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ZUR EINFÜHRUNG Die glücklichste, erfolgreichste Zeit in Mozarts sonst vom Glück so wenig erhellten Leben waren die ersten Jahre in Wien. In den künstlerisch sehr regen Bürger- und Adelskreisen war er ebenso willkommen wie bei Hofe, wo der Kaiser, der besonders sein Klavierspiel schätzte, damals auch den berühmten musikalischen Wettstreit zwischen ihm und Clementi austragen ließ. — Mit der Wiener Künstlerwelt stand Mozart in regem Verkehr, Und in einem der kunstliebenden Privatzirkel fand eines Tages eine in ihrer Zusammensetzung wohl einmalige Streicl^quartettauffübrung statt, bei der neben Mozart auch Jos. Haydn und Dittersdorf an den Pulten saßen. Zu Jos. Haydn zogen Mozart freundschaftliche Gefühle und aufrichtige Bewunderung, die dieser im gleichen Maße erwiderte. Der um 24 Jahre Altere erkannte neidlos die Genialität seines jungen Freundes an; um seine An sicht über den „Don Giovanni“, der in Wien heftigen Diskussionen ausgesetzt war, befragt, antwortete er: „Ich kann den Streit nicht ausmachen, aber das weiß ich, daß Mozart der größte Komponist ist, den die Welt jetzt hat“. Das Wiener Publikum umjubelte Mozart in seinen Kon zerten, die er zum großen Teil selbst veranstaltete; sogar der Kaiser machte ihm „mit dem Hut in der Hand ein Compliment hinab und schrie „Bravo Mozart“. Für den Virtuosen Mozart schuf der Komponist Mozart die Perlenkette seiner herrlichen Klavierkonzerte, die geradezu die Versinnbildlichung seiner glückerfüllten Stimmung zu sein scheinen. Sie sind ein lebendiges Stück der überregen musikalischen Kultur Wiens, die den Künstler in engster Berührung mit seinem musikbegei sterten Publikum schallen ließ. Eins aus der Reihe dieser ' Konzerte ist das heute erklingende, 1786 geschaffene in A-dur, dessen Grundcharakter von lichter Heiterkeit und Anmut bestimmt wird. Auch die unter dem Namen „Eine kleine Nachtmusik“ bekannte entzückende Serenade gehört in diese schaffens- seelige Zeit. Sie entstand im Jahre 1787 in der kurzen Spanne zwischen seinen Opern „Figaros Hochzeit“ und „Don Giovanni“. Ein später Nachklang der anmutigen Kompositionen aus der Salzburger Jünglingszeit —- birgt sie in der überlegenen Auswertung des thematischen Ge halts innerhalb eines so kleinen Rahmens die reife Mei sterschaft der Wiener Zeit und ist ein Kleinod, das wir alle wohl von ganzem Herzen lieben. Trotz aller Erfolge aber konnte Mozart sich keine feste, gesicherte Stellung bei Hofe erringen, wo der Kaiser, seiner wahren inneren Einstellung nachgebend, dem Italiener Salieri den Vorzug gab. Auch’die Gunst des Publikums, dessen gefeierter Liebling Mozart einige Jahre gewesen, schwand in dem Maße, wie er sich entfernte von dessen Ideal der galanten Gesell schaftsmusik. Was diese aristokratische Kunst an Leben digem enthielt, hatte er sich zu eigen gemacht und zu höchster Vollendung entwickelt. Jetzt aber entfernte sich sein Weltbild immer mehr von dieser Umgebung, seine Kunst wurde immer subjektiver. Die leidenschaftliche, „dämonische“ Seite seines Wesens trat immer mehr her vor und mit der Unbeugsamkeit des echten Künstlers unterwarf er sich bedingungslos seinem eigenen Gesetz. Sein Publikum vermochte ihm nieüt zu folgen auf den Wegen, die sein künstlerisches Gewissen ihm vorschrieb, und so geriet er in den letzten Jahren seines Lebens in äußerst schwierige Verhältnisse. In der Zeit der rasch aufeinanderfolgenden „Akademien" hatte seine Frau Konstanze, die keinerlei wirtschaftliche Talente besaß, ganz wie ihr Mann das Geld mit vollen Händen aus gegeben — ganz der Gunst des Augenblicks lebend — um dann ebenso freudig mit ihm zu hungern. Doch dieses Auf und Ab und die nun andauernde wirtschaftliche Not untergrub Mozarts ohnehin zarte Gesundheit. — Selbst die Opern „Figaros Hochzeit“ und „Don Giovanni“, die in Prag so großen Erfolg hatten, fanden in Wien keinen Widerhall und wurden sehr bald von mittelmäßigen Werken seiner Zeitgenossen verdrängt. In dieser niedergeschlagenen Stimmung, noch in Trauer über den 1787 plötzlich erfolgten Tod des Vaters, dem er trotz der durch seine unerwünschte Heirat entstandenen Entfremdung jederzeit' voll kindlicher Liebe ergeben ge wesen, entstand zwischen angstvollen, erschütternden Briefen um Unterstützung an den treuen Freund Puch- berger und der liebevollen Sorge um die durch die rasch aufeinander folgenden Entbindungen oft kränkelnde Konstanze, das frvptychon seiner drei letzten wunder baren Sinfonien. Bereits 38 Sinfonien hatte Mozart kom poniert, ehe er im Jahre 1788 innerhalb eines Vierteljahres die wienerisch-romantische in Es-dur, die leidenschaft lich-heroische in g-rnoll und die leuchtende Jupiter- Sinfonie in C-dur schrieb. Der dunkle, hemmungslose Pessimismus der g-moll- Sinfonie macht sie zur menschlichsten, leidenschaftlich sten Mozarts überhaupt. Die leise Trauer des 1. Satzes mit seinem eindringlichen „Seufzermotiv“ steigert sich bis zum schmerzlichen Aufschrei, sinkt zurück in stille Resignation, um in rührender Klage zu enden. —• Auch das Andante ist voll tiefer Wehmut, ein ergreifender Ge sang des Leids, gibt aber tröstlichen Empfindungen und größerer Zuversicht Raum. — Das Menuett nimmt d Grundgedanken des 1. Satzes wieder auf und steigert zu auflehnendem Kampf und wildem Protz, selbst holde Wehmut des Trios mit seiner volksliedhaften Me lodie vermag keinen Trost zu bringen. — Frieden bringt auch der letzte Satz nicht, sondern steigert im Gegenteil die pessimistische Grundstimmung ins Wilde, Dämo nische. Voll Unruhe, ja Verzweiflung scheint sich hier in wilder Lust, die sich zu erschreckender Leidenschaft stei gert, der ungebändigte Schmerz auszutoben. — So ist diese Sinfonie schärfster Ausdruck jenes tiefen, fata listischen Pessimismus, der in Mozarts Natur schon immer begründet lag und der in seinen letzten Lebensjahren be sonders stark um künstlerische Gestaltung rang, der aber in keinem seiner Werke so offen zutage tritt wie hier. Wie eine Befreiung von dieser düsteren Sphäre mensch lichen Leids mutet der Triumphgesang der strahlenden Jupiter-Sinfonie an, deren Bezeichnung übrigens erst nach Mozarts Tode üblich wurde. Rein äußerlich ist sie das am größten und glänzendsten angelegte Werk Mo zarts und hebt sich in stolzem Kraftgefühl strahlend weit über alles Erdenleid, das ihn gerade damals alle Bitter nisse und Enttäuschungen auskosten ließ.- — Göttliche Lebensfreude atmet der 1. Satz, kaum einmal unter brochen von finsteren Gedanken und schließt, mit einer jener festlichen Fanfaren, mit denen Mozart gern seine ausgesprochen heiteren Sätze endete. — Das Andante entspricht in seiner schönen Ruhe und würdevollen Kraft ganz dem Grundcharakter des Werkes, doch zeigt hier ein Ausbruch der Empfindungen das leidenschaftliche Ringen und den wehmütigen Verzicht, der solcher ruhigen friedlichen Zuversicht vorausgeht. — Auf die lebens bejahende Stimmung des 1. Satzes greift auch das Me nuett zurück, doch haben hier die besinnlichen Züge den Vorrang. — Das Finale wird meist als Schlußfuge/be zeichnet, während es im Grunde Sonatenforra zeigt, bei der dn- Phemen jeweils in den einzelnen So abschnitten fugiert werden (d. h. Sie erscheinen n.ici.^^B einander in den v< im hiedenen Stimmen und werden dann kontrapunktisch weiterverarbeitet) und die Coda faßt sämtliche Themen nochmals in höchst kunstvoller Ver arbeitung zusammen. Selbst der unbefangene Zuhörer, der von dieser Meisterschaft keine Ahnung hat, spürt diese Kraft, die die unterschiedlichen Themen dieses Satzes zu wunderbarer Einheit verschmelzen läßt und damit die Harmonie vollendeten Inhalts in vollendeter Form erfüllt. Diese drei letzten Sinfonien Mozarts, die als größere Ein heit wiederum wie eine monumentale Sinfonie gesehen werden können mit der kraftvollen Energie des 1. Teiles, höchster Gefühlsspannungen des „Mittelsatzes“ und der siegreichen Lebensbejahung des „Finales“ der Jupiter- Sinfonie stehen in ihrer Vollkommenheit an der Schwelle einer neuen Musikepoche, haben geistig das Zeitalter, dem sie entwuchsen, bereits weit hinter sich gelassen und sind von ewig gültigem Wert. Ruth Butowski Die Teilnahme an der Volksbefragung gegen die Remilitarisierung ist Ehrensache eines jeden friedliebenden Deutschen!