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März 1893. STAHL UND EISEN.“ Nr. 6. 241 zu sein scheinen, wie dies aus Verdingungen jüngster Zeit zu unserem Leidwesen zu erkennen gewesen ist. Dieselbe Erscheinung, welche sich kürzlich auf handelspolitischem Gebiet gezeigt bat, indem die österreichischen Regierungsvertreter Hand in Hand und in voller Uebereinstimmung mit den Industriellen des Landes vorgingen, während in Deutschland begründete Klagen über das Gegentheil ertönten, scheint sich auf tech nischem Gebiet zu wiederholen. Schwerere Schienen. Von Hrn. G. P. Sandberg in London erhält die Redaction die nachstehende Zuschrift. „Der verflossene Winter, welcher für viele Länder einer der kältesten des Jahrhunderts war, hat natürlich die Sicherheit der Eisenbahnen und insbesondere der Schienen wesentlich berührt. In Rufsland und Skandinavien war die Queck silbersäule im Thermometer häufig gefroren, so dafs der Weingeist die Temperatur anzeigen mufste, | ebenso hat auch Canada einen ungewöhnlich strengen Winter durchgemacht. Es ist deshalb erklärlich, dafs eine Reihe von Eisenbahnunfällen eingetreten ist, welche auf Schienenbrüche und Versagen des rollenden Materials zurückzuführen waren; jedoch sind die Unfälle im ganzen nicht so zahlreich wie in den alten Tagen der schweifs- eisernen Eisenbahnschienen gewesen, so dafs es den Anschein gewinnt, als ob der Stahl weniger als das Eisen durch die Kälte leidet. Es scheint sogar, dafs die Mehrzahl der vor gekommenen Brüche durch unzureichendes Ge wicht der Schienen herbeigeführt wurde. Eine ständige niedrige Temperatur, wie in diesem Winter, ist noch nicht am gefährlichsten; die Temperaturunterschiede zwischen Tags- und Nacht zeit im Frühjahr in Verbindung mit Thaunieder schlägen, sind wegen ihrer Ungleichmäfsigkeit sogar eine strengere Probe für die Schiene, welche zur Vermeidung von Brüchen und. Unfällen ein gewisses Uebermafs von Widerstandsfähigkeit ver langt. Wenn man früher bei Einführung der Stahlschiene, als der Preis derselben noch auf 400 •6 für die Tonne stand, mit dem Stoff kargte, so war dies verständlich, aber bei den heutigen niedrigen Schienenpreisen ist kein Grund zur Ersparnifs von Material vorhanden. Im Gegen theil bringt die Verwendung von schweren Schienen eine Ersparnifs mit sich, da man beim Verkauf der alten Schienen mehr als die Hälfte des Werthes zurückerhält und aufserdem die Unter haltungskosten des Oberbaues wesentlich gemindert werden, ganz abgesehen von dem Umstand, dafs sie erhöhte Sicherheit gegen Unfälle bedingen. Unter Berücksichtigung dieser Verhältnisse entwarf ich die sogenannte Goliathschiene, eine Fufsschiene von etwa 50 kg Gewicht a. d. m. * Diese Schiene ist seither mit unwesentlichen Ab * Siehe „Stahl und Eisen“ 1887, Nr. 3, S. 194, und 1887, Nr. 4, S. 292 u. a. a. Stellen. weichungen in Belgien eingeführt worden, aufser dem sind in den meisten Ländern die Schienen querschnitte vergröfsert worden. Gerade jetzt liegt besonderer Grund vor, um in dieser Richtung schneller vorzugehen, da das Bedürfnifs nach schweren Schient n niemals stärker als in dem letzten strengen Winter fühlbar und die Schienen niemals so billig als heute waren. Nicht in der Absicht, diese schwere Fufs schiene in England, woselbst die Geleise mit Stuhlschienen die stärksten und sichersten der Welt nach meiner Meinung sind, einzuführen, sondern in der Absicht, eine Untersuchung darüber anzustellen, ob die Fufsschiene einen ebenso guten und sicheren Oberbau durch Vermehrung des Gewichts liefern könne, sah sich die Furness- Eisenbahn veranlafst, vor zwei Jahren auf ihrer Hauptlinie bei Barrow auf einer Strecke von einer englischen Meile Länge meine Fufsschiene vom Jahre 1886 neben dem englischen Geleise system zu verlegen. Bis jetzt hat sich die Schiene sehr gut gehalten. Die Schienen, welche in den Barrow Steel Works erzeugt wurden, haben seit her einen Verkehr von 2 000 000 t ausgehalten, ohne einen mefsbaren Verschleifs zu zeigen. Die Baukosten für die beiden Geleisetypen sind un gefähr gleich und es scheint sogar, als ob man auf der Fufsschiene ruhiger als auf dem englischen Stuhlsystem fährt. Die Prophezeiungen, welche hinsichtlich der Abnutzung der Schiene erhoben worden sind, sind durch die Erfahrung nicht bestätigt worden; übrigens ist der Kopf nicht dicker als bei der gewöhnlichen englischen ein seitigen Doppelkopfschiene. Aus den bisherigen Versuchen scheint hervorzugehen, dafs mit dem Fufsschienensystem ein ebenso fester Oberbau wie mit dem Stuhlschienensystem erzielt werden kann, wenn man beiden gleiche Gewichte giebt. Für alle Eisenbahnlinien, welche das Fufsschienen system eingeführt haben, ist dies höchst wichtig, da ein Wechsel des Systems von der Fufsschiene zur Stuhlscliiene fast unmöglich ist, während die Auswechslung von schwereren Profilen der selben Schienenart keine Schwierigkeiten bietet. Wenn man in Amerika die Geschwindigkeit der Eisenbahnzüge auf 160 km in der Stunde er höhen will, wovon jetzt sehr viel die Rede ist, so wird man dort in erster Linie gezwungen sein, schwerere Schienen einzuführen.“ 3