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December 1883. Nr. 12. 655 „STAHL UND EISEN.“ Folgerungen. Die im Vorhergehenden ausgeführten Wärme- rechnungen der beiden Hochöfen sind vor Allem lehrreich in bezug auf die Frage der zweck- mäfsigsten Ofengröfse und sodann in bezug auf die Herstellung verschiedener Qualitäten von Roheisen. Betrachten wir zuerst die Frage der Ofen gröfse. Es versteht sich von selbst, dafs nur der Ofenraum im Verhältnifs zur Production in Be tracht kommen kann. Wird dieses Verhältnifs nicht berücksichtigt (wie es häufig bei englischen Angaben der Fall ist), so ist es nur eine unter geordnete Frage der besten Ausnützung der Ar beiter, ob man einen Hochofen gröfser oder kleiner macht. Von diesem Standpunkte aus wird inan wohl behaupten können, dafs bei Gie- fserei-Roheisen über eine Leistung von 50 t Tagesproduction hinaus nichts mehrerspartwerden kann, und dafs auch zwischen einem Hochofen von 30 t und einem solchen von 50 t Tages production kein bedeutender Unterschied in den Arbeitslöhnen ist. Die Voraussetzung des Nutzens einer Vergröfserung eines Hochofens geht selten von diesen kleinen Vortheilen aus, man denkt vielmehr stets an eine Brennmaterialersparnifs, wenn man von den Vortheilen grofser Oefen spricht. Stets liegt der Hoffnung auf Ersparnifs durch vergröfserten Ofenraum die Theorie zu Grunde, dafs eine längere Einwirkung der Gase eine günstigere Art der Reduction bewirke. Zu weilen wird auch daran gedacht, dafs die Gase in einem gröfseren Ofen ihre Wärme vollstän diger abgeben. In Beziehung auf diese beiden Möglichkeiten der Koksersparnifs wollen wir nun unsere beiden Beispiele betrachten: Es ist leider Sitte geworden, die Gröfse der Hochöfen nach der Anzahl Cubikmeter Ofenraum pro 1000 kg Tagesproduction zu messen, wäh rend es (wie auch Herr Fehland ausführte) rich tiger wäre, die Durchga n g szeit der Gichten als Mafsstab zu nehmen. Letztere beträgt bei dem Harzer Ofen etwa 24 Stunden, während sie von dem englischen zur Zeit nicht genau bekannt ist, aber früher zu 60 bis 80 Stunden ange geben wurde. Legen wir dagegen den Mafsstab des Rauminhalts an, so haben wir zu consta- tiren, dafs der Ofenraum bei unserm deutschen Ofen je nach Qualität des Roheisens in der Pe riode unserer Beobachtungszeit 4,4 bis 5 cbm betrug, während derselbe beim englischen 8,6 bis 9 cbm ausmachte. Die in der Tabelle für englisches Roheisen Nr. 1 enthaltenen Reductions- verhältnisse beziehen sich sogar auf einen Ofen- raum von 12 cbm pro Tonne Roheisen. Die Unterschiede zwischen beiden Arten von Oefen sind also ziemlich bedeutende, und man müfste erwarten, dafs die Reduction im englischen Ofen I unter sehr viel günstigeren Umständen erfolgt als beim deutschen. Würden wir nun mit Bell annehmen, dafs sämmtliche Kohlensäure des Kalkes reducirt werden mufs, so könnten wir sofort beweisen, dafs im Gegentheil der kleine deutsche Ofen besser arbeitet als der grofse englische. Denn wir haben gesehen: Bei Production von Giefserei-Roheisen Nr. III wird im englischen Ofen eine Quantität Kohlen säure reducirt, welche im Vergleich mit der Kohlensäure des Kalkes 117% der letzteren be trägt, im deutschen Ofen dagegen ist die ent sprechende Quantität nur 87%; bei Production von Nr. I würden die entsprechenden Zahlen im englischen 142%, im deutschen Ofen 1031/3% betragen, und in demselben Verhältnisse erleidet der deutsche Ofen geringeren Wärmeverlust durch das Reductionsgeschäft als der englische. Aus der eben genannten Thatsache, dafs bei Erzeugung von Feinkorn beim deutschen Ofen nicht einmal so viel Kohlensäure im ganzen re ducirt wird, als Kohlensäure in dem Kalkstein der Beschickung enthalten ist, läfst sich nun freilich schliefsen , dafs die Bellsche Voraus setzung unrichtig ist, und dafs zum mindesten 13 % der Kohlensäure des Kalks unversehrt aus der Gicht entweichen. Der Procentsatz der un versehrt aus der Gicht entweichenden Kohlen säure des Kalkes mufs aber jedenfalls gröfser sein, weil sonst nichts übrig bliebe für die Re duction des Eisens im unteren Theil des Hoch ofens (unter Bildung von Kohlenoxyd), deren thatsächliches Vorsichgehen schon durch die beim garsten Betriebe zeitweilig eintretende Färbung der Schlacke bewiesen wird. Sobald sich näm lich Eisen in der Schlacke zeigt, dürfen wir mit Gewifsheit voraussetzen, dafs eine gewisse Menge Eisenoxyd oder Oxydul bis in den untersten Theil des Ofens gelangt, wo eine Reduction nur unter Kohlenoxydbildung stattfindet. Es wäre nun von hohem Interesse für die Theorie des Hochofens, die Menge der aus letz terer Reaction stammenden zu CO reducirten Kohlensäure kennen zu lernen. Denn erst durch diese würde man einen Mafsstab für die Leistung des Hochofens erhalten, der bis jetzt ganz und gar fehlt. Bell rechnet sich zum Mafsstab der Hochofenleistung einen sogenannten Nutzcoef- ficient heraus, der angiebt, wieviel im Hoch ofen nutzbar gemachte Wärmeeinheiten auf die Gewichtseinheit Brennmaterial kommt. Gruner GO- benutzt dagegen die Zahl m = —: als Mafs- UU stab der Ofenleistung. Beide Zahlen können aber nur dazu dienen, zwei Oefen zu vergleichen, welche genau dieselben Erze verarbeiten und genau dieselbe Eisenqualität produciren. Sobald insbesondere die Schlackenmenge verschieden ist, hört der Vergleich auf.