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98 Nr. 3. .STAHL UND EISEN.“ Februar 1893. entscheidend, dafs in das Gesetz das hineinkommen . müsse, was gerecht, was billig und was | nothwendig ist“ — derselbe Herr Minister I opferte den § 153 und überliefs es der Industrie nunmehr, ohne diesen einzigen Schutzparagraphen, den der Gesetzentwurf enthielt, auszukommen. Die Folgen zeigt aufs deutlichste der Saar brücker Ausstand. Die Arbeitseinstellung hätte keinenfalls eine so grofse Ausdehnung erreicht, sie wäre zweifellos eine partielle geblieben, wenn die älteren besonnenen Leute nicht durch die jüngeren Arbeiter beeinflufst, durch Bedrohungen zur Einstellung der Arbeit veranlafst sowie von der Wiederaufnahme derselben abgehalten worden wären, ohne dafs nachträglich dagegen einge schritten werden konnte. Diese grofse Ausdehnung des Saarbrücker Ausstandes und die Hoffnung, dafs die Genossen auf den staatlichen Musteranstalten den Sieg er ringen würden, ist es ja denn auch gewesen, | welche einen beträchtlichen Theil der nieder- 1 rheinisch - westfälischen Bergleute ermuthigte, ebenfalls unter Vertragsbruch die Arbeit „aus Sympathie“ einzustellen. Die Rolle Warkens übernahm hier der bekannte „Kaiserdeputirte“ Schröder, der im Verein mit anderen social demokratischen Hetzern einen beträchtlichen Theil der Belegschaften zum thörichtsten Streik zu verleiten wufste, der jemals dagewesen. Die niederrheinisch-westfälischen Zechen waren in ihren Gegenmafsregeln sofort einig. Ohne den § 153 auf ihre Selbsthülfe angewiesen, schlugen sie denselben Weg ein, den schon im Frühjahr 1891 bei dem partiellen Ausstand Krupp auf Zeche Hannover 1 und II gegangen war. Auf Beschlufs des „Vereins für die bergbaulichen Interessen im Oberbergamtsbezirks Dortmund“ j wurde an den Kauen sämmtlicher Zechen, auf denen Arbeiter sich im Ausstande befanden, folgende Erklärung angeschlagen: An unsere Belegschaft. Ein Theil unserer Belegschaft ist dem frivolen Beschlusse der Bergarbeiter-Versammlung zu Bochum am Sonntag den 8. Januar gefolgt und unter Contract- bruch in den Ausstand getreten. Im Hinblick auf diese Thatsache verweisen wir auf folgende Para graphen unserer Arbeitsordnung: „,§ 3. Vor Ablauf der vertragsmäfsigen Arbeits zeit und ohne vorhergegangene Kündigung können Arbeiter, abgesehen von den in § 82 des Berg gesetzes und in § 23 u. § 24 dieser Arbeitsordnung angeführten Gründen, entlassen werden, wenn sie drei oder mehr aufeinander folgende Schichten willkürlich von der Arbeit aus bleiben. Ein ausgebliebener Arbeiter gilt als ent lassen, wenn sein Name in der Arbeiterliste ge strichen ist. ,„§ 6. Wenn ein Arbeiter ohne Inne haltung der vertragsmäfsigen Kündigungs frist in anderen als in den im § 4 bezeich neten Fällen dieArbeit verläfst oder ausbleibt, so hat er für jeden Arbeitstag vom Tage des Weg bleibens an bis zu demjenigen Tage, an welchem die Abkehr vertragsmälsig erfolgen konnte, jedoch höchstens für 6 Arbeitstage, einen Schadenersatz zu zahlen, welcher für den Arbeitstag nach dem durchschnittlichen Arbeitsverdienste der vorher gegangenen Lohnperiode zu berechnen ist. Zu einem weiteren Schadenersatz wegen Wegbleibens ist der Arbeiter nicht verpflichtet. Der Betrag des Schadenersatzes ist ohne vorgängiges Verfahren vor dem Gewerbegericht oder dem ordentlichen Gericht von dem rückständigen Lohne zu gunsten der Zeche einzuziehen.““ „Wir bemerken dazu, dafs wir von den Be stimmungen dieser beiden Paragraphen unweigerlich sofort Gebrauch machen werden. Jeder Arbeiter, welcher drei oder mehr Schichten willkürlich feiert, ist entlassen. Von jedem Arbeiter, welcher willkür lich feiert, wird für jede gefeierte Schicht ein Schaden ersatz in der Höhe eines Tagesarbeitsverdienstes bis zur Höhe von sechs Tagesarbeitsverdiensten einbehalten.“ Dieses straffe und einige Vorgehen half; der Ausstand blieb ein durchaus partieller und war in wenigen Tagen gebrochen, nachdem die aus ständigen Arbeiter über eine Million Mark an Löhnen eingebüfst hatten und viele von ihnen die Aussicht, im niederrheinisch - westfälischen Bergbau wieder beschäftigt zu werden, vielleicht auf immer verloren haben. Schon verlautet hier und da, während wir dies schreiben, „man“ werde versuchen, die Zechenvorstände zu thun- lichster Milde zu veranlassen. Wir glauben nach unserer Kenntnifs der Verhältnisse kaum, dafs man mit solchen Versuchen viel Glück haben wird; wir stimmen in dieser Hinsicht völlig der „Kölnischen Ztg.“ zu, welche unter dem 23. Januar d. J. (Abendausgabe) schreibt: „Verschiedene Blätter beschäftigen sich mit dem Schicksal der wegen Vertragsbruchs abge legten Bergleute im Sinne einer Befürwortung der Wiederannabme dieser Arbeiter seitens der Zechen. Diese Ausführungen sind gewifs wohl ge meint. aber ihre uneingeschränkte Befolgung kann den Bergwerksleitern doch kaum zugemuthet werden. Die Vertragsbrüchigen Bergleute müssen sich einmal darüber klar werden, dafs das Gesetz nicht blofs zu ihren Gunsten da ist, sondern auch den Arbeit gebern einen gewissen, wenngleich naturgemäfs schwachem Schutz als den Arbeitnehmern gegen plötzliche Einstellung der Arbeit gewähren will und mufs. Die schlimmen Folgen, welche die Sperre für die ausständigen Arbeiter hat, hätten sich diese vorher klar machen sollen. Jetzt ernten sie ledig lich, was sie gesät haben, und wenn sie aus dem Vorgang eine Lehre für die Zukunft ziehen sollen, so müssen sie auch das Gefühl von der Strafe haben, die der Vertragsbruch nothwendigerweise bedingt. Es war nicht die Noth, sondern der Ueber- muth, der in diesem Falle zur Arbeitseinstellung geführt hat, und selbst in dem Falle, dafs die For derungen der Arbeiter berechtigt gewesen wären, hätten sie doch die Kündigungsfrist einhalten müssen und können. Man darf zudem annehmen, dafs die Zechen unterscheiden werden zwischen solchen Arbeitern, die freiwillig in den Ausstand eingetreten sind, und solchen, die sich durch die Umstände, also durch Furcht vor Verrufserklärung oder vor Mifshandlung seitens der Ausständigen sich zur Arbeitseinstellung haben bewegen lassen. 1 Die Berg werksleiter werden ihre Pappenheimer schon kennen und gewifs die mit Rücksicht auf die Aufrechterhal tung der Ordnung zu vereinbarenden Rücksichten denjenigen gegenüber walten lassen,die es verdienen.“