, das entstand in der Zeit der tiefsten Not und künstlerischen Vereinsamung. Ruth Butowski Wie Joseph Haydn als der „Vater des Streich quartetts“ in die Musikgeschichte eingegangen ist, so kann er auch mit Recht der Schöpfer der Sinfonie genannt werden, denn er hat aus den von der Suite abgeleiteten Anfängen seiner Vorgänger die noch heute lebendige Form der Sinfonie geschaffen und fortentwickelt. Die aus der Fülle der Werke des ersten großen Klas sikers hier ausgewählte Sinfonie in G-Dur Nr. 88 gehört zu den sechs sogenannten „Pariser Sinfonien“. Haydn komponierte für die „Concerts spirituels“ in Paris um 1780 auf Bestellung sechs Sinfonien, die, zum Unterschied von anderen (z. B. den berühmten „Londonem“, denen sie an Meisterlichkeit nicht nachstehen), den eben erwähnten Beinamen tragen. Ungekünstelte frische melodische Erfindung und ein heiterer, beschaulicher Grundzug sind auch der G-Dur-Sinfonie zu eigen. Schon das nach einer kur zen Adagio-Einleitung humorvoll einsetzende Haupt thema des ersten Satzes kennzeichnet diese Gefühls sphäre. Der langsame Satz hat ein einfaches, emp findungsreiches und ruhevolles, liedmäßiges Thema. Es wird zunächst von Violoncello und Oboe an- gestimmt und kehrt im Laufe des Satzes, figurativ von anderen Instrumenten umspielt und variiert oft wieder. Das derb-freudige Menuett und der sprü hende, übermütig vorüberhuschende letzte Satz wahren durchaus den echt Haydnschen Geist ge sunder Lebensfreude. Dieser launige Schlußsatz führt das kostbare Werk in größter Frische zu Ende. Creuzburg