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Die unter Nr. 5 erwähnten Gartelle, nach wel chen sich die Producenten der verschiedenen Gegenden in das Absatzgebiet theilen, scheint dem Verfasser die lockerste Form derselben zu sein. Der Verfasser glaubt nach den ihm zugegan genen Mittheilungen schliefsen zu dürfen, dafs Gartelle heute auf allen erdenklichen Gebieten des Gewerbes vorkommen. Es giebt, wie er be richtet, .Gartelle in den verschiedenen Zweigen der Eisenindustrie, unter den Kohlenwerksbesitzern, den Eisenbahnen, den Schiffahrtsunternehmungen, den Banken, Gartelle der Theaterdirectoren, der Bierbrauer, der Papierfabricanten, Cartelle in der Glasindustrie, in der Textilindustrie, Cartelle der Dynamit- und der Zündwaarenfabriken, kurz, es dürfte heute kaum einen Zweig der Grofsindustrie geben, der keine Cartelle besäfse“. Nachdem der Verfasser geschichtlich nach gewiesen , dafs Cartelle bereits im Mittelalter unter den Gewerbetreibenden vorgekommen sind (unter den Brauern von Amiens 1444), glaubt er, dafs die neueren Cartelle, mit wenigen Ausnahmen, seit 1873, also nach dem »grofsen Krach« ent standen sind. Als wesentliche Bedingung für den Bestand der Cartelle betrachtet der Verfasser, nach der Ansicht seiner Gewährsmänner, die Redlichkeit der Mitglieder, beziehentlich die Möglichkeit einer genügenden Controle. Indefs scheint es ihm, dafs nach dieser Richtung die heutigen Cartelle so manches zu wünschen übrig lassen. Die Frage der Beobachtung der Vertragsbestimmungen wird, wie der Verfasser meint, leicht zu einem Rechenexempel, d. h. ist der Nutzen, der dem Betreffenden aus dem Bruch des Vertrages er wächst, gröfser, als der Nachtheil (die etwaige Conventionalstrafe u. dgl.), so wird sich das weniger pflichtgetreue Mitglied leicht entschliefsen, (falls es das Odium, welches sich in moralischer Beziehung auf ihn lenkt, nicht scheut), fahnen flüchtig zu werden und die Bestimmungen des Carteils geheim oder offen zu umgehen. Zahl reiche Cartelle sollen auf diese Weise gesprengt worden sein. Wo die Controle aus irgend einem Grunde leicht möglich ist, oder wenn die gesetzlichen Mafsregeln des Staats die Controle erleichtern, ist der Bestand der Cartelle mehr gesichert; letzteres trifft bei den Kohlencartellen und den Cartellen der Bierbrauer zu, wo die Steuer von dem producirten Quantum erhoben wird. Aehn- lich liegt , die Sache bei der grofsen Eisenindustrie, bei welcher die Producte, wegen ihrer grofsen Massenhaftigheit, nicht leicht verheimlicht werden können, oder die Verkaufsabschlüsse mehr oder weniger öffentlich geschehen. Bei den Cartellen der schottischen Hochofenbesitzer soll die Ein richtung existiren, dafs ein Delegirter des Ver bandes periodisch die Werke besucht und die Productionsmenge ermittelt. Die Schwierigkeit der Controle scheint dem Verfasser auch die Ursache zu sein, dafs die Cartelle fast ausschliefs- lieh nur kleine Bezirke umfassen und bei ihrer jetzigen, ziemlich ungenügenden Organisation nicht wohl imstande sind, sich auf die Unter nehmer eines ganzen Staatsgebiets auszudehnen. Als eine weitere Voraussetzung für den Fort bestand der einzelnen Cartelle erachtet der Ver fasser die annähernd gleiche technische Einrich tung der betreffenden Etablissements. Es ist demselben nämlich mitgetheilt worden, dafs dieses oder jenes Stahlcartell durch das neue Thomas-Gilchristsche Entphosphorungs -Verfahren gesprengt wurde. Als charakteristisch für die Cartelle erwähnt der Verfasser am Schlüsse dieses Abschnittes endlich, dafs, nach seinen Gewährsmännern, die meisten der in Deutschland und Oesterreich be stehenden Cartelle, und zwar ein guter Theil der Eisencartelle, Kinder der Noth seien. Es war eben ihr Zweck nach dem Jahre 1873 dem Sinken der Preise durch eine theilweise Beschränkung der Production Einhalt zu thun. .Die Noth“, sagt der Verfasser, „macht eben die Menschen gefü giger und veranlasst sie, sich zu einigen und mit vereinten Kräften der gemeinsamen Gefahr ent gegenzutreten. “ Ueber den Werth und die Bedeutung der Cartelle sind dem Verfasser weit aus-, einander laufende Urtheile zugegangen. Die Mit glieder der Cartelle sprechen sich durchgehends sehr günstig über dieselben aus und behaupten, dafs, wenn die Bestimmungen von den Mitglie dern nicht umgangen werden, die Cartelle sehr segensreich für die betreffenden Industrieen wirken, weil sie der planlosen Production über den Be darf und den Schleuderpreisen Einhalt thun und derart manches Unternehmen vor dem drohenden Ruin gerettet haben. Der Verfasser führt zum Belege die näheren Verhältnisse eines Cartells unter den Bierbrauern einer grofsen Stadt an, welches seinen Zweck vollkommen erfüllt habe. Anders lauten begreiflicherweise die Urtheile der Gegner der Cartelle. Zunächst findet der Verfasser es eigentlich komisch, dafs mitunter die Angehörigen des einen Cartells über den Be stand eines anderen Cartells ungehalten sind, wie beispielsweise die Eisenbahnen, die es ganz selbst verständlich finden, dafs sie selbst untereinander im Cartellverbande stehen und die Concurrenz der einzelnen Linien durch Vereinbarungen aus- schliefsen, es aber ungerechtfertigt finden, wenn die Schienenwerke, Locomotivenfabricanten u. dgl. ihrerseits untereinander Cartellverträge schliefsen. Diese Erscheinung wiederholt sich aber auch auf anderen Gebieten des wirthschaftlichen Lebens; der Verfasser erinnert hierbei an die Zollfrage. Im einzelnen wird, nach den dem Verfasser zugegangenen Mittheilungen, gegen die Cartelle