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658 Nr. 12. STAHL UND EISEN.“ December 1883. wird. Indessen hat schon Bell in seinen Ab handlungen an verschiedenen Stellen nachge wiesen, dafs es ein Irrthum ist, wenn man glaubt, die gröfsere Höhe eines Hochofens müsse eine Abnahme der Temperatur der Gichtgase bewirken. Er zeigt, wie in dieser Beziehung zwischen den mäfsig hohen und den höchsten Oefen des Cleve land-Distrikts kaum ein Unterschied besteht, und bestreitet schon aus diesem Grunde den Voitheil der letzteren. Uebrigens ist es ja schon dem gewöhnlichen Verstände einleuchtend, dafs in der Frage der Ausnützung der Wärme des im Hoch ofen aufsteigenden Gasstromes die Erhöhung des Erzsatzes und die Verminderung der Menge der aufsteigenden Gase dadurch, dafs ein Theil der für den Hochofen benöthigten Wärmemenge durch erhöhte Windtemperatur an statt durch Verbrennung von Koks beigebracht wird, eine sehr viel wichtigere Rolle spielt als der Ofenraum. Aufserdem ist aber durch die Untersuchungen von Bell und Gruner nachge wiesen , dafs in der mehrerwähnten Reaction 2 CO = G — COg im oberen Theil des Hoch ofens eine Wärmequelle vorhanden ist, welche überhaupt das Herabgehen der Temperatur der Gichtgase unter ein gewisses Minimum unmöglich macht. Damit können wir die Frage des Ofenraums, resp. der Durchgangszeit der Erze verlassen und zu dem zweiten Punkt übergehen, in bezug auf welchen im Eingang gesagt wurde, dafs unsere Wärmeberechnungen besonders lehrreich seien. Es ist dies der Vergleich der Wärmever- theilung beim Betrieb auf Roheisen Nr. 111 und auf Nr. 1. Worin unterscheiden sich diese Be triebe und was ist der Grund dieses Unterschieds? Der Unterschied des Wärmeverbrauchs, soweit derselbe im Unterschied der Eisenqualität be gründet ist, ist in beiden Fällen ein sehr ge ringer und würde nicht dem Unterschied im Koks verbrauch im einen Fall von 125 kg, im andern von 180 kg auf 1000 kg Roheisen erklären, denn er beträgt vermöge des Mehrgehalts von Nr. I an Silicium im einen Fall 70, im andern 54 W.E., was nur einem Mehrkoksverbrauch von 31 beziehungsweise 26 kg entspricht. Der Hauptunterschied ist vielmehr in den wärmeren Gichtgasen und in einem gröfseren Procentsatz der ungünstigeren Reductionsweise des Eisen oxyds, mit anderen Worten einer Mehrreduction von Kohlensäure, zu finden. Es beträgt der Mehrverbrauch an Wärme beim Betrieb auf Nr. I im Gegensatz zum Be trieb auf Nr. 111 : Cleveland Harz durch wärmere Gichtgase ■ • ■ 162 W.E. 257 W.E. durch ungünstigere Eisenreduction . 118 » 101 » durch vermehrte Silicinm-Beduction 70 » 54 » im ganzen ...... 350 W.E. 412 W.E. Hieraus ist deutlich zu erkennen, dafs der Unterschied zwischen beiden Betrieben einfach der ist, dafs beim Betrieb auf Nr. I der ganze Ofen von unten bis oben wärmer gehalten wer den mufs. Die Folge ist also zunächst die, dafs die unten erzeugten Gase keine Gelegenheit finden, ihre Wärme ebenso vollständig an die Füllung des Ofens abzugeben wie beim Betrieb auf Nr. III, der Ueberschufs mufs also in den Gichtgasen zum Vorschein kommen. Zweitens aber wird durch die gröfsere Erwärmung des ganzen Ofens diejenige Zone gröfser, in welcher eine Kohlung der aus der Eisenreduction ent standenen Kohlensäure stattfindet. Hierdurch tritt also der zweite Wärmeverlust ein. Es bleibt also nur noch zu erklären, warum denn die Verbrennungstemperatur beim Betrieb auf Nr. I höher gehalten werden mufs als bei Nr. III. Es giebt zwei Möglichkeiten, welche beide dasselbe Resultat herbeiführen. . Erstens ist es möglich und wird meist angenommen, dafs die Reduction von Kieselsäure eine höhere Tem peratur erfordert als die von Eisen, und dafs daher desto mehr Silicium reducirt wird, je höher die Temperatur im Schmelzraum ist. Dies würde die oben dargestellten Thatsachen des Wärme verbrauchs im Hochofen vollständig erklären, Es ist aber auch möglich — und dies scheint dem Verfasser wahrscheinlicher — dafs in beiden Fällen, beim Betrieb auf Nr. I und bei dem auf Nr. III gleich viel Silicium reducirt wird, dafs aber im einen Fall, beim Betrieb auf Nr. 111 im Moment der Schmelzung ein gröfserer Theil von Silicium durch die in der Schlacke vorhandene letzte Spur von Eisenoxyd verbrannt wird. Bis auf einen gewissen Grad geht sicherlich diese Reaction auch bei Production von Nr. 1 vor sich, aber in einem viel geringeren Grad als bei Nr. III. Es ist nach dieser Anschauung die höhere Tem peratur des ganzen Ofens beim Betrieb auf Nr. 1 nicht deshalb nöthig, weil eine höhere Ver brennungstemperatur erforderlich ist, sondern weil die letzten Spuren des Eisens in den Erzen um so vollständiger reducirt werden, je gröfser die Zone der warmen Reduction, d. h. derjenigen, deren Resultat Kohlenoxydbildung ist, im Hoch ofen ist. In ihrem Resultat kommen jedoch die beiden Anschauungen ganz auf dasselbe hinaus. Einen Grund zum langsameren Arbeiten bei Nr. I als bei Nr. 111 liefert weder die eine noch die andere Theorie. So haben wir denn als Resultat unserer bis herigen Betrachtung festzuhalten: Der gröfsere englische Hochofen bietet dem kleineren deutschen gegenüber zum min desten bei armen Erzen keinerlei Vortheile, und zwar weder Vortheile, entspringend einer günsti geren Eisenreduction;