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Dresdner Journal : 09.03.1884
- Erscheinungsdatum
- 1884-03-09
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id480674442-188403091
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id480674442-18840309
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-480674442-18840309
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Dresdner Journal
-
Jahr
1884
-
Monat
1884-03
- Tag 1884-03-09
-
Monat
1884-03
-
Jahr
1884
- Titel
- Dresdner Journal : 09.03.1884
- Autor
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«b, Frhr v M«»tz«hn.»Sttz: S» lange dieser Reich«, tag rxiftirt, ist nach dessen Geschäsl»ordnung für eine derartige Crtlaiung kein Raum, zumal über einen Beschluß gewesen, der mit noch nicht einmal officiell bckannt gemacht worden ist, Wenn der Abg Hänel sagt, e« rxistire ein Mangel in den Sitten unser« Hause« (Blocke de« Präsidenten), so constaNre ich, daß diese Lücke nicht besteht und daß die Linke versucht hat, unsere Erklärung nieder zu schreien. (Sehr gut! recht«. Lärm.) Abg. Richter (Hogen): Wenn sich die Rechte hier auf dieBeschästdvrvnung berust, so constatire ich, daß sie durch die Verlesung diese selbst verletzt hat Die Beschäslsordnung diese« Hause- Hai sich au« den guten Sitten desselben herausgebildet. Wir werden in Zukunft ebenso versahren, wie e« heute die Rechte gethan, legen aber gegen rin solche« Vorgehen Protest ebenso ei», wie grgen dia unbesugt» Einmischung de» Kanzler«. (Großer Lärm.) Staaltsrerrtär » Bötticher: E« ist hier eben von einem „unbesugtrn Einmischen" de» Hrn. Reichskanzlers gesprochen Ich erkläre aber, daß mir von emem solchen nicht« bekannt ist. ;BeisaU r-chl». Lochen link» ) Wenn der Hr. Reichskanzler angegangen worden ist. die Resolution de» amerikanischen Re präsentantenhauses diesem Hause nntzutheilen, und wenn er da« gethan, wat er zu thun sür Recht sand, so untersteht die Kritik dieses Verfahrens weder diesem Hause, noch einem ein zelnen Mitglied! dtSselben. (Lärm link« Beijall rechts) Ich lege hiermit Verwahrung ein gegen eine Kritik des Verfahren des Hrn. Rrich-kanzler». (Beifall recht«! Lärm und Zischen link«) Abg. 0r. Braun (Wiesbaden): ES ist nicht wunderbar, wenn die Wogen jetzt hier hoch gehen Die GeschäftKordnung diese» Hauses ist au- der de- AbHeordnetenhause» entnommen. In demselben hat aber am r.April lSüd, al- Richard Cobden gestorben war, Iuliu« Faucher jenen Todten gefeiert. Provo- ciren Sie mich alfo nicht, daß ich Vergleich: anstelle. Präsident v. Levetzow: Ich bitte den Abgeordneten, nicht von Neuem zu provociren Abg. Or. Braun (Wiesbaden): Ich werde die Nutzanwen dung sosort machen. DaS HauS drückte damals seine Sum- pathien au- und keine Partei sand darin etwa» Unstatthafter oder GeschäftSordnung-widrigeS Abg. Frhr v. Maltzahn-Gültz: Ich muß dabei stehen bleiben, daß wir uni nicht aus Vorgänge im preußischen Ab- geordnetrnhause berusen dürfen, sondern nach unserer Geschäftsord nung versahren müssen. Wenn Hr. Abg. Richter Schritte thun will, derartige Erklärungen gegen die Geschäftsordnung hier abzugeben, so verspreche ich ihm ebenso, daß wir immer wider sprechen werden. (Beisall rechts.) Abg. Richter (Hagen): Dem Hrn. StaatSminister v. Böt ticher gegenüber erkläre ich daß wir hier das Recht haben, jede amtliche Handlung deS Reichskanzler- unserer srcirn Kritik zu unterwerfen, und daß es ganz glrichgiltig ist, was er dazu un- gegenüber bemerkt. Abg. Ur. Möller (auf die von der Tribüne wehende Fahne, ein Geschenk der Damen von New-OrleanS, weisend): Meine Herren! Blicken Sie nach oben auf die Fahne, die daS deutsche Parlament (Große Unruhe, Glocke de-Präsi denten. Präsident v. Levetzow ermahnt den Redner, bei der Geschäftsordnung zu bleiben.) Da der Gegenstand damit verlassen wird, und die Tagesordnung erledigt ist, setzt der Präsident die nächste Sitzung aus Mittwoch 11 Uhr an. Tages ordnung: Uebersichten und Rechnungen, Convention mit Luxemburg, Gesetz über den Feingehalt von Gold- und Siberwaaren. Schluß 3 Uhr 5 Minuten. Dresdner Nachrichten vom 8. März. — Den Ständen ist ein neues königl. Decret zugegangen über den Entwurf eines Gesekes, die Be- fugniß zu Ausschließung säumiger Abgabenpflichtiger von öffentlichen Vergnügungsorten betreffend. Aus dem Polizeiberichte. Das königl. Mini sterium des Innern hat auf erstatteten Bericht der Polizeidirection beschlossen, dem Droschkenkutscher Hein rich Ferdinand Auerbach hierselbst aus Veranlassung des Umstandes, daß derselbe nunmehr 25 Jahre hin durch ununterbrochen im Dienste des Berge'schen Fuhr werksgeschäfts gestanden und sich hierbei durch Ge wissenhaftigkeit und Wohlverhalten ausgezeichnet hat, eine außerordentliche Gratification von 5-0 M. zu bewilligen. Dieser Betrag ist dem Genannten gestern unter geeigneter Ansprache in Gegenwart seines Dienst herr» an Polizeistelle eingehändigt worden. — In der Person eines am 5. d. Mts. -wegen Verübung eines Pretiosendiebstahls bei einer hiesigen Familie fest genommenen 2 l Jahre alten, mehrfach bestraften Mäd chens ist durch die angestellten Erörterungen nachträg lich dasjenige Frauenzimmer ermittelt worden, welches seit etwa September vor.J. in der Stadt eine größere Anzahl von Herrschaften, bei denen sie Dienst oder Aufwartung gesucht hatte, um eine bedeutende Menge von Kleidungsstücken, sowie Werthsachen bestohlen hat. — Am I. d. Mt». hat ein 9jähriger Knabe, dessen Personfeststellung erst jetzt gelungen, auf den rechten Schienenstrang der Gürlitzer Eisenbahnlinie in der Nähe der Tannenstraße eine leere Blechbüchse und 5 faustgroße Steine gelegt. Ein Bahnwärter wurde darauf aufmerksam und beseitigte dieselben rechtzeitig. — Verwichene Nacht ist von dem Bahnhofswächter Hötzel ein in den Weißeritzmühlgraben gefallener Mensch auf Hilferuf in ziemlich erstarrtem Zustande kurz vor der Wagenreparaturwerkstätte des Central bahnhofes aus dem Wasser gerettet worden. Der Verunglückte wurde später dem Stadtkrankenhause übergeben. — Am 6. und 7. d. Mts. fand im Vitzthum'- schen Gymnasium die Reifeprüfung unter Vorsitz des königl. Prüfungscommissars, Prof. Or. LipsiuS von Leipzig, und in Gegenwart Sr. Ercellenz de» Administrators Grafen Vitzthum v. Eckstädt und des Geh. Raths Or. jur. Freiesleben Statt. Es wurden 20 Oberprimaner geprüft, welchen sämmtlich das Reife- zeugniß ertheilt wurde; und zwar erhielten 2 die Censur Ib, 5 Ila, 3 u, 2 Hb, 3 Illa und 5 III. — Im Locale des sächsischen Kunstvereins auf der Brühl'schen Terrasse (geöffnet an den Wochentagen außer Donnerstags von 10 bis 4, Donnerstags von 10 bis 1, Sonntags von II bis 3 Uhr) sind ferner neu aufgestellt: I. Oelgemälde. Bitdniß in hal ber Figur von Teich-Hanfstängl; Damenbrustbildniß von Selma Minckwitz; Genrebild von vr. Ernst Stückelberg (Basel); Landschaften von Max Fritz, Schenker und Wex (München); Thierbild von Guido Hammer; Fruchtbild von Thusnelda Scheuffler. — U. Aquarelle, Zeichnungen. 5 Bl. Genrcfiguren, Aquarelle von O. v. Alvensleben; 2 Miniaturbildnisse auf Elfenbcin von Günther Neidisch (Plauen b. Dres den); „Weihnachten", Aquarelle von Stichart; Bildniß, Kreidezeichnung von Bernh. Wagner. — III. Plastik. Reliefbkldniß in Gyps, modellirt von Friedr. Hecht. — An dem auf künftigen Freitag fallenden Buß tage veranstaltet die Robert Schumann'sche Sing akademie in der Dreikönigskirche zu Neustadt zum Besten des Fonds zur Bekleidung armer Confir- manden der Neu- und Antonstädter Kirchengemeinden unter Leitung des Musikdirectors Cantors Friedrich Baumfelder eine Aufführung des Mendelssohn'schen Oratoriums „Paulus", welche durch die solistische Mitwirkung des Frl. Malten und des Hrn. Gudehus ein erhöhtes Interesse gewinnt und der Theilnahme des Publicums empfohlen sei. VV. Der christlich-sociale Verein hielt gestern Abend in Striesen im Gasthofe „Zum Grafen Thun" eine öffentliche Versammlung ab, die außerordentlich zahlreich besucht war. Das Thema des Vortrags, den Pastor Seidel hielt, war: Der Arbeiter stand und die Socialreform. Redner begann feine Ausführung mit dem Hinweise aus die traditionelle Eintheilung des Volks in Adel, Bauernstand, Bürgerstand und, als neuesten, den Ari eitcrstand. Wenn der erstgenannte Stand durch althergebrachte Privilegien ausge zeichnet war. die ihn heute zumeist nicht mehr vor dem Bürger stande bevorzugen, so ist der Bauernstand wohl als der älteste der Untergrund der Gesellschaft und es müsse also besonders Alles geschehen, um ihn zu schützen Seit Anfang dieses Jahr hundert- habe der dritte Stand, der bürgerliche, dessen Kern das Gewerbe und das Handwerk sei, große Krisen durchzu machen gehabt, weil ihm durch die Großindustrie die Con- currcnz außerordentlich erschwert worden. Als vierter Stand habe sich endlich der freie Arbeiterstand entwickelt, der ein Kind der Dampskrast sei und der Diener der Maschine auf welcher die Großindustrie beruhe. Dieser Arbeiterstand sei relativ selbstständig, entgegen den Gewerbegesellen und Ge- hilsen. Dafür haben die letzteren die Hoffnung aus wirkliche Selbstständigkeit, wenn sie Meister werden; diese Hoffnung werde den Arbeitern selten oder nie, sie heirathen und sterben zumeist als Arbeiter. Die sociale Frage fei nun tie, wie den Arbei tern eine sichere und beiriet igende Existenz zu schaffen sei. Um zu beleuchten, wie dies zu geschehen habe, bedürft e- einer nähern Betrachtung des Arbeiierstandes und seiner Lage DaS manchesterliche Princip sei die Lehre vom freien Spiel der Kräfte, von der Concurrenz, deshalb müsse die Großindustrie so billig wie möglich arbeiten, daher aber müsse sie auch billige Arbeiter haben; sie bezahlte die Arbeiter also mit so wenig Lohn wie möglich, wobei es ihr gleich sei, ob der Arbeiter damit auskomme oder nicht. Mit dem Steigen der Nachfrage nach der Waare steigere sich auch der Lohn der Arbeiter und ebenso sei das Gegeniheil der Fall, so daß bei einer Krisis der Lohn bis aus ein völlig ungenügendes Mini mum herabsinken könne, wodurch der Arbeiter schutzlos der Krisis des Markts unterliege Dies sei der erste Nothstand. Die hinzukommende Frauen-und Kinderarbeit sühre seiner eine Ausbeutung des Arbeiters herbei, derselbe verliere dadurch sein Menschenbewußtsein und fein Familienleben. Dies sei der zweite Nothstand. Hiermit hänge aber gleichzeitig der dritte Nothstand zusammen, nämlich der, daß der Arbeiter unter den schon bejchnebenen Verhältnissen nicht in der Lage sei, in Krankheits-, Jnvaliditäts- und Alierssällen sür seine Zukunft zu sorgen. Wenn der Arbeiter sein Vermögen, seine Arbeit, verliere, so müsse er seinen kleinen Besitz drangeben und werde in seiner wirthjchastlichcn Existenz ruinirt, so daß er Mießlich der öffentlichen Armenpflege zur Last sollen muffe. Hier ein zutreten, sei Sache der Socialresorm. Daß diefe Uebelstände vorherrschen, das erkenne die christlich-sociale Partei ebenso an, wie die socialdemokratische; allein sofort trennen sich nun beide Parteien in der Bcurtheilung der Gründe dazu und dem Wege der Abstellung derselben Die christlich sociale Partei sehe den Grund in dem Manchesterthum, die Soclaldemokratie in dem Privatcapital. Letztere sei nun der Ansicht, daß das Capital gar nicht ander« handeln könne, wie e« thue, deshalb müsse e« gebrochen werden Die Soeialdemokraiie wolle den Staat zu einer allgemeinen Productioaenoffenichast machen, dazu haben aber ebenso wenig die Capitalisten, wie befonderS die bäuerlichen Grundbesitzer und die Burger Lust Deshalb suchen die Socialdrmokraten alle Besetze zu hintertreiben, welche gerade den Bauern- und Bürgerstand zu kräftigen geeignrl sind Sir glauben, daß ihr Sieg halb und halb von selbst kommen werde da sie der Hoffnung find, daß durch daS Groß kapital der Bürger- und Bauernstand bald ruinirt und der selbe dann zur Socia'.demotratie übergehen werde. WaS dem Arbeiter eine besfere Loge geben könne, sei allein eine gesetz liche und planmäßige Socialresorm aus staatlichen und sitt lichen Grundlagen, wie sie inaugurirt werde durch die kaiferl. Botschaft vom 17. November 188t und zum Theil durch da- Krankencasftngesetz auSgcführt sei, durch da» in Aussicht gcnom- nirne UnsallversicherungS- und da- Alters- und JnvaliditätS- verlichcrungSgefttz aber angestredt werde Denselben Zweck verfolgten die Verbote der Kinderarbeit in Fabriken, die Be schränkung der Frauenarbeit in denselben und dir Sonntags- gefetzgebung. DaS Ideal derselben endlich würde die Einsüh- rung eine- NormalarbeiiStagS sein, was aber nur durch eine internationale Bestimmung geschehen könne, da sonst rin Staat mit dem andern die Concurrenz nicht aushalten könne. Redner spricht aber die Hoffnung auS, daß Deutschland selbst vielleicht im Vereine mit Amerika und England in dieser Frage Vor gehen würde Es müsse aber zu dieser socialen Resorm auch eine sittliche Reform unserer Gesinnungen und Anschauungen hinzukommen, Jeder müsse sich seiner Pflicht bewußt fein, ihr mit Fleiß, Treue, Genügsamkeit, Ordnungsliebe und Sparsam keit nachkommen, vor allen Dingen aber im Falle der Noth das Gottvrrtrauen behalten. Auch hätten die Besitzenden Ver pflichtung, ihren Reichthum zu Gunsten auch ihrer Mitmenschen unter Würdigung der Person des Bedürftigen zu verwenden. Es habe somit Jeder an sich und durch sich ein Stück der so cialen Frage zu lösen Der Vortrag fand den ungetheilten Beifall der Zuhörerschaft, und es schloß sich nach kurzer Panse eine Fragedebatte an, bei welcher eine rege Betheili- auna sicb kundaab. — In der Musikakademie von B. Rollfuß beginnen die Unterrichte für das Sommerhalbjahr Dienstag den I. April d. I. (Vgl. umstehend die In serate.) — Im Jnseratentheile unserer heutigen ersten Beilage befindet sich eine Bekanntmachung des Direktoriums des Vereins „Asal sür obdachlose Männer", be treffend die zum Besten dieses so wohlthätig wirkenden und der allseitigsten Unterstützung würdigen Asyls veranstaltete Silberlotterie (25,000 Loose L 1 M>. Wir machen auf diese Lotterie, sowie auf die von der Firma Heinrich Mau gelieferten und in dem Schau fenster ausgestellten Gewinne noch besonders auf merksam. OI Director Mellini bietet in der neuesten Aus wahl seines reichen Hauptprogramms abermals eine Reihe der interessantesten Piecen, welche allabendlich von denl dicht gefüllten Hause mit großem Beisalle ausgenommen werden. Große Heiterkeit bei Jung und Alt erregen die tanzenden Zappelmänner, welche in ihrer Originalität Jedermann in Erstaunen setzen müssen. Die anderen Nummern, wie die wandernde Steinflasche, der Uhrmacher in der Hölle, die Elektricitat eines Eies, der Glaskasten oder die fliegenden Billard kugeln, die indische Kiste oder der unverwundbare Mann, die Klopfgeister und der Musikant in der Trommel, sowie die agioscopischen Darstellungen Pracht voller Welttableaux werden durch Hrn. Mellini in der bereits wiederholt an diesem Künstler anerkannten Eleganz zur Anschauung gebracht. Auf die für morgen (Sonntag) Nachmittags arrangirte Kindervorstellung sei besonders aufmerksam gemacht. L. Nachdem während der letzten Tage die Schlitten bahn im Erzgebirge nur noch auf dem Gebirgs kamme selbst, sowie auf den nächstgelegenen Höhen- zügen im Gange war, ist dieselbe dort von heute ab selbstverständlich überall wieder perfect geworden, da es nicht nur in der verflossenen Nacht, sondern auch während der ersten Vormittagsstunden des heutigen Tages aufs Neue stark geschneit hat. Auch hier im Elbthale ist der Schneefall von HN Uhr an gar kein unerheblicher gewesen, und die Zugthiere der Pferde bahnwagen z. B. hatten schwere Arbeit. prominialnnchrichtcn ^0 Leip.ig, 7. März. Heute Vormittags verschied hier der Nestor der medicinischen Facultät an hiesiger Universität, Geh. Rath Prof. Or. meä. Radius, im Alter von über 85- Jahren. Nicht weniger, als volle 62 Jahre gehörte I)r. Radius actw der hiesigen Hoch schule an (er promovirte im Jahre 1822), und es war ihm vergönnt, nicht nur das goldene, sondern auch das diamantene Doctorjubiläum zu erleben, und zwar in seltener Körper- und Geistesfrische. — Die Leipziger Schützengesellschaft hat mit Schluß des vorigen Jahres das 441. ihres Bestehens zurückgelegt. Der darüber ausgegebene Jahresbericht weist eine Theil vorweg von Dem, was die plastische Kunst ja überhaupt, ihrem eigensten Wesen nach, der Mensch heit geben soll: eine beruhigt auf das Beharrende, auf daS Ewige gerichtete Stimmung. Von dem Ergehen der fürstlichen Familie hatte ich hin und wieder Kunde erhalten. Ihr schönes Besitz thum war bei den Durchmärschen der aus dem Süden mihmuthig heimkehrenden Armee stark mit Einquar tierung belegt worden, und der Umstand, daß der italienische Ursprung der Fürstin und die nur zur Hälfte deutsche Abkunst deS Fürsten kein Geheimniß bleiben konnte, gab zu manchen Verdrießlichkeiten An laß. Aber während solcher Art Villa Speranza trotz der österreichisch-patriotischen Gesinnung deS Fürsten, von einem mißtrauischen kaiserlichen Offizier mit dem Spionentitel Villa Spia belegt wurde und diese üble Bezeichnung nicht wieder los zu werden vermochte, kam daS in Udine aelegene Stammschloß der Fürstin in Gefahr, zu Gunsten eines der „siegreichen" italie nischen Generäle sequestrirt zu werden. Die fürstliche Familie, der dieSseit» der Alpen ihr angethanen Ver dächtigungen ohnehin müde, hatte daher gleich nach Abschluß deS Frieden» ihre Uebersiedelung nach Udine vollzogen, und im Besitz de» Palastes wartete sie nun ab, war weiter in der erwähnten Richtung etwa gegen ihre verbrieften Rechte geplant werd«. Ich kann schon hier sagen, daß dieser beherzte Schachzug die Sequester partei matt gesetzt hat, und daß von jener Beraubung nie wieder ernstlich die Rede gewesen ist. WaS Balsams an Kriegsfährlichkeiten bestand, er- uhr er erst Wochen nach dem Einstellen der Feind- eligkeiten. Und zwar meldete mir» der Fürst auS idmr, «ahm ein Kamerad Balsams'» aas dessen An ¬ laß aus einem der böhmischen Lazarethe geschrieben hatte. Der Fürst bat mich zugleich, da er selbst nicht abkommen könne, seinen „Sohn" aufzusuchen und Alles für ihn zu thun, was sich irgend für ihn thun lasse. Die Cholera war kurz zuvor in verheerend epide mischer Weise in Böhmen eingezogen, und ich bekenne, daß ich einige Tage verstreichen ließ, ehe ich mich entschloß, dieser mir immer in hohem Grade unheim lich gewesenen Menschenfresserin in den Rachen zu reisen. Aber zuletzt reiste ich doch und führte auch den Auftrag des Fürsten wenigstens in so weit aus, daß ich die Erlaubniß erwirkte, Balsamo in eins der Wie ner Lazarethe überführen zu lasten — zwar ein miß liches Unternehmen, da er durch den Stich einer Ula nenlanze schwer verwundet worden war, in Ueberein stimmung jedoch mit Balsamo's Wünschen, da jeder irgend Transportfähige damals der verpesteten Luft Böhmens zu entfliehen suchte. WaS ich dann in Wien im Laufe der nächsten Monate über die Seelenzustände deS jungen Menschen ermittelte, war nicht viel. In der ersten Zeit konnte er nicht reden — der Stich hatte die Lunge getroffen — und ich sah auch ein, daß eS meine Pflicht war, ihn vor Allem vor Ge müthserschüttemngen zu behüten. Dann hatte der Fürst es ermöglicht, in Begleitung der wieder genese nen Alma nach Wien zu reisen. Nachd m ihn jedoch Beide einige Male im Lacareth besucht hatten, war der Arzt genöthigt gewesen, den Patienten wegen auf fallender Verschlimmerung seines Befindens für längere Zeit von allen Besuchern abzusperren, so daß der Fürst mit seiner Tochter nach Udine zurückkehrte. Auch ich durfte den Kranken lange Zeit nicht sehen. — Erst spät ist es mir solcher Art möglich gewesen, eine Art Gedankenaustausch mit ihm zu versuchen und der früher unt r uns gepflogenen Vertraulichkeit — wir dutzten uns — von Neuem die Wege zu bahnen. Worauf eS mir ankam, das war begreiflicher Weise zunächst die Frage, warum er der echte Benedict zu sein be zweifle. Daß er solche Zweifel geäußert habe, durste ich ihm aber, gebunden durch mein an Berenice gegebenes Versprechen, nicht sagen. Ich griff daher nach dem Strohhalm jener Spurfährte und ließ durchblicken, daß della Porta drum und dran sei, einen andern Benedict aus dem Dunkel hervorzuziehen. Bei dieser Nachricht glänzten die Augen Balsamo's hell auf. Gleich darauf zog aber wieder die Wolke der Schwermuth über feine Stirn. „Und was dann?" fragte er kleinmüthig. „Nun", sagte ich, „dann mußt Du freilich zu Dei nein alten Schutzpatron, dem heil. Michael, zurück kehren, und statt Benedict Fürst C. heißt es bei Deiner Trauung dereinst Lieutenant oder Rittmeister Balsamo Michele; aber hast Du sonst Deine Schuldigkeit ge than, so wirst Du Dir in des Kaisers Rock und auf Deinem lustig wiehernden Hufarenrappen darum nicht schlechter vorkommen, als Derjenige, der den Fürsten Vater nennen kann; nun, und denke ich weiter, wie gern ein junger Bursche nach hübschen Mädchen aus- schaut und wie sehr wenige Mädchen hübscher sein mögen, al» Alma oder Berenice, da möcht ich Dir wohl gar bei einer solchen Wendung Deines Schick sal» Glück wünschen." (Fortsetzung folgt.) 7) Mitgliederzahl von 362 und ein Vermögen von 170 142 M. nach. In letzter« figurirt der m weiten Schützenkreisen bekannte Silberschatz der Gesellschaft mit einer Summe von 5973 M. § Cbemmtz, 7. März. In der gestrigen öffent lichen Sitzung bewilligte das Stadtverordneten collegium für mehrere öffentliche Bauten, den An trägen des Rathes entsprechend, bedeutende Summen, nämlich 15000 M. zu einer Schleusenanlage in der Wiesenstraße, 42 5,81 M. zur Herstellung der entlang der Bernsbach weilerzuführenden Straße, 7O<>oo M. zur Beschleusung der Zwickauer Straße, 10 5,40 M. zur Herstellung der Ritterstraße, justificirte eine Mehr zahl abgelegter Rechnungen und erledigte noch einige weitere Berathungsgegenstände. — Allem Anscheine nach wird die Bau tust in diesem Jahre eine recht rege werden. Am Johannisplatze und in der Lange- straße werden eine Mehrzahl alter Häuser abgebrochen werden, und werden an Stelle derselben neue, dem be treffenden Stadttheile zur Zierde gereichende Gebäude entstehen. Auch in anderen Stadtheilen sind sehr viele Neubauten auf roher Wurzel projectirt. Freiberg, 7. März. (Fr. Anz.) Eine ganz be sondere hohe Ehre ist dem hiesigen Militärverein Kameradschaft zu Theil geworden, indem Se. Majestät der König huldreichst zu der in nächster Zeit stattfindenden Feier des 18 jährigen Bestehens ein Fahnenband in der Landessarbe, sowie einen Fahnen nagel mit dem allerhöchsten Namenszuge durch daS Kämmereramt Sr. Majestät dem Vorsteher des Ver eins zugeheu ließ. Vermischtes. * In Verona producirt sich die Kunstreitergesell schaft Zavatta. Wie die meisten dieser Gesellschaften schließt auch sie jede Vorstellung mit der Aufführung einer Pantomime oder einem heitern Intermezzo. Und dies war auch am vergangenen Sonntag der Fall, an welchem der Schluß der Production das Intermezzo „Der Kartenspieler" bildete. Einer der Reiter zog bürgerliche Kleidung an und nahm seinen Platz im Publicum ein. Im gegebene» Augenblicke, nachdem er jchon früher die Aufmerksamkeit durch sein Benehmen auf sich gezogen hatte, stürzte er in die Mitte der Manage, stellte sich betrunken und verlangte in skandalsüchtiger Weise ein Pferd zum Reiten. Da ihm die Erfüllung seines Wunsches verweigert wird, beginnt er mit den Reitknechten eine förmliche Keilerei. Bis zu diesem Punkte nun wurde daS Intermezzo programmmäßig durchgesührt. Da plötzlich springt auch ein Carabiniere in die Manege, drängt sich zwischen. die Streitenden, und das Publicum, in der Meinung, daß auch der Carabiniere programmmäßig sei, applau- dirt frenetisch. Dem war jedoch nicht so; der Cara biniere war echt und nahm den Beifall des Publicum» als Aufmunterung und wollte nun mit Gewalt den „Störenfried" verhaften. Es bedurfte der ganzen Be- redtsamkeit des Circusdirectors und seines Personales, den pflichteifrigen Carabiniere zu überzeugen, daß der ganze „Zwischenfall" programmmäßig sei. (Fortsetzung in der ersten Beilage.) Lingesandtes. Hirschberger Batist-Leinen u. reinleinene Creas, gewaschen und gekrumpfen — geht bei der Wäsche nicht mehr ein — 86, 130, 160 u. 180 ew breit, versenden unter Garantie der größten Haltbar keit in ganzen Weben und Meterweise zu den billig sten Fabrikpreisen. Muster bereitwilligst. Adolf Staeckcl k Co., Hirfchberg i./Schles. Rowland's Macassar-Oel, allgemein bekannt als ausgezeichnet für Wachsthum, Verschönerung, Ver besserung der Haare, ist jetzt auch in goldener Farbe erhältlich. Man vermeide billige Nachahmungen und kaufe „Rowland's Macassar-Oel" von 20 Hatton Gar den, London. Zu erhalten bei Parfnmeuren. Die Prospecte für die vom Carl Stan^en'schen Reife bureau in Berlin, Leipziger Str. 2«, in diesem Jahre abgehen den Gesellschaftsreisen haben sich einer günstigen Aufnahme zu erfreuen. — Am l» März wird die erste diesjährige Reise nach Italien, welche bis Sicilien ausgedehnt ist, und am 24. März eine Reise nach Spanien und Nord West-Afrika an- getreten, sür welche Reisen bereit- eine Anzahl Theilnehmer eingeschrieben sind Nach Italien bi- Neapel geht am S. April eine Reift ab, und alsdann folgen noch kleinere Reisen nach Ober-Italien, Paris, London, Skandinavien u. s. w., für welche Programme gratis auSggeeben werden. * Für die Enthüllungsseier des iu Eisenach zu errichtenden Denkmals Johann Sebastian Back's ist nunmehr das Programm festgestellt. Die Ent hüllung erfolgt am 28. Juni Nachmittags. Nach dem Enthüllungsacte folgt die Aufführung von Bach's H-wvU Messe in der St. Georgskirche. Am folgen den Tage, Sonntag, 29. Juni, ist Mittags große» Kirchenconcert und Abends im Theater Künstlerconcert. * Wir können, fo schreiben die ,H. N", auf das nahe Bevorstehen einer intereffanten Veröffentlichung aufmerksam machen. Graf Moritz O'Donnell hat den früher in Graz, jetzt in Lemberg augestellten Pro fessor R. M. Werner, während der Letztere zur Weih nachtszeit in Salzburg weilte, mit der Prüfung der reichen Schätze des gräflichen Familienarchivs betraut. Profesfor Werner schreibt nun an einen in Dresden wohnenden Freund, das Archiv enthalte unter Anderm zahlreiche Erinnerungen an Goethe, 18 Bsiefe von Goethe aus den Jahren 18lO bis 1823, ferner Hand zeichnungen und Gedichte von Goethe, darunter ein bisher nicht bekanntes, überhaupt die Correfpondenz zwilchen Goethe und der Gräfin Josefine O'Donnell, darin auch die von Goethe handelnden Stellen aus den Briesen deS Herzogs Karl August an die Gräfin; dann einen noch ungedruckten Brief Goethe's an Chri stine de Ligne, spätere Gräfin Moritz O'Donnell; end lich ein bisher unbekanntes Goetheportrait, welche» als Titelbild der Publication Goethe und Gräfin O'Donnell demnächst in Lichtdruck n,ch uicn wird.
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