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Folgen dieser Mischung nicht so plötzlich ein treten, als Herr Müller voraussetzt. Ein anderer, noch schwerer wiegender Umstand kommt jedoch hinzu, die beabsichtigten Folgen der Mischung zu verzögern; es ist dieses die bedeutende Ver dünnung, in welcher die aufeinander wirkenden Körper — Sauerstoff auf der einen, Mangan, Silicium und Kohlenstoff auf der andern Seite — sich im Eisenbade befinden. Jeder, der sich ein mal mit chemischen Analysen beschäftigt hat, weifs, dafs die in Flüssigkeiten gelösten Körper um so langsamer aufeinander einwirken, je stärker ihre Verdünnung durch das Lösungsmittel ist. Bei der Ausfällung von Magnesia durch ein Phosphat, von Baryt durch Schwefelsäure, und in vielen ähnlichen Fällen kann es, wenn die Lösung sehr verdünnt ist, Stunden dauern, ehe überhaupt eine Ausscheidung bemerkbar wird. Glühendflüssige Lösungen — eine solche ist offenbar alles ge schmolzene Flufseisen — verhalten sich nicht anders. Den Beweis dafür liefert uns die That- Sache, dafs Sauerstoff und Kohlenstoff neben einander in dem Eisen gefunden werden können trotz der durch die hohe Temperatur erheblich gesteigerten Verwandtschaft beider Körper zu einander. Ob überhaupt vollständig entkohltes Flufseisen vorkommt, wie in der erwähnten Ab handlung mehrfach angenommen wird, ist mir nicht bekannt; ich selbst habe bei ziemlich zahl reichen Untersuchungen immer noch kleine Mengen Kohlenstoff gefunden und bin daher vor läufig entgegengesetzter Meinung. In fertig geblasenem Thomaseisen fand ich neben 0,037% Kohlenstoff 0,244% Sauerstoff*; dafs auch in kohlenstoffreicherem Bessemer- oder Martineisen schon Sauerstoff Vorkommen kann, ist bekannt. In je reicheren Mengen aber Kohlen stoff oder ein anderer in der Temperatur des Eisenbades reducirend auf Eisenoxydul wirkender Körper zugegen ist, desto geringer ist der Sauer stoffgehalt und umgekehrt. Die auf Seite 504 mitgetheilten Analysen liefern einen, wie ich glaube, ganz lehrreichen Beweis hierfür, wenn man neben dem Kohlenstoffgehalte der unter suchten Eisensorten auch den Phosphorgehalt berücksichtigt. Trotz dieses Umstandes nun, dafs Kohlenstoff und Sauerstoff nebeneinander in einer und der selben Lösung gefunden werden . können, hört doch ihre gegenseitige chemische Einwirkung nicht auf, so lange die Lösung, d. i. das ge schmolzene Flufseisen, nicht erstarrt. Wäre es möglich, das Eisenbad unter Ausschlufs äufserer chemischer Einwirkungen stunden- oder tagelang flüssig zu erhalten, so würde schliefslich einer der beiden Körper vollständig verschwinden; je mehr aber die Verdünnung desselben zunimmt, * »Stahl und Eisen« 1883, Seite 504. desto langsamer wird die Einwirkung. Niemand wird indessen läugnen, dafs, so lange noch Kohlen stoff neben Eisenoxydul sich im Bade befindet, und letzteres flüssig ist, auch Kohlenoxydgas bildung stattfinden mufs. Behält man diese Thatsachen im Auge, so erscheinen die in der Abhandlung des August- heftes veröffentlichten Beobachtungen sofort in einem andern Lichte. Das fertige Bessemer-, Thomas- oder Martin eisen enthält vor dem Zusatze des Eisenmangans Sauerstoff, daneben Kohlenstoff. Es findet also unausgesetzte Entwicklung von Kohlenoxydgas statt; daneben entweicht gelöst gewesenes Wasser- stoffgas und Stickstoff. Das Verhältnifs der Gase untereinander hängt von den Eigenthümlichkeiten des Processes und von dem noch anwesenden Kohlenstoffgehalte ab. Je gröfser der letztere ist, desto reichlicher entwickelt sich Kohlenoxyd; je weniger das Eisen Gelegenheit hatte, Wasser stoff oder Stickstoff zu lösen, desto mehr tritt der Gehalt an diesen letzteren Gasen gegenüber dem Kohlenoxydgehalte in dem entweichenden Gasgemenge zurück. Letzterer Umstand erklärt, wie auch Müller hervorhebt, den reicheren Kohlen- oxydgehalt in dem Martinmetalle vor Mangan zusatz (Analysen XV und XVI a. S. 450); der sehr geringe Kohlenstoffgehalt des fertig geblasenen Thomaseisens liefert andererseits die Erklärung, dafs bei diesem der Wasserstoffgehalt stark vor wiegt. (Analysen XXVIII und XXIX.) Nun wird Eisenmangan zugesetzt und hier durch neben dem Mangan auch Kohlenstoff zu geführt. Die reducirend wirkenden Körper sind nunmehr im Ueberschusse vorhanden, und die Folge ist eine sofortige kräftige Kohlenoxydgas bildung; aber auch hier wird nicht aller Sauer stoff sofort dem Bade entzogen, sondern mit fortschreitender Verdünnung desselben wird auch die Einwirkung der Reductionsmittel immer schwächer und nur ein grofser Ueberschufs der letzteren oder eine lange Zeit fortgesetzte Ein wirkung eines geringeren Ueberschusses derselben würde eine vollständige Beseitigung des Sauerstoffs bewirken können. Durch eine in Glasers An nalen, Bd. X S. 181, veröffentlichte Reihe von Analysen, bei denen ich alle nur mögliche Vor sicht zur Vermeidung von Trugschlüssen an wandte, glaube ich nachgewiesen zu haben, dafs auch nach dem Eisenmanganzusatze das Flufs eisen noch kleine Mengen Sauerstoff neben Man gan und Kohlenstoff enthalten kann. Es findet also auch während des Giefsens und nach dem selben eine fortgesetzte Bildung von Kohlenoxyd statt, und die bei den verschiedenen Eisensorten nach dem Zusatze beobachtete Anreicherung des Kohlenoxydgehalts findet hierdurch ihre einfache Erklärung, ohne dafs man eine vorausgegangene Lösung, Legirung oder Absorption des Kohlen-