Volltext Seite (XML)
^§14. Mittwoch, dm 11. Oktober. 1848. Wochenschrift für Stadt und Land. Mittwochs erschein« je eine Nummer zu 1 Vogen All« Postämter und Buch. Handlungen nehmen Be stellungen hierauf an. Jeder Abonnent macht sich auf 1 halbes Jahr verbindlich. Am Schluss« jeden Vier teljahre« wird 1 feiner Stahlstich in Quart gratis beigcgeben. Zugleich Amtsblatt für den Bezirk des königl. Landgerichts Redigirt von Cs»«!. Otto Dehnel (früherem Redacteur der Erzgebirgischen Eisenbahn) unter Mitwirkung von a^äv. Fr- Roloff in Kirchberg, Oberlehrer Gg. A. Winter in Kirchberg und Im. Tr. Wöller in Leipzig. Da« Abonnement beträgt sirr 1 Vierteljahr I0 Ngr. Für Anzeigen aller Art wir» der Raum einer ge< spalt. Zeile mit 1 Ngr. berechnet. Einzelne Nummern lo, sten 1 Ngr. Inserate sind portofrei einzusende»: »ach Kirch berg an Oberl. Bg. A. Winter oder nach Leip zig anJm.Tr. Willer t--- 1.) Leit- und Lebensbilder aus der Ge genwart und Vergangenheit I848t-17SSr „Nach den ZduS des März kamen die Henker der Triumvirn." Als die Märzsonne des laufenden Jahres die Hoffnung eines lange vergeblich ersehnten Völkerfrühlings auch über Deutschlands Gauen aufgehen ließ, da klopften alle wahrhaft deut schen Herzen groß und freudig diesem Lenze der Freiheit entgegen. Nur der Einheit bedurfte es, um auf den Trümmern des wunder schnell zusammengestürzten alten Systems die ewigen Funda mente des neuen Baues einer vernünftigen Freiheit zu grün den, und nur des treuen männlichen Zusammenstehens ihrer wahren Bekenner, um eine Neaction unmöglich zu machen. Allein die verflossenen 6 Monden haben der Welt gezeigt, daß Deutsch land für diese Freiheit entweder noch nicht reif, oder — was noch schmerzlicher — ihrer nicht werth war. Sei es, daß der Fluch unserer Väter, die das Werk einer systematischen Verdummung und Bevormundung des Volks för dern halfen, das Erbtheil ihrer Söhne geworden ist, oder ist es eine Gewohnheit unserer alten Zerrissenheit, die an uns Has-, tet wie eine perennirendc Krankheit, genug! wir haben das anvertraute Kleinod der Märztage nicht im Tempel deutscher Einheit gesichert, sondern wir haben es mit Füßen getreten und dem Schacher des Eigennutzes Einzelner überlassen! Wir haben die Freiheit nicht als eine gottentsprungene Tochter des Lichtes, als ungntastbare Gottheit des Volks inmitten deutscher Erde ausgestellt, nein, wir haben sie auf offenem Markte zur Metze des Pöbels machen, lassen und ihren Schändern preisge geben! Wir haben die Ehre Deutschlands in den Augen des Auslandes, dessen Affen wir waren, nicht gerettet, nein, wir haben sie noch tiefer gestellt und zum Spotte desselben gemacht! Statt uns die Hände zu reichen zum Bunde der Einheit, haben wir die Permanenz der Anarchie predigen lassen: Ge- spenster der Reaction gesehen, die der März beschworen hatte ; heule Männer des Volfs, an das Steuer gestellt und morgen wieder Hinwegreißen lassen, bartlosen Knaben mit schwarz-roth- goldnen Cocarden gehorcht und die Stimme der Weltgeschichte mißachtet; den Pöbel aufstachcln und demoralisircn lassen; statt ihn zur Höhe der Menschenwürde und des Zeitbewußtseins emporzuheben, und bei dem Allen es dahin gebracht, daß Biele — wie zur Zeit des römischen Augustus und nach den Tügen des französischen Convents — aus Sehnsucht nach Ruhe die deutschen Nacken wieder zum Joche beugen. ArmeS Deutschland! wie lange hast du geträumt und ge hofft auf deine Wiedergeburt, und jetzt, nachdem der Geist der Freiheit befruchtend über deine Gauen ging, hält sich jeder Stümper für berufen und berechtigt, dem großen Kinde der Zeit ein Pathe oder Erzieher und Führer zu sein. Werft eure Blicke auf einen großen Theil der sogenannten Führer — besser Verführer — des Volks, auf diese Zwerge von Weltbeglückern, die in den Versammlungen des Volts ihre Lippen von Freiheit und Menschenliebe träufen lassen und im Stillen trachten, wie sie am meisten gewinnen möchten; die vor der Menge auf offenem Markte Fürsten und Minister fressen, und heimlich lauern, welchem sie sich am höchsten verkau fen können; kurz, die an der großen und heiligen Aufgabe der Zeit nagen wie die Natten an der Keule des Herkules! Menschen, an Ehre und Männerwürde bankerott, schwim men wie Haifische m der Bewegung der Gegenwart; feucht ohrige Buben, die kaum das erste Halbjahr ihrer Studienzeit im Faullenzen durchlebt haben, glauben die Zügel des Staats ergreifen zu müssen; Gassenhelden thun die Weisheit aus der Stärke der Lunge dar, und Lehrjungen gebcrden sich, als wenn ihnen der März die Meisterschaft gegeben hätte, ohne nöthig zu haben, der bürgerlichen Gesellschaft die Fähigkeit zum Ge sellen nachzuweisen. Und diese Verwirrung von Babylon, wo jeder Dummkopf eine Anwartschaft an einen unsterblichen Ruhm zu haben ver meint, wenn er in irgend einer Volksversammlung für die rothe Republik oder für den Sturz eines, Dem oder Jenem nicht anstehenden Ministeriums, unbewußt die Faust als Be jahung erhob; diese Gährung unreiner, widerstrebender Ele mente sollte geeignet sein, uns die Wiedergeburt Deutschlands zu verbürgen? Nimmermehr!