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Januar 1888. „STAHL UND EISEN.“ Nr. 1. 17 Zerreifsen gefundener Fehler in der Bruchstelle einen schädlichen Einflufs auch an anderen Stellen übt oder nicht. Ich habe im Verfolge dieses Gedankens aus dem mir zu Gebote stehenden Material eine An zahl Stähepaare je aus gleichen Betriebsstücken herausgesucht, so dafs der eine jedes Paares fehlerfrei, der andere mit einem Fehler in der durch Zerreifsen erhaltenen Bruchfläche behaftet war. Diese Stabbruchstücke, deren Durchmesser durchweg ca. 2,3 bis 2,5 cm betrug, habe ich auf eine Spannweite von 15 cm frei aufgelegt und durch eine in der Mitte concentrirte Kraft durchgebogen, indem eine dort angesetzte sehr abgestumpfte Schneide mittelst des hydraulischen Druckes der Werderschen Prüfungsmaschine gegen den Stab geprefst wurde. Dabei wurde der Biegungspfeil mittelst einer sehr einfachen Vorrichtung, die bis zum Bruch in Gebrauch bleiben konnte, gemessen. Ein Biegungspfeil von 6,7 cm entspricht dabei ungefähr einem Winkel von 90 °, um den die beiden Stabhälften gegeneinander gebogen sind. Auf folgender Seite sind einige Resultate, die ich erhalten habe, angegeben; ich bemerke dazu, dafs die mit Fehlern behafteten Probestücke allemal so gelegt wurden, dafs die fehlerhafte Stelle, wenn sie excentrisch oder ganz am Rande war, auf die convexe, also gefährlichere Seite zu liegen kam. Man sieht, dafs die Gufsblasen bei den Paaren Nr. 3,. 4, 6, 7 und 10 und die porösen Stellen bei den Paaren 17 bis 20, welche oft, namentlich die letzteren, von so schädlichem Einflufs auf die Querschnitts-Contraction und damit auf die Qualitätszahl waren, die Biegungsfähigkeit der be treffenden Stücke gar nicht oder sehr wenig beeinflussen, also von rein örtlicher Natur sind, wäh rend in den anderen Fällen die im Zerreifsquerschnitt fehlerhaften Stäbe auch in der Biegungs fähigkeit hinter den fehlerlosen zurückstehen. In solchen Fällen wäre die Verwerfung des betr. Betriebsstückes wohl gerechtfertigt. Bei Beurtheilung der Gröfse des Biegungspfeils von solchen Stäben, die verschiedenen Betriebsstücken entnommen sind und verschiedene Zugfestigkeit besitzen, ist übrigens die letztere auch mit zu berücksichtigen. Stücke mit gröfserer Zugfestigkeit, also gröfserem Kohlenstoffgehalt und gröfserer Härte werden natürlich stets schon bei kleinerem Biegungs pfeil brechen, als weichere, kohlenstoffärmere. München, im November 1882. Bauschinger. Vorsitzender: Indem ich die Discussion über den Vortrag des Herrn Brauns eröffne, bitte ich diejenigen Herren, welche über denselben sprechen wollen oder aufklärende Fragen zu stellen haben, sich zum Worte zu melden. Herr Prof. Intze hat das Wort. Herr Prof. Intze: Ich bitte zunächst um Entschuldigung, wenn ich als Gast das Wort er- greife. Die Verantwortung dafür wollen Sie meinem Freunde Petersen übertragen, der mich ein’ geladen hatte, an der heutigen Versammlung Theil zu nehmen, weil wir in den letzten Versamm- hingen des Aachener Bezirksvereins deutscher Ingenieure die vorliegende wichtige Frage ebenfalls erörtert haben. Ich gestalte mir zu erklären, dafs das, was Herr Brauns mittheilte, durch Versuche, die wir in Aachen angestellt haben, bestätigt worden ist. Es lag für uns im Bezirksverein deutscher Ingenieure und speciell für mich als Constructeur die Frage nahe: welches Material sollen wir nach den neuesten Fortschritten der Eisen- und Stahl-Production für zusammengesetzte Constructionen anwenden, und ich bitte Sie, das, was ich zu sagen habe, von diesem Standpunkte aus zu beurtheilen. Die Vorschriften über die Qualitäten von Stahl und Eisen, wie sie noch jetzt existiren, können dem Constructeur nicht genügen, weil wir die Eigenschaften des Materials durch die bisherigen soge nannten Qualitätsziffern nicht in richtiger Weise ausgedrückt finden und zwar nach zwei Richtungen hin, nämlich erstens, weil im allgemeinen die geheimnifsvolle Addition von Festigkeit und Contraction an der Bruchgrenze doch den richtigen Mafsstab für die Güte nicht giebt, und zweitens weil die Eigenschaften des Materials, wie wir sie vor dessen Verarbeitung in einem Probestück finden, oft mals von geringer Bedeutung sind gegen diejenigen Eigenschaften, welche das Material nach der Bearbeitung in der Construction zeigt. Hieraus resultirt eben die wichtige Frage: welches Material sollen wir anwenden und welche Vorschriften sollen wir machen für bestimmte Constructionszwecke? Ich möchte zunächst betonen, dafs die vollen Probestücke unter Umständen das zweihundert- bis tausendfach so günstige Zahlenergebnifs in betreff der Arbeitsleistung bis zum Bruch liefern, als wir es bei den fertigen, zusammengesetzten und geschwächten Constructionstheilen finden (s. Fig. I u. 2 auf folg. S.) und darin, glaube ich, liegt das, was wir für die Folge untersuchen müssen: Wie verhalten sich die zusammengesetzten Constructionen gegenüber den vollen Probestücken, die wir untersuchen, wie verhalten sich die durch Bohrung und Lochung geschwächten und durch Nietung oder in anderer Weise weiter bearbeiteten Materialien gegenüber dem vollen Stück? Ich kann nur darauf hinweisen, dafs wir durch unsere Versuche in letzter Zeit — einige 80 — mit Schweifseisen, weichem Stahl und harten Stahlsorten zu interessanten Resultaten in betreff des Arbeitswiderstandes gekommen sind, den diese Materialien nach der. Bearbeitung bis zum Bruch leisten. Wir haben uns gefragt, 1.3 3