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Referate und kleinere Mittheilungen. Verein für Eisenbahnkunde. In der am 5. Dec. v. Js. stattgehabten Sitzung machte Herr Regierungs- und Bau rath Stock Mittheilung über das Verhalten der Westing house-Bremse und der Gasbeleuchtungs- Vorrichtung im Eisenbahnwagen bei Gele genheit eines Unfalles. Der letztere ereignete sich im Juli 1881 auf der Strecke Berlin-Blankenheim und bestand in der Entgleisung eines Schnellzuges infolge eines Bandagenbruches an dem gleich hinter dem Packwagen laufenden Personenwagen I./II. Klasse. Der Zug bestand aus 15 Achsen, von denen die vorderen 8 durch die Westing house - Bremse , die übrigen durch Handbremsen ge bremst werden konnten. Der Zug befand sich auf einem Gefälle von 1 : 150, in einer Fahrgeschwindig keit von 70 km in der Stunde und kam nach dem erfolgten Bandagenbruch durch automatische Wirkung der Westinghouse-Bremse nach einem Wege von 560 m zum Stillstand. Unter den hierbei vorgekom menen Defecten an dem Betriebsmaterial befand sich auch eine Beschädigung des vorderen unter dem ent gleisten Wagen befindlichen Gasbehälters. Der Zug führer, welcher von seinem Platze aus die Entgleisung des folgenden Wagens bemerkt hatte, verabsäumte doch den in seinem Coupe befindlichen Sicherheits hahn der Westinghouse-Bremse zu bedienen und be gab sich statt dessen in den Packraum seines Wagens, um von hier aus die Signalleine zu ziehen. In dem entgleisten Wagen befanden sich drei Passagiere, darunter ein Beamter; der letztere veranlafste, als er die Entgleisung des Wagens bemerkte, dafs der in dem Wagen befindliche Nothhahn der Luftleitung in die Höhe gestofsen wurde. Letzteres hatte keinen Er folg, weil, wie sich später ergeben hat, der Wagen revisor der Abgangsstation die Leitung unter diesem Wagen abgesperrt hatte, um bei der häufig eintre tenden Undichtigkeit der kleinen Hähne ein Selbst bremsen zu verhindern. (Aus diesem Anlafs haben die Hähne und Rohrverbindungen im Innern der Cou pes einen gröfseren Querschnitt erhalten.) Der Still- stand des Zuges erfolgte erst, nachdem die losgerissene Achse des Wagens das kleine Rohr, welches vom Hauptrohr nach dem Functions-Ventil führt, zerstört und dadurch sämmtliche Bremsen zur Wirkung ge bracht hatte. Als der Locomotivführer durch das Ziehen der Signalleine aufmerksam gemacht worden war, hat er, da die Westinghouse-Bremse nach seiner Angabe den Dienst versagte, Gontredampf gegeben und die Handbremse des Tenders in Thätigkeit gesetzt. Sobald vom Zuge aus die Westinghouse-Bremse in Thätigkeit gesetzt wird, soll der Locomotivführer den Zug schleunigst zum Halten bringen und durch eine Drehung des Hebels am Bremsventil die Entweichung der Luft aus dem Hauptreservoir verhindern. Der Locomotivführer scheint dies im vorliegenden Falle nicht beachtet zu haben. Verbleibt die Stellung ds Hebels am Bremsventil in der vorgeschriebenen ge wöhnlichen Lage, so entleert sich das Hauptreservoir in etwa 20 Minuten, wenn die Luftpumpe bei vorge schriebenem langsamen Gang keinen Ersatz liefert. Nach Aussage des Führers hatte er die Luftpumpe, weil er auf der letzten Station 90 Pfd. Druck in der selben hatte, nicht auf langsamen Gang gestellt; hätte der Führer den Handgriff in die Stellung »Bremsen los« gestellt, so hätte sich das Hauptreservoir infolge des Defectes am Leitungsrohr in etwa 1/2 Minute ent leert, und die Bremsen hätten sich nach momentaner Lösung sogleich wieder angezogen. Redner empfiehlt Versuche darüber anzustellen, ob der Locomotivführer in solchem Falle bleibend oder für welche Zeit die Locomotivbremse zu lösen imstande ist. Die Beschädigung des vorderen Gasbehälters ge schah durch Verschiebung der abgelösten Achse; die an dem Gasbehälter bewirkte Einbauchung zeigte einen Rifs von einigen Millimetern Weite; durch die Rei bung des Rades an dem Gasbehälter wurde ein Fun kensprühen und hierdurch eine Entzündung des aus strömenden Gases erzeugt. Nach den angestellten Er mittelungen betrug der Druck in dem Gasbehälter noch etwa 2 Atmosphären. Dafs die Entzündung von ausströmendem Gas durch Funken erfolgen kann, ist durch Versuche bestätigt worden. Eine Gasexplosion erfolgte nicht, da hierzu eine vorhergegangene Mi schung mit gewöhnlicher Luft gehört. Eine solche Mischung kann aber im allgemeinen weder bei der artigen Fällen , noch für gewöhnlich in einem Goupe erfolgen, so dafs also die Möglichkeit einer Explosion bei der Gasbeleuchtung in Eisenbahnen fast ausge schlossen ist. Herr Geheimer Gommerzienrath Schwartzkopff theilt einen ähnlichen, von ihm selbst erlebten Unfall mit Entzündung des aus dem beschädigten Gasbehälter ausströmenden Gases im März d. J. auf Bahnhof Bu chau mit und stellt die Frage auf, aus welchen Grün den man die Gasbehälter nicht, wie dies theilweise in Oesterreich geschehe, oben auf die Wagen lege. Bei einer Gasentzündung würde alsdann das in dem Wagen sitzende Publikum weniger der Gefahr des Verbrennens ausgesetzt sein. Allerdings müsse man die Gasbehälter nicht so schwer machen, wie die jetzt unter den Wagen angebrachten, sondern man müsse, wie in Oesterreich, das Gas in mehreren 130 bis 150 mm weiten, leichten Rohren aufbewahren. Aus der hieran sich knüpfenden Discussion, an welcher sich besonders die Herren Kaselowsky, Stambke, Fairholme, Illing und Messow betheiligten, ergab sich, dafs die Anbringung leichterer Gasbehälter auf den Wagen, wie sie auch in England und versuchsweise bei einigen Wagen der hiesigen Pferdebahnen in An wendung sind, besonderen technischen Schwierigkeiten nicht begegnen würde. Herr Maschinen-Inspector Stösger erläu terte die von der Firma M. Schlochauer & Comp. in Berlin übersandteZeichnung eines patentirten Bügels für Decken und deren Befestigung bei offenen Güterwagen. Um namentlich mit Spiritus gefüllte Fässer nach dem Auslande auf offenen Güterwagen verladen zu können, bedürfte man wegen der Steuerabfertigung an der Grenze eine vollständige Eindeckung und einen sicheren Verchlufs der Sen dung. Die einfache Ueberlegung einer wasserdichten Decke erwies sich hierzu nicht geeignet, weil sich in den Falten und Vertiefungen Schnee und Wasser an sammelte und die Decken nur eine geringe Dauer hatten. Die feste Anbringung von Deckenbäumen zwischen den überhöhten Stirnwänden der Wagen, wodurch den Uebelständen abgeholfen werden sollte, behindert die beliebige Benutzung der Wagen durch die beschränkte Höhe der Beladung. Bei Anwendung der Schlochauerschen Bügel und Decken werden die bisher vorhandenen Uebelstände vermieden. Die Bü gel können nur bei Bedarf verwendet, sonst sicher aufbewahrt und bei jedem offenen Wagen benutzt werden, welcher entsprechend hergerichtet ist. Hierzu sind 2 Hülsen nöthig, von denen an jeder Stirnwand des Wagens eine derselben angeschraubt wird. In