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Marktbericht. Den 29. October 1883. Die Lage des Eisen- und Stahlgeschäfts hat sich im ablaufenden Monat nicht gebessert; es kann da her nicht in Abrede gestellt werden, dafs die Werke mit Aufträgen in mancher Beziehung ungenügend versehen sind und dafs demgemäfs die Beschäftigung zu mangeln beginnt. Da ähnliche Verhältnisse auch in den anderen producirenden Ländern obwalten, da namentlich in England die Lage recht flau zu sein scheint, so ist die Goncurrenz auf dem Weltmärkte erdrückend. Hierbei macht sich nun, wie stets bei rückgängigen Conjuncturen , die ungünstige Lage unserer Industrie in bezug auf die Frachtverhältnisse ungemein fühlbar; denn infolge der weiten Entfer nungen, welche unsere Rohmaterialien in den meisten Fällen bis zum Verarbeitungsplatze zurückzulegen haben, producirt unsere Industrie theurer und das Fabricat wird wiederum durch die weiten Transporte bis zu den Verschiffungshäfen vertheuert. Unter solchen Umständen ist es erklärlich, dafs unsere Werke aufser stände sind, die Verluste auf sich zu nehmen, welche bei den so sehr gedrückten Preisen aus einer Goncurrenz mit den englischen Werken hervorgehen müfsten. Demgemäfs stockt der Export, namentlich für Schienen und sonstiges Eisenbahn material, soweit nicht ältere Aufträge vorliegen, und auch dieses Arbeitsquantum schrumpft von Tag zu Tag mehr zusammen. Nur eine Ermäfsigung der Frachten kann unsere grofse Eisenindustrie bei solchen Zeiten exportfähig erhalten. Dafs unter solchen Umständen auch die Festig keit auf dem Kohlen markte nachgelassen hat, ist er klärlich, denn die matte Haltung auf dem Eisen- und Stahlmarkt konnte naturgemäfs nicht ohne Rück wirkung auf das Kohlengeschäft und auf die Preise für Kohlen und Koks bleiben. Während die Nach frage nach Flammkohlen im verflossenen Monat noch als rege bezeichnet werden konnte, mufs heute eine wesentliche Verminderung derselben constatirt werden, die freilich nicht vermocht hat, einen wesentlichen Einflufs auf die Preise auszuüben. Das Angebot in Kokskohlen und Koks ist, wie bereits seit längerer Zeit, stärker als die Nachfrage; für diese Artikel ist eine weitere Preiseinbufse zu verzeichnen. Das Eisensteingeschäft stockte im ablaufenden Monat fast vollständig, da von den Hüttenwerken nur der nothwendigste Bedarf gedeckt wird. Die Preise sind auf einem Niveau angelangt, auf welchem es namentlich solchen Gruben, welche geringere Qualitäten fördern, kaum möglich sein dürfte, den Betrieb aufrecht zu erhalten. Gerösteter Spath wird in folge dieser Umstände billiger angeboten, während in Somorrostro-Erzen gröfsere Abschlüsse in letzter Zeit nicht bekannt geworden sind, woraus zu schliefsen sein dürfte, dafs eine Preisänderung nicht stattge- funden hat. Aehnlich wie im Eisensteingeschäft ist die gesammte Marktlage für Roheisen. Der Gonsum von Qualitäts- Puddeleisen wird ganz besonders durch die Stockung in der Drahtproduction ungünstig beeinflufst. Das Siegerland hat für sein la. Stahleisen, freilich zu ge drückten Preisen, einigen Absatz im Auslande gefunden und wird dieser Bezirk immer mehr mit seinen besseren Sorten und der vermehrten Production auf das Ausland angewiesen werden; auch hier jedoch hängt der dauernde Absatz gröfserer Quantitäten von einer Ermäfsigung. der Exportfrachten ab. Die nieder rheinisch-westfälischen Hüttenwerke haben ihren bis herigen Gonventionspreis für Qualitäts-Puddeleisen auf recht erhalten. Die Hochofenwerke decken bei diesen Preisen kaum ihre Selbstkosten, und eine geringe Er mäfsigung, welche demgemäfs bereits sicher verlust bringend sein müfste, würde bei der jetzigen Lage der Walzwerke eine Vermehrung der Nachfrage nicht herbeiführen; daher erscheint eine gewisse Stabilität der jetzt bereits so niedrigen Preise vor der Hand wahrscheinlich. Die Nachfrage für deutsches Giefsereieisen ist, soweit gröfsere Posten in Be tracht kommen, noch immer schwach. Man kauft nur, was zur Deckung des Bedarfs für den Augenblick oder für einen kurzen Zeitraum nöthig ist, und für solche Fälle ist die Nachfrage resp. der Versandt etwas besser geworden. Da die älteren Abschlüsse nach und nach immer mehr ablaufen, so ist der stärkere Begehr für kleine Posten erklärlich und er wird voraus sichtlich für die nächste Zeit noch stärker sein, weil die Eisengiefsereien fast durchweg ziemlich gut be schäftigt sind. Englisches Bessemereisen ist weiter im Preise gesunken. Gute Westküst-Brände werden zu 47 sh. offerirt und stellen sich also zu 53/6 cif Rotterdam. Luxemburger Eisen ist vom Syndicat zu 47 fres. bereits verkauft worden. Die Lage des Stabeisengeschäfts ist ziemlich unverändert geblieben. Wenn zur Zeit gröfsere Ab schlüsse auch nicht gethätigt werden, so genügen doch die einlaufenden Aufträge für directen Bedarf in den meisten Fällen zur Deckung des Arbeitsquan tums, und der letzte Monatsausweis zeigt in dieser Beziehung günstigere Ziffern, als sie von manchen Seiten erwartet sein dürften. In Grobblechen laufen neue Aufträge nur spär lich ein und die Preise sind ungemein gedrückt; der Absatz nach Frankreich hat fast ganz aufgehört, da, abgesehen von der auch dort gedrückten Geschäfts lage, die principielle Ausschliefsung deutscher Fabricate enorme Fortschritte macht. In Feinblechen ist der Absatz zwar rege, die Preise haben aber dennoch nachgeben müssen. In Eisen- und Stahldraht will eine durch greifende Besserung noch immer nicht eintreten. Be sonderes Interesse erregt zur Zeit die amerikanische Zollfrage, resp. die kürzlich erfolgte authentische Decla ration des Zolltarifs, wonach Eisenwalzdraht nicht 12/10 Cts., sondern nur 6/10 Gts. per 1b. zu zahlen hat. Nach Berichten von drüben wird dieser Ent scheidung dort eine gröfsere Bedeutung beigelegt, als sie verdient, wenn auch ein einigermafsen günstiger Einflufs davon auf die diesseitige Marktlage zu er warten sein dürfte. Die Eisengiefsereien sind, wie bereits be merkt, ziemlich gut beschäftigt, insbesondere gilt dies von gröfseren Giefsereien, die mit Maschinen fabriken verbunden sind, denn letztere sind gut, viele sogar für längere Dauer angestrengt beschäftigt, ohne dafs eine Abnahme des schon lange Zeit hin durch stattgehabten Bedarfs in Maschinen für Bergbau und andere Industrieen wahrnehmbar ist. Das Geschäft in Eisenbahn material für den Export ist eingangs wohl genügend charakterisirt. Der letzte Monat brachte zwar einige gröfsere aus ländische Submissionen, die Resultate waren jedoch sehr ungünstig, da, um das dringendste Arbeitsbedürfnifs zu decken, Offerten zu verlustbringenden Preisen ab gegeben werden mufsten. Die erheblichen inländischen Submissionen, welche im Laufe des Monats vorge kommen sind, können natürlich bei der grofsen Pro- ductionsfähigkeit der Werke für die Beschäftigung nicht genügen.