Volltext Seite (XML)
146 Nr. 3. „STAHL UND EISEN.“ März 1883. Die Zahl der Specialwagen zur Versendung von Gegenständen abnormer Längen scheint dem Bedürfnifs nicht, zu entsprechen, denn es wird uns berichtet, dafs nicht selten längere Zeit auf solche Wagen gewartet werden mufs, was unzu trägliche Verzögerungen der Lieferungen zur Folge gehabt hat. Aus Düsseldorf laufen sehr ernste Klagen über mangelhafte, namentlich aber über unregel- mäfsige Zustellung der Kohlensendungen ein. Während infolge des Aufenthaltes auf der Bahn an einzelnen Tagen gar keine Zustellungen ge macht werden, läuft an anderen Tagen das doppelte und dreifache Quantum ein, wodurch es unmöglich wird, die Abfuhr noch zeitig zu besorgen und die Entladungsfristen einzuhalten. Dennoch wird die Einziehung der Conventional- strafen im allgemeinen in rücksichtsloser Weise betrieben, was in unserm Industrie-Bezirke bereits viel böses Blut gemacht hat, und es wäre sehr zu wünschen, dafs mindestens in Fällen wie den oben angeführten eine mildere Praxis geübt würde. Für die Verlängerung der Entladungsfristen im allgemeinen wird freilich von einzelnen unserer Mitglieder plaidirt. Diesem Wunsche vermögen wir uns jedoch so lange nicht anzuschliefsen, als das rollende Material nur mit knapper Noth dem Bedürfnisse entspricht. Im Gebiet der Lenne, im Siegerlande, na mentlich aber in den Nassauischen Erzbergbau- districten wird bittere Klage über die Unzuläng lichkeit der Verkehrs- und Abfuhrwege geführt, auf denen bei ungünstiger Witterung die Gom- munication bisweilen gänzlich eingestellt werden mufs. Die Anlage von Secundärbahnen in den Seitenthälern, in denen sich eine äufserst betrieb same Industrie niedergelassen hat, wird als ein dringendes Erfordernifs erachtet, und geben wir uns der Hoffnung hin, dafs auch diese Gegenden von Sr. Excellenz dem Herrn Minister der öffent lichen Arbeiten demnächst in Berücksichtigung gezogen werden möchten. Anlafs zu Klagen hat wiederholt der Waaren- verkehr mit Frankreich gegeben, indem ganz ab norm lange Lieferfristen in Anspruch genommen werden. Die allgemeinen Verhältnisse betreffend ge statten wir uns zunächst hervorzuheben, dafs eine Reihe von Werken in niedriger Lage am Rhein auch ernstlich unter dem Hochwasser ge litten haben. Es kommen hierbei die directen Beschädigungen, im höheren Mafse aber noch die Betriebsstörungen in betracht, denn einzelne Werke haben bis zu 22 Tagen den Betrieb gänzlich einstellen müssen. Die Nachtheile sowohl für die Eigenthümer, wie namentlich auch für die Arbeiter, sind hierbei nicht unbedeutend. Abhülfe kann nur durch eine .ausgedehnte Reguli- rung des Rheinstromes resp. dessen Eindämmung herbeigeführt werden; wir haben daher mit Be friedigung wahrgenommen, dafs die betheiligten Bundesregierungen einem gemeinsamen Vorgehen in dieser Richtung nicht abgeneigt zu sein schei nen, und wir geben uns der Hoffnung hin, dafs eine baldige Verständigung dazu führen wird, die geeigneten Mafsregeln zur Verhütung ähnlicher Verheerungen durch den Rheinstrom festzustellen und in Angriff zu nehmen. Auch bezüglich der Zölle sind uns von un seren Mitgliedern über einige ungünstige Verhält nisse Berichte zugegangen. Wir glauben, ledig lich unsere Pflicht zu erfüllen, wenn wir dieselben hier wiedergeben, bemerken jedoch, dafs wir uns enthalten müssen, jetzt irgend welche Aenderungen in unserer Zollgesetzgebung zu befürworten. Nach dem wir mit voller Kraft für die Einführung der Zölle in ihrem jetzigen Umfange eingetreten sind, halten wir nunmehr Ruhe und Stetigkeit der Ver hältnisse auf diesem Gebiete für durchaus ge boten. Denn nur wenn es gelingt, im Volke die Ueberzeugung von der Unwandelbarkeit unserer Zollgesetzgebung zu befestigen, wird die sichere Basis geschaffen werden, auf wlcher sich allein der Unternehmungsgeist und ein freudiges Schaffen entwickeln können. Nur mit dem Umsichgreifen dieser Ueberzeugung wird es auch gelingen, die harten, auf dem Gebiete der Wirthschaftspolitik liegenden Kämpfe zu mildern, welche jetzt die allgemeine politische Lage und die wirthschaft- liehe Entwicklung so ungemein ungünstig beein flussen. In einem früheren Theile dieses Berichts haben wir bereits erwähnt, dafs in unserm Bezirk auf dem Gebiete der Fabricalion von Kratzendrall t erhebliche Anstrengungen gemacht werden. Es wurde bekanntlich früher behauptet, dafs das deutsche Material zur Herstellung von Krat zendraht nicht verwendet werden könne , da diese Drahtsorte ganz besonders vorzügliche, durch die Qualität des Rohmaterials bedingte Eigenschaften besitzen müsse. Daher wurde Kratzendraht bis her hauptsächlich aus schwedischem Eisen gear beitet und von manchen Seiten in dem Roheisen zoll eine Schädigung dieses Industriezweiges er blickt. In neuerer Zeit hat man begonnen, einen ganz vorzüglichen, gehärteten Patent-Gufsstahl- kratzendraht aus deutschem weichen Stahl her zustellen. Dieser junge Fabricationszweig hat aber mit grofsen Schwierigkeiten, namentlich aber mit der Concurrenz gegen das englische Fabricat zu kämpfen. Die Schwierigkeiten sind in dem Umstande zu erblicken, dafs geübte Arbeiter in diesem Industriezweige erst heran gebildet werden müssen und dafs dadurch die Productionskosten wesentlich vertheuert werden. In England ist die Fabrication von Kratzendraht alt und ausgebreitet, und tüchtige, erfahrene Arbeiter stehen derselben zur Verfü-