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112 Nr. 3. „STAHL UND EISEN.* Februar 1893. Stellung und Bearbeitung bemüht blieben. Durch bedeutende Ingenieure sind durch Versuche und daranschliefsende Aufstellung von Berechnungs formeln dem heute construirenden Ingenieur Werke zur Hand gegeben, wonach es ihm möglich ist, die Stabilität jeder Gonstruction mit leichter Mühe und sicher zu berechnen. Die Baumaterialien dienen im allgemeinen drei Zwecken. Sie sollen : 1 die ruhenden und beweglichen Belastungen, sowie das Eigengewicht der Constructionen aufnehmen, 2. den raumbegrenzenden Abschlufs bilden und gleichzeitig den Widerstand herstellen gegen natürliche Einwirkungen, als Wind, Wetter, Feuer, Schall u. s. w., sowie künstlichen Angriffen und sanitären Vorschriften genügen, 3. zur Decoration dienen. Eine vergleichende Aufstellung ergiebt nun, dafs sich die für unter 1 aufgeführten Materialien, nämlich Eisen, Stein und Holz, zu einander ver halten wie folgt: Gufseisen besitzt die 20fache absolute Festig keit des Holzes und die 200fache des Steines. Schmiedeisen besitzt die lOfache Widerstands fähigkeit gegen Zug und Druck des Holzes und die lOOfache des Steines. Das Gewicht des Eisens ist jedoch blofs etwa 8 mal so grofs wie das des Holzes und etwa 4 mal so grofs wie das der Steine. Diese für das Eisen so sehr günstigen Verhältnifszahlen sind es, welche dem selben siegreichen Einzug als tragendes Gerüst allen anderen Materialien gegenüber einräumen und eine immer weitere Verwendung zusichern. Mit wenigen Ausnahmen, z. B. Wellblechbauten, sehen wir, dafs die Materialien für den unter 2 auf geführten Zweck fast ausschliefslich, anderer Art sind und in diesen heute eine erstaunliche Fülle vorhanden ist. Merkwürdigerweise ist dem Eisen im Bauwesen bis jetzt nur in Deckenconstruction, Dachbindern und Säulenstellungen ein gebührender Platz an gewiesen worden. Wir sehen bei den Decken die mannigfachsten und recht guten Constructionen und, wie schon erwähnt, eine Reihe von Materialien, welche dem unter 2 aufgeführten Zweck ent sprechen und zwar vom einfachsten Ziegel- bezw. Betongewölbe bis zu den Constructionen aus Ersatzmaterialien, als Monier-, Rabitz-, Gips- und Cementdielen u. s. w., welche alle je nach Zweck und persönlicher Ansicht Verwendung finden. Zu Wänden ist das Eisen in verschwindend ge ringer Weise angewendet worden. Die einfachste Construction, die Eisenfachwerksbauten, nach dem Vorbilde der Holzfachwerksbauten ausgeführt, ist zwar bei Fabrikgebäuden in umfangreiche An wendung gekommen, sie genügt indessen in den meisten Fällen dem bauenden Publikum nicht und mag wohl seine Begründung hauptsächlich darin finden, dafs hierbei eine architektonische Ausschmückung der Faade nicht mit den ein fachen Mitteln erzielt werden kann, wie dieses bei den massiven Bauten der Fall ist. Wie die Holzfachwerksbauten leiden auch diese an dem Uebelstand, dafs durch die 1/2 Stein starke Wand ein genügender Abschlufs gegen Witterungseinflüsse nicht erzielt werden kann. Aufserdem tritt noch der Uebelstand hervor, dafs bei kalten und regnerischen Tagen das Eisen auf den dahinter liegenden Putz die Feuchtigkeit überträgt, Nieder schlag von Schweifswasser erzeugt oder die Wandbemalung oder Tapete durch Rostflecke verdirbt. Infolge dieses Uebelstandes können solche Räume in vielen Fällen als nicht genügend angesehen werden. Um diesen Mängeln theil weise abzuhelfen, hat man versucht, diese Wände innen noch mit Brettern zu verschalen, oder mit noch einer Wand aus Monier-, Gipsdielen u. s. w. zu versehen. Es läfst sich jedoch nicht verkennen, dafs durch dieses Verfahren eine erhebliche Ver- theuerung . gegen massives Mauerwerk hervorge rufen wird. Sodann kann von einer absoluten Feuersicherheit, wenn die Verschalung aus Holz, nicht mehr die Rede sein, ferner wird durch diese Gonstruction dem Schwammbilden Vorschub geleistet. Bei stattgefundenen Bränden zeigte es sich, dafs nicht ummanteltes Eisen sich nicht recht bewährte, weshalb man zu der Ummantelung aus feuersicheren Materialien griff. Alle unsere neuen Ersatzmaterialien für Holz und Stein, als Monier-, Rabitz-, Gips- und Cementdielen, Hylolith (Steinholz), Magnesitplatten u. s. w., zeigen in den verschiedensten Arten eine Ummantelung des Eisens. Dafs derartig umkleidetes Eisen als voll kommen feuersicher betrachtet werden kann, hat sich durch Versuche und stattgefundene Brände zur Genüge erwiesen. Die Gonstruction solcher Wände hat sich jedoch nicht in dem Mafse ein geführt, als man erwartete, sondern man findet sie nur vereinzelt wie z. B. bei Krankenbaracken, Wärterhäusern, Proviantschuppen u. s. w., vor. Dafs sich derartig umblendetes Eisenfachwerk bei Wohnhäusern nicht eingeführt hat, findet eben seine Begründung darin, dafs die verlangte archi tektonische Wirkung der Faade ohne erhebliche Kosten nicht erzielt werden kann. Wir gestatten uns nun, in Kurzem auf unser zum Patent angemeldetes Hochbausystem hinzu weisen, welches sich wie folgt charakterisirt: Es wird aus zweckentsprechenden, vorhandenen Profileisen ein in sich zusammenhängendes Eisen gerüst gebildet, welches die gesammten Belastungen aufnimmt. Dieses Gerüst wird von beiden Seiten durch 14 bezw. 1/2 Stein starke Wände aus keramischen oder natürlichen Steinen verblendet. Die Verbindung dieser beiden Verkleidungswände unter sich geschieht durch in entsprechenden Entfernungen in die Steinfugen eingelegte Ver bindungseisen, welche an den in das Mauerwerk