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22 Nr. 1. „STAHL UNDEISEN." Januar 1883. Vorsitzender Herr Lueg: Durch den Vortrag des Herrn Brauns und die darauf folgende Dis- cussion ist bestätigt worden, dafs der Verein in der Lage ist, sein Gutachten nach allen Richtungen voll und ganz aufrecht zu erhalten. Es war uns um so angenehmer, dafs wir unsere Ansichten durch den Vortrag des Herrn Professor Intze bestätigt gefunden haben. Bevor ich diese Discussion schliefse, halte ich mich verpflichtet, Herrn Brauns für seine aufserordentlich umfangreiche und mühevolle Arbeit den Dank der Versammlung auszusprechen. (Beifall.) Ich werde jetzt eine Pause von 10 Minuten eintreten lassen, damit die Herren die hier vor liegenden Versuchsstäbe in Augenschein nehmen können. Nach Wiedereröffnung der Versammlung nimmt das Wort der Vorsitzende Herr Lueg: M. H.! Wir kommen zum 3. Punkte unserer Tagesordnung. Auf der Tagesordnung unserer letzten Generalversammlung, die im verflossenen Frühjahr stattfand, stand u. a. die Besprechung der gegenwärtigen Lage und die neueren Fortschritte in der deutschen Roheisen erzeugung. Im Verlaufe der damaligen Verhandlungen erwies das angeregte Thema sich als ein sehr viel seitiges. Es wurde eine ganze Reihe von Fragen aufgeworfen, deren sofortige, nur einigermafsen befriedigende Beantwortung sich als unmöglich herausstellte, und infolgedessen auf Beschlufs der Ver sammlung die weitere Discussion vertagt wurde. Die Herren Schlink, Tiemann, Limbor, Hilgenstock und Schilling haben Ihnen in ihren dama ligen Vorträgen ein lebendiges Bild der heutigen Bedeutung der Hochofenindustrie entrollt, das Ihnen die Schwierigkeiten, mit welchen der deutsche Hochofentechniker zu kämpfen hat, und die Hoffnungen, welche seiner warten, schilderte. Aus den die verschiedensten Betriebszweige umfassenden Erfahrungen der genannten Herren haben Sie ersehen, dafs der deutsche Hochofenbetrieb mit allen Neuerungen der Jetztzeit zu rechnen gewufst hat und dafs er sich auf der Höhe der Zeit befindet; es ist aber gleichzeitig darauf hingewiesen worden, dafs der Schwerpunkt seiner Prosperität in der Höhe der für Transport der Rohmaterialien entstehenden Kosten liegt. Die Ueberlegenheit Englands in dieser Beziehung, namentlich Clevelands, wo Sie Eisensteine, vorzügliche Kohle und Kalksteine in nächster Nähe voneinander vorkommend finden, ist allgemein bekannt. Herr Limbor hat Ihnen indefs auch zahlenmäfsig nachgewiesen, in welchem Vorsprung andpre Productionsländer von Eisen, z. B. Bel gien, in bezug auf Frachtsätze sind. Fände der belgische Tarif für Fracht von Rohmaterialien bei uns Eingang, so bedeutete dies, wie Herr Limbor ausführte, eine uns zugute kommende Differenz von 8,45 Mark in den Gestehungskosten pro Tonne Roheisen, eine Differenz, die genügte, das eng lische Roheisen von den deutschen Märkten fern zu halten. M. H.! Es wird Ihnen allen aus unserer Zeitschrift und anderwärts her bekannt sein, dafs mittlerweile die nordwestliche Gruppe in Verbindung mit anderen Vereinen und hervorragenden Handelskammern an den Herrn Minister eine Petition eingereicht hat, in welcher um eine generelle Frachtermäfsigung für Eisenerze und Kalksteine auf den Staatsbahnen ersucht wird. Der Inhalt der Petition stützt sich zum Theil auf unsere damaligen Verhandlungen. In unser Aller Interesse ist zu erhoffen, dafs die Petition von Erfolg begleitet sein, werde und dadurch der deutschen Hochofenindustrie eine Grundlage geschaffen wird, auf der sie befähigt ist, der begünstigten Concurrenz des Auslandes die Spitze zu bieten. Ist eine derartige Grundlage erst geschaffen, so wird der deutsche Hochofentechniker es nicht an Energie mangeln lassen, um alle Ansprüche hinsichtlich Qualität und Quantität des begehrten Roheisens zu genügen. In erster Linie gilt das eben Gesagte von Giefserei-Roheisen, dessen Einfuhr (fast ausschliefslich schottisch-englisches) nach Deutschland in den letzten sieben Jahren durchschnittlich 263 000 t pro Jahr oder 48% des gesammten Giefsereiroheisenconsums betrug. Die Einfuhr hat sich im Laufe dieses Jahres noch wesentlich gesteigert. Ein übersichtliches Bild über die Production, Consumtion und Girculation des Roheisens in Preufsen gewährt Ihnen die am Eingang aufgehängte Karte, welche Herr Geh. Bergrath Dr. Wedding im Auftrage Sr. Excellenz des Ministers Maybach zusammengestellt hat. Der Herr Minister hatte die Güte, unserm Verein ein Exemplar zur Verfügung zu stellen, und statte ich hierfür an dieser Stelle nochmals meinen verbindlichsten Dank ab. Um das angegebene, jetzt importirte Quantum von Giefserei-Roheisen zu produciren, sind, wie Herr Limbor berechnet hat, 24 Hochöfen mittlerer Gröfse erforderlich, deren Rohmaterial-Verbrauch sich auf 658 000 t Eisenstein, 697 000 t Kohlen, 263 000 t Kalkstein stellen und die unter Zuziehung des Lohnbetrages für die Hochofenarbeiter eine Gesammtlohn-Ausgabe von rot. 7 Millionen Mark bedingen.