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1848. ' j . ! Mittwoch, dett L7. September. Wochenschrift für Stadt und Land. Mittwoch« erscheint je eine Stummer zu 1 Bogen Alle Postämter und Buch, hanblimgen nehmen Be stellungen hierauf an. Jeder sibonnennt macht sich auf 1 halbe« Jahr oerbindlich. Slm Schlüsse jede« Vier teljahre« wird 1 seiner StaMich in Quart . gratis beigcgeben. Zugleich Amtsblatt für den Bezirk des königl. Landgerichts Redlgirt von vllllä. Otto Dehnel (früherem Redacteur der Erzgebirgifcheu Eisenbahn) unter Mitwirkung von ^.äv. Fr. Roloff in Kirchberg, Oberlehrer Gg. A. Winter in Kirchberg und Im. Tr. Wöller in Leipzig. Da« Abonnement beträgt für 1 Vierteljahr 10 Rgr. Für Anzeigen aller Art wird der Raum einer ge- fpalt. Zeile mit 1 Rgr. decechnet. Einzelne Nummern l»- sten 1'/,Rgr. Inserate sind portofrei einzusenden: nach Kirch berg an Oberl.. Lg. A. Winter oder nach Leip zig an Im. Tr. Wäller. 1.) Leit- und Lebensbilder aus der Ge genwart und Vergangenheit. Gin- deutsche Mottet Unser ganzes deutsches Vaterland fühlt und empfindet es jetzt tief, welch ein Unglück es ist, daß wir keine Flotte besitzen. Nicht nur, daß wir unserm überseeischen Handel auch nicht' den mindesten Schutz können angedeihen lassen, wodurch seither Han del und Gewerbe unsägliche Verluste erlitten haben, die auf Arbeitgeber und Arbeiter drückend wirken, müssen wir uns auch jetzt von dem kleinen, hochmüthigen Dänemark fast weg werfend behandeln lassen, weil Deutschland nicht im Stande ist, zur See wahrhaft thatkrästig aufzutreten. Und wen müssen wir anklagen, daß wir ohne Kriegsschiffe, ohne eine Achtung gebietende Flotte sind? Schon seit Jahren haben wackere deutsche Manner aus dem Volke . mit begeisterten Worten M das Schaffen einer deutschen Flotte gekämpft, doch — vergeblich! — Die Regierungen, denen dieß^ am nächsten und in deren Macht eS lag, waren taub für dergleichen wohlgemeinte Vorschläge, und der selig entschlafene Bundestag (unseligen Anden kens!) hatte freilich wichtigere Dinge in's Auge zu fas sen, als da waren: große und kleine Ferien zu halten, die Ti tel verschiedener hoher Herren festzusetzen, und was dergleichen für ihn hochwichtige Angelegenheiten mehr waren. Von Jahr zu Jahr erhöhte man in vielen deutschen Ländern die Steuern, allein — eine Flotte wurde nicht geschaffen; einzelne Pracht regimenter wurden errichtet in Hannover, in Braunschweig, in Hessen-Kassel,' doch — zu einer deutschen Flotte hatte man kein Geld; einer Königin von England bereitete man an den Ufern des Rhein Feste, die Hunderttausende verschlangen, aber — für eine deusche Flotte hatte man, wie für so viele- andere zum BolkSwohle Dienende, keinen Kreuzer! In 33 Jahren des tiefsten Friedens wurden 2,000 Millio nen Thaler! für dasMilitär vergeudet,um prachtvolle Manöver ausführen und fürstlichen Herren eine Augenweide, einen Zeitver treib schaffen zu können, doch — zu einer deutschen Flotte hatte man keinen Groschen! Traurig, aber wahr! —Und wen treffen die Folgen? Wie stets: das grme Volk! Wahrlich es ist eine Schmach, wenn man bedenkt, daß das deutsche Land an der Nord- und Ostsee eine Küstenstrecke von mehrer« hundert Stun den hat und doch — kein einziges Kriegsschiff besitzt! Selbst der Barbareske in Tunis läßt seine bewaffneten Briganti nen auslausen, und der hochgebildete Deutsche besitzt kauni tiuige brauchbare Kanonier-Boote! Die österreichische Flotte, welche die Nord- und Ostsee nicht decken kann, und unfern Han del nicht beschützt, dürfen und können wir nicht in Anschlag bringen; sie ist auf das Mittelmeer angewiesen, Mit welchem wir nur mittelbar durch Triest in Verbindung stehen. - So steht also Deutschland gegenwärtig da ohne Kriegsschiff, ohne Flotte, und das unbedeutende Dänemark schlägt uns ein Schnipp chen nach dem andern! Das sind die wahrhaft traurigen Folgen von der Zerrissenheit und Zerfallenheit, in welcher die 38 ein zelnen deutschen Staaten seit 33 Jahren dalagen! Jeder Ein- zelstaat verfolgte sein Sonderinteresse und von einem gemein samen, kräftigen Zusammenwirken war keine Rede! Eng land, Rußland, Frankreich, namentlich und vor allem aber England konnte solch eine tolle Wirthschast in Deutschland nur hoch willkommen sein, denn je weniger Zusammenhalt, je we niger Gemeinsinn in Deutschland, desto vortheilhaftere Zollver träge oder Zollbestimmungen konnte und wußte England zu erlangen, und je weniger sich Deutschland männlich-ernst be strebte, sich eine Flotte zu schaffen, desto sicherer konüte Eng land sein, ganz allein und ungestört im Besitze des Welthan dels zu bleiben. — O, du verkümmertes, herabgekommeneS Deutschland! In früheren Zeiten ist das freilich anders gewesen, denn Deutschland war zur See die erste Kriegs- unb Handelsmacht. Lange zuvor, ehe an England oder Hol land als Seemächte auch nur zu denken war, besaß Deutsch land (die deutsche Hansa) eine gewaltlge und gefürchtete Kriegs flotte; sie war die herrschende Macht auf der See, sie setzte im skandinavische») Norden Könige ein und ab; die deutsch- Hansa ist eS gewesen, die zuerst Kanonen auf di« Schiffe gebracht hat. Von uns haben die Engländer den KriegS- schiffbäu gelernt. Deutsche Seeleute nahmen einst Lissabon ein, Deutsche Seeleute waren eS, welche 1790 di« Schlacht im