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Februar 1893. „STAHL UND EISEN.“ schmelzen und nach dem Erkalten findet sich ein Metallklümpchen von Schwefeleisen am Boden, und Chlorcalcium als gesonderte Masse an der Oberfläche vor. 5. Wenn Kalk und Schwefeleisen zusammen einer schwachen Rothgluth ausgesetzt werden und die Mischung darauf mit Chlorcalcium vermischt und geschmolzen wird, so tritt keine Ausscheidung von Schwefeleisen ein; es bleibt augenscheinlich eine homogene Masse zurück. 6. Wenn die Mischung von Kalk und Schwefel eisen nach vorhergegangener Erhitzung durch Wasserstoff, bei Rothgluth, reducirt wird, so ent spricht der Verlust durch Erhitzung dem Sauer stoff im Eisenoxyd, welcher vorhanden wäre, falls die folgende Reaction von Anfang an stattgefunden hätte: FeS + CaO = CaS + FeO. Es wurde angenommen, indem auch andere Thatsachen in Betracht kommen, dafs bei der ersten (Original-)Feuerung die Veränderung laut oben an gegebener Formel war. Hr. Hilgenstock sagte aber, dafs ich mich in diesem Punkte im Irrthum befände, und behauptet, dafs Schwefelcalcium erst gebildet werde, wenn der kräftig reducirende Wasserstoff auf die Mischung einwirkt. So sehr ich nun auch wünsche, zur rechten Erkenntnifs zu kommen, so kann ich doch nicht verkennen, dafs das Experiment und die Schlufsfolgerungen meines geehrten Freundes entscheidend sind, ob gleich ich zugebe, dafs seine Theorie möglich sein könnte. Ich mufs jedoch die Frage stellen: Wo mit ist bewiesen, dafs die Reaction CaO 4- FeS = Ca S + FeO nicht vor dem Ein treten des Wasserstoffs zu wirken be ginnt? Es scheint daher klar, dafs entweder die eine oder die andere Reaction möglich ist. FeS + CaO +H=Fe+ CaS + HsO oder Fe S + Ca O = Fe O + Ca S und Fe O + Ca S + H: = Fe 4- Ca S 4- H:0. Welche Methode wäre anzuwenden, um zu beweisen, was das Rechte ist? Hr. Hilgenstock giebt mir keine Andeutung darüber, sondern be zieht sich auf Professor Finkeners Experiment, auf das wir weiter unten zurückkommen. Angenommen, dafs Kalk von Chlorcalcium beim Erhitzen beider Substanzen absorbirt wird, und ferner angenommen, dafs Schwefeleisen sich nicht in Chlorcalcium auflöst und sich vollständig gesondert hält, so wäre es wohl klar, dafs, wenn die Mischung von Kalk und Schwefeleisen nach Erhitzung noch das Eisen als Schwefeleisen ent hält, beim Schmelzen dieser Mischung mit Chlor calcium der Kalk aufgelöst wird und das Schwefel eisen einfach zu Boden fällt. Aber das ist gerade, was nicht eintritt! Es tritt keine Trennung ein, und wir müssen annehmen, dafs eine complicirte Veränderung besteht, in welcher das Chlorcalcium mit dem Kalk in vereinte Thätig- keit tritt, oder dafs das Chlorcalcium einfach auf löst, was soweit Eisenoxyd und Schwefelcalcium war und augenscheinlich eine homogene Masse bildet. Die Thatsache steht jedoch fest, dafs Chlorcalcium zusammen mit Kalk imstande ist, Schwefeleisen aufzulösen, wenn letzteres sich im freien Zustande befindet. Weshalb sollen wir ihm die Wirkung absprechen, wenn das Schwefeleisen mit einer grofsen Masse vereinigt ist? Ich bin Hrn. Hilgenstock dankbar für sein Experiment, welches feststellt, dafs eine Mischung von 50 % FeS und 50 % CaO, wenn solche mit flüssigem Stahl in Contact kommt, etwas von seinem Schwefel an das Eisen abgiebt. Dieser Vorgang wird fortwährend im Martinofen und Bessemerconverter bestätigt, da es bekannt ist, dafs, wenn die Oxyde, welche im Martinofen und der Kalk im Converter Sulphide enthalten, der Schwefel vom Eisen absorbirt wird. Wenn jedoch Ca Ch und CaO in Ueberschufs vorhanden sind, so wird der Schwefel in der Schlacke zurückgehalten. Hr. Hilgenstock wies auf das Experiment des Hrn. Professor Finkener hin, bei welchem schwefel saurer Kalk und Eisen in einer luftleeren Röhre erhitzt wurde. Die Beschreibung dieses Experi mentes (in der englischen Uebersetzung von Wedding über den basischen Bessemer-Procefs) beweist nichts weiter, als dafs die Masse geschmolzen wurde, und dafs „Oxyd" und „Sulphid- gebildet wurden. Es wird nichts angegeben, ob Versuche gemacht wurden, ob Schwefeleisen oder Schwefel calcium gebildet wurden; der Herr Professor sagt auch nicht ob das Oxyd Eisenoxyd oder Calcium oxyd, oder ob es beide waren. Ich konnte nicht finden, ob das Experiment fortgesetzt wurde. I Soweit beweist das Experiment nichts. Die Bemerkungen, welche sich auf die Rolle be ziehen, welche der Schwefelsäure Kalk im Bessemer verfahren spielt, sind sehr interessant. Die Schlufs- bemerkungen des Hrn. Hilgenstock zeigen die Wichtigkeit weiterer Untersuchungen, aber die Folgerung, dafs Saniters Mischung nicht günstig wirken könne, steht nicht im Einklang mit den Thatsachen. Indem ich meine Auseinandersetzungen schliefse, möchte ich bemerken, dafs ich kein Vertheidiger von Lieblingstheorieen bin; der Zweck meines Vortrages war der, die Anregung zu weiteren Untersuchungen zu bieten. Ich sehe ein, dafs Hr. Hilgenstock Versuche ausgeführt hat, welche I unsere Kenntnifs erweitern, und obgleich Meinungs verschiedenheiten über deren Ergebnisse bestehen, können, so dürften dieselben doch beitragen, schliefs- lieh mehr Licht zu schaffen. Middlesborough (England), 24. Januar 1893. E. Stea'l.