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schiffbau hätte nehmen müssen. So aber waren die deutschen Interessen wesentlich von einem ausländischen Classifications - Institute abhängig, welches erst in der Neuzeit als »internationale Gesellschaft« für Classification von Seeschiffen sich constituirte. Und diese Gesellschaft (»Veritas«) hielt ein nationales Streben unserer deutschen Rheder nieder und tyrannisirte diese und den Schiffbauer in nicht zu rechtfertigender Weise durch ihre zum Theil recht unsinnigen Vor schriften. Erst durch die Gründung des »Ger manischen Lloyd zur Besichtigung und Classi- ficirung von Seeschiffen«, Mitte der sechsziger Jahre dieses Jahrhunderts, wurde jener, bisher absolut souverän dastehenden Gesellschaft ein heilsames Gegengewicht geschaffen. Die Vor theile dieses neuen deutschen Instituts äufserten sich zunächst dadurch, dafs sich jene fremde Gesellschaft gezwungen sah, ihre theilweise ab surden Bestimmungen einer eingehenden Revision zu unterwerfen und sich zu reorganisiren. Sich selbst sogleich Geltung und Ansehen zu verschaffen, dazu fehlte es dem jungen deutschen Institute in dem schweren und ungleichen Kampfe an der nöthigen Unterstützung. Erst als Herr von Stosch an die Spitze der Marineverwaltung berufen wurde, erhielten diese Verhältnisse eine günstigere nationale Wendung. Unterstützt und angeregt durch tüchtige Marine-Ingenieure ist es seiner Willenskraft gelungen, es endlich dahin zu bringen, dafs nur die einheimischen Privat werften mit dem Bau von Kriegsschiffen betraut wurden, und dafs zu dem Bau der letzteren nur vaterländisches Material verwendet wurde. Und dieses Vertrauen, welches die Regierung der ei genen Schiffbau- und Eisenindustrie entgegen brachte, hatte seine erfreuliche Rückwirkung auf die betheiligten Privatkreise. Nicht allein wurden die deutschen Werften mit Aufträgen überhäuft, es gestalteten sich auch die Conjuncturen so günstig für diese einheimische neue Industrie, dafs viele neue Werften ins Leben traten, mit Erfolg arbeiten konnten und gegenwärtig sogar reichlich Beschäftigung finden. Aber mancherlei Schwierigkeiten waren zu überwinden, bevor dieses Ziel erklommen werden konnte. Die deutschen Hüttenwerke lieferten zwar durchschnittlich ein besseres und zuverlässigeres Material als die englischen, aber dies genügte noch keineswegs den Anforderungen, welche für Kriegsschiffbauten zu erfüllen waren. Für diese wurden ganz besonders hohe Qualitätsbedin gungen gestellt. Unsere Eisenindustrie erfüllte jedoch nicht nur sehr bald diese Bedingungen, hat sich neuer dings sogar zu einer Leistungsfähigkeit empor geschwungen , welche auch noch höheren An sprüchen zu genügen vermag. Während es den deutschen Werken anfangs Schwierigkeiten bereitete, Eisen von 35 kg pro qmm Zugfestigkeit bei 5 % Ausdehnung zu fa- briciren, liefern sie jetzt Eisen, welches bequem 36 bis 40 kg Zugfestigkeit pro qmm erreicht, bei 15 bis 20 % Verlängerung. Dem englischen Eisen für Schiffbauzwecke wird eine Festigkeit von 32 kg bei 3 bis 4 % Ausdehnung zugeschrieben, und man hält dies für ein constantes Product. In Wirklichkeit ist dem aber nicht so. Jenes Material lallt sehr ungleich aus, und Fairbain, der infolge des Untergangs vieler Dampfer der englischen Handelsflotte sich veranlafst sah, das selbe genauer zu prüfen, hat aus Platten, die für die Aufsenhaut von Schiffen bestimmt waren, sehr ungleichmäfsige Resultate erhalten. Er hat aus ein und derselben Platte Probestücke von verschiedenen Stellen untersucht und gefunden, dafs dieselben in ihrer Bruchfestigkeit zwischen 32 bis 8 kg pro qmm sich bewegten, bei 0 bis 4 % Verlängerung. Es liegt auf der Hand, dafs ein zähes und festes Material gröfsere Sicherheit bei Seeunfällen gewährt, als hartes und sprödes, und häufige Thatsachen bestätigen dies. Schiffe, aus deutschem Eisen hergestellt, blieben bei Grundberührungen absolut dicht und konnten noch den nächsten Hafen erreichen, während die aus englischem Material erbauten, unter gleichen Strandungsverhältnissen verloren gingen, oder be deutende Leckagen aufwiesen. Auch in England weifs man in Fachkreisen die bedeutenden Vor theile, welche ein besseres Material bietet, sehr wohl zu schätzen. Dem Stahl wird dort zur Zeit allmählich ein gröfseres Vertrauen entgegen gebracht, als dem eigenen Eisenmaterial. Alle bedeutenden Fachleute betonen die Vor theile und weisen auf die gröfsere Sicherheit hin, welche ein besseres Material bietet. Englisches Schiffbaueisen von der Qualität, wie sie gewöhnlich im Handel geliefert wird, ist so unzuverlässig, dafs Platten und Winkeleisen öfters schon beim Abladen zerspringen. Risse in den Lochungen und Zerspringen beim An schrauben sind nichts Seltenes. Häufig brechen die Platten schon in der Walze. Zu Heck- und Kielplatten verwendet man überhaupt schon mit Vorliebe deutsches Material. Die Schiffsbesichtigungs-Institute, mit Aus nahme des Bureau Veritas und des englischen Lloyds, gestatten ferner bei Verwendung von bes serem Material einen Nachlafs in den Stärkedi mensionen, welcher bei,dem deutschen 5 bis 7° beträgt. Solche Gewichtsersparnisse verringern natürlich den Preis für das zu liefernde Schiff, weil sie geringere Gewichtsmengen von Material erfordern; und dennoch erhält der Rheder ein besseres und zuverlässigeres Schiff. Es kommt noch hinzu, dafs selbst der ungeübte Arbeiter ein gutes Material weit leichter zu verarbeiten imstande ist, als ein schlechtes, sprödes. Der Aufwand an Arbeitslohn ist daher ein geringerer.