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Das Krystallgefüge des Eisens, studirt am Meteoreisen. Von Privatdocent Dr. G. Linck in Strafsburg i. Elsafs. Das reine Eisen, welches in dem regulären Krystallsystem krystallisirt, bildet in der Regel winzige Kryställchen, begrenzt von den Flächen des Octaeders, des Würfels oder einer Combination dieser beiden Formen. Sie sind mit parallelen Achsensystemen nach verschiedenen Richtungen zu Skeleten aneinandergereiht, so dafs dann jene bekannten .Tannenbaumkrystalle“ entstehen, denen man in den Hohlräumen der Schmelzflüsse so häufig begegnet. Bei sehr langsamem Erstarren, insbesondere von kleinen Eisentheilen in grofsen Schlacken massen krystallisirt das Ganze als ein einheit liches Individuum, welchem allerdings die eigene Krystallbegrenzung fehlt, das jedoch dafür mit durchgehender Spaltbarkeit nach dem Würfel begabt ist und sich so als einheitlicher Krystall legitimirt. Diese wenigen Beobachtungen aus alter Zeit geben aber ein sehr unvollkommenes Bild von dem Gefüge des krystallisirten Eisens. Wesent lich erweitert wird unsere Anschauung über diesen Gegenstand, wenn wir die Eisen-Nickel- legirung des Meteoreisens, welche sich ähnlich zu verhalten scheinen wie reines Eisen, mit in den Kreis unserer Beobachtung ziehen. An dem Meteoreisen von Agram (gefallen 1751) hat Widmanstätten die nach ihm benannten Figuren entdeckt dadurch, dafs er Platten des Eisens polirte und anlaufen liefs, wobei man dann sieht, dafs das Eisen aus verschieden gefärbten feineren und dickeren Lamellen besteht, welche durch verschiedenen Nickelgehalt charakterisirt sind. Der letztere Umstand führte zu der Ent deckung der Herstellung jener Figuren durch Aetzen mit verdünnter Salpetersäure, worin das nickelreichere Eisen schwerer löslich ist als das nickelärmere. Freiherr von Reichenbach hat diesem Gegenstand gröfsere Studien gewidmet und in dem Meteoreisen dreierlei Nickel Eisen- legirungen unterschieden, von denen er glaubte, dafs sie sich durch verschiedenen Nickelgehalt und daher verschiedene Löslichkeit unterschieden. Das nickelreichste Eisen, welches sich in Form von papierdünnen Blättern oder Bändern zwischen dem übrigen hinzieht, nannte er „Bandeisen oder Taenit“, das nickelärmere, in breiteren oder schmäleren Balken auftretende „Balkeneisen oder Kamacit“ und den Rest, welcher die übrig ge lassenen regelmäfsigen Hohlräume erfüllt, „Füll eisen oder Plessit“. Mit Rücksicht auf diese Untersuchungen er klärte dann G. Rose den Bau dieser Eisen mit Widmanstättenschen Figuren derart, dafs sich nach den Flächen des Octaeders abwechselnd nickelreichere und nickelärmere Schalen aufein ander schichten. Es giebt aber noch eine zweite Art von Meteor eisen, deren klassischer Vertreter das Eisen von Braunau (gefallen 1847) ist. Das ist ein ein heitlicher Krystall mit durchgehender Spaltbarkeit nach dem Würfel. Die geätzten Würfelflächen zeigen Aetzgrübchen, welche einem vertieften Würfel entsprechen, und aufserdem sieht man noch sechs Systeme von feinen Linien, welche die Würfelecken untereinander und mit den Mittel punkten der gegenüberliegenden Würfelkanten verbinden. Diese Linien sollen nach Neumann dadurch entstanden sein, dafs mehrere Würfel miteinander in Zwillingsstellung verwachsen sind, derart dafs immer zwei Würfel eine durch den Mittelpunkt des Würfels gehende Diagonale ge meinsam haben und umgekehrt stehen. Dem Verfasser* ist es nun in letzter Zeit ge lungen, das Gefüge dieser beiden Gruppen von Meteoreisen in anderer zutreffender Weise zu erklären und die Erklärung durch goniometrische Messungen zu beweisen. Nach den neueren Untersuchungen sind Kamacit und Plessit identisch und man hat es somit bei den Eisen mit Widmanstättenschen Figuren nur mit zwei Eisen-Nickellegirungen zu thun, dem Taenit und dem Kamacit. Der erstere umschliefst den letzteren sackartig und dieser bildet Krystalle, von denen jeder einem mehr oder minder regel mäfsigen Octaeder entspricht, welches tafelförmig nach einem Flächenpaar ausgebildet ist. Diese einzelnen Krystalle sind nun so miteinander ver wachsen, dafs sie eine Octaederfläche gemeinsam haben, aber in dieser Ebene um 180° gegen einander gedreht sind. Da nun für die Bildung von solchen Zwillingen alle Octaederflächen gleich- werthig sind, so entsteht ein sich ganz gesetz- mäfsig durchkreuzendes Netz von Eisenkrystallen, welche voneinander durch ein dünnes Häutchen von Taenit getrennt sind. In den einzelnen Lamellen liegen denn auch die dem Würfel ent sprechenden Spaltungsflächen umgekehrt und ebenso die dem Würfel entsprechenden Aetz grübchen. Da die letzteren einen orientirten damast artigen Schimmer erzeugen, so mufs derselbe natürlich in verzwillingten Lamellen eine ver- * G. Linck, Ueber die Zwillingsbildung und den orientirten Schimmer am gediegenen Eisen. Zeitschr. t. Kryslallogr. u. s. w. XX, 1892. Derselbe, Ueber das Krystallgefüge des Meteor eisens. Annal. d. k. k. Hofmuseums in Wien, 1893.