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Januar 1883. STAHL UND EISEN. Nr. 1. 21 Herr Brauns: Wenn ich Herrn Helmholtz richtig verstanden habe, so hat er durch seine Versuche ermittelt, dafs die Dehnung in dem Material, welches neben einem Nietloch liegt, abge- nommen hat, nachdem in das Loch ein Niet hineingeschlagen ist. Die Erscheinung ist nicht auffallend; sie findet in dein, was ich vorhin auseinandergesetzt habe, ihre ausreichende Erklärung. Beim Eintreiben des Nietes wird auf das Material um das Loch herum ein immerhin erheb licher Druck ausgeübt, — die hinterliegende starre Blechmasse widersteht diesem Druck und es tritt, wie bei der kalten oder warmen Verarbeitung des Materials eine Verdichtung der dem Niet am nächsten liegenden Theile ein, und die Folge davon ist, eine Abnahme der Dehnungsfähigkeit. Was die zweite Erscheinung betrifft, von welcher Herr Helmholtz hier gesprochen hat, so dürfte diese auf den Unterschied von Eisen und Stahl bei der Beanspruchung auf Gompression zurückzu führen sein. Ich habe vorhin schon erwähnt, dafs die Mitglieder der Commission zur Begutachtung der Classifications-Vorschriften die Biegeproben für Schweifseisen, welches für Constructionszwecke bestimmt ist, als sehr werthvoll bezeichnet bat, weil die Compressionsfähigkeit dadurch am besten zur Anschauung gebracht wird. Diese Compressionsfähigkeit ist beim Schweifseisen erheblich stärker als beim Stahl , und es dürfte auf diesen Umstand der Unterschied im Verhalten der beiden Materialien bei der beschriebenen Beanspruchung zurückzuführen sein. Herr Professor Intze: Ich möchte nur constatiren, dafs wir nicht in Widerspruch mitein ander zu stehen scheinen. Ich batte eben gesagt, dafs die härteren Stahlsorten in betreff der Fes tigkeit durch das Bohren kaum, in betreff der Arbeitsleistung aber aufserordentlich leiden, dafs da gegen die weicheren Sorten dieses wesentlich weniger zeigen, dafs ferner besonders die härteren Sorten durch die Wärme beim Nieten an Arbeitsleistung bedeutend abnehmen. Herr Helmholtz: Es besteht doch ein Unterschied zwischen unseren Ansichten. Ich habe nämlich in bezug auf die Verschlechterung der Nietlochränder keinen Unterschied gefunden zwischen härterem oder weicherem Material, sondern das, was ich gefunden habe, trat auch bei Material von 45 kg Festigkeit noch ebenso ein. Ich weifs sehr wohl, dafs die Verarbeitung härterer Stahlsorten durch Erwärmung gröfseres Risiko bewegt als weiches. Aber ich kann mich nach meinen Er fahrungen nicht auf den Standpunkt stellen, dafs ich sagen dürfte, bei weicheren Stahlsorten sind die Nietlochränder an vernieteten Arbeiten weniger in ihrer Dehnbarkeit afficirt als bei etwas härteren. Herr Professor Intze: Dann möchte ich allerdings diesen Gegensatz präcisiren. Wir sind durch unsere Versuche zu dem Resultat gekommen, dafs harte Stahlsorten mehr durch die Bc arbeitung leiden als weiche Stahlsorten. Herr van Ruth: Die Versuche auf dem Harkorter Brückenbau-Werke haben im Gegentheil ergeben, dafs harter Stahl sich besser verhält wie weicher. Herr Offergeld wird das bestätigen können. Herr Offergeld: Die Versuche auf unserem Werke haben unter anderm allerdings ergeben, dafs Träger von sehr hartem Stahl, von 84 kg Festigkeit, 14°/0 Dehnung und 32% Conlraction, sich ganz ähnlich verhielten, wie Träger von sehr weichem Stahl, von 46 kg Festigkeit, 22 % Dehnung und 46 % Contraction. Ein solcher Hartstahlträger zeigte genau dasselbe Verhalten wie die Weichstahl-Träger. Er war nicht zum Bruch zu bringen, sondern seine Widerstandsfähigkeit wurde dadurch aufgehoben, dafs die gedrückte Gurtung sich vollständig deformirte. Zwischen jeder einzelnen Niettheilung bogen sich die Horizontalplaiten wellenförmig aus, so dafs in der Vorder ansicht die Druckgurtung nicht mehr geradlinig, sondern regelmäfsig gekräuselt erschien. Die Zer störung durch Bruch, welche eintretendenfalls stets nur in der gezogenen Gurtung auftrat, kam hier ebensowenig wie bei den Flufseisenträgern vor. Meiner Ansicht nach werden wir am raschesten zum Klarsehen und dadurch zum Fortschritt in der Fabrication von Stahl zu Gonstructionszwecken gelangen, wenn die aller Orten angestellten Versuche stets sofort und ausführlich veröffentlicht werden. Andernfalls nimmt jeder nur das aus den ihm event. zugänglichen Versuchs - Resultaten heraus, was ihm gerade in seinen Kram zur Motivirung seiner speciellen Ansichten pafst. Herr Professor Intze: Auch die neuesten Versuche, welche in Königsberg angestellt sind, wo weiche Stahlsorten, resp. Puddelstahl und Flufseisen, zu Brücken angewandt sind, haben an fer tigen genieteten Trägern fast genau dasselbe Resultat für die zulässige Belastung ergeben, als beim Probestück, ein Resultat, wie es früher bei Harlort mit Stahlträgern für holländische Brücken nicht erzielt wurde. Die genieteten Träger aus härteren Stahlsorten ergaben viel weniger Festigkeit als die Probestücke aus diesen Trägern.