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458 Nr. 10. „STAHL UND EISEN/ October 1882. Beispiel aufzusellen, greifen wir zur folgenden Con- stellation. Der Nettogewinn eines Unternehmens be trug im Jahre 1881 24 %. Die Art desselben läfst nachstehende Vertheilung zu: dem Unternehmer 8 —10 °o voraus, für unvorhergesehene Betriebs kosten, für Nachschaffungen und für den Reserve fonds 3 — 5 %, bleiben zur Vertheilung für das letzte Jahr 13 oder 9°0. In die sichergebende Summe hätten sich die Arbeiter je nach Dienst alter und Verwendbarkeit ganz oder mit dem Un ternehmer zu theilen. Bei allen Unternehmungen und überhaupt Arbeiten, die gefährlich oder der Gesundheit direct schädlich sind, müssen die Pro centsätze für die Arbeiter erheblich höher gegriffen werden. Die Eruirung des Nettogewinnes erfolgte unter Zuziehung der Fabrikinspectoren und eines von den Arbeitern gewählten Vertrauensmannes, der als Comptoir-Angestellter zu functioniren hätte. Aufserdem hätten die Arbeiter einen Ausschufs zu wählen, dem die Details über die Berechnung des Nettogewinnes zu unterbreiten wären. Die Arbeiter erarbeiten nach einer solchen Verthei lung nicht mehr ausschliefslich das »Mehr« des Unternehmers, sondern sie arbeiten auch direct für sich. Sie wären somit keine Lohnsclaven mehr, sondern Theilnehmer am Gewinn. Die Arbeitsangebote würden sich bei allen Unterneh mungen nach der Höhe und Sicherheit des Netto gewinnes richten. Der Unternehmer oder Fa brikant würde sehr bald in die Lage kommen, vermöge des grofsen Andranges der Arbeitsan gebote den Lohn zu verringern, was aber nur die Folge haben könnte, dafs, weil wohlfeiler gearbeitet würde, nun auch der Nettogewinn um so höher sein müfste. Je gröfser aber dieser, je mehr Arbeitsangebote, je mehr solche, je ge ringer der Lohn und in demselben Verhältnifs höher wieder der Nettogewinn. In dieser Folge könnte es dahin kommen , dafs die Arbeitsver richtungen vielleicht ohne Lohnverlangen ange boten werden, und die ganze Löhnung nur im Empfang des Theiles des Nettogewinnes bestände. Wäre diese Stufenfolge erreicht, so hätten wir reine Productiv-Genossenschaften vor uns, nur mit dem Unterschied, dafs das Kapital zu ihrer Errichtung nicht der Staat, sondern ein Privat mann oder eine Gesellschaft erstellt haben würde. Selbstverständlich müfste durch Verordnungen festgestellt werden, dafs der Unternehmer nicht unter der Zeit, ohne ganz bestimmte und gesetz lich fixirte Fälle, Arbeiter entlassen darf, um wohlfeiler Arbeitende anzunehmen. Ein Wechsel in dem Arbeiterpersonal dürfte nie vor der jähr lichen Vertheilung des Nettogewinnes erfolgen.“ Herr von Fechenbach wirft nun selbst die Frage auf: „Was geschieht mit den Arbeitern solcher Fabriken oder Unternehmungen, die einen so geringen Reinertrag abwerfen, dafs dieser nicht zur Vertheilung kommen kann.“ Die Beantwortung erscheint diesem grofsen Socialpolitiker durchaus nicht schwierig, er sagt: „Diese Frage erscheint vielleicht im ersten Augenblick schwierig, ist es aber keinesfalls, wenn man ihr gegenüber nicht doctrinär ist, sondern sie auf eine praktische Weise lösen will. Für diese Arbeiter treten dann die vom Staate vorausgesehenen Unterstützungen ein. Sie können von dem Unternehmer nicht mehr verlangen, als das Unternehmen abwirft, um ihn und sie zu unterhalten. Die Arbeiter solcher Unternehmun gen befänden sich aber ganz in der Lage von Bauern , die einen mageren, schlechten Boden zu bearbeiten haben. Der Rhöner und Spes sarter Bauer mag auch den Schweinfurter und Ochsenfurter Bauern beneiden, wenn er von der Ertragsfähigkeit ihres Bodens hört, aber er wird deshalb doch ein Rhöner oder Spessarter Bauer bleiben. Die Arbeiter würden überall an dem Nettogewinn participiren, wo eine Theilhaberschaft möglich ist, und wenn heute die von den Lassal- lianern verlangten Productiv-Genossenschaften ef- fectiv wären, so gäbe es eben auch bei ihnen hoch und schlecht rentirende Unternehmungen. Auf die weitere Frage: wie man sich gegenüber von Fabriken oder Unternehmungen zu verhalten hätte, welche Jahre hindurch mit Verlust ar beiten, ist zu antworten, dafs primär diese Frage schon durch die vorhergegangene Beantwortung ihren Bescheid erhalten hat.“ Dieser Plan hat in den Augen des Herrn von Fechenbach einen grofsen sittlichen Werth. „Es wird hierdurch dem Arbeiter bewiesen,“ sägt er, „dafs er kein Lohnsclave sein solle, sondern an dem Gewinne , der durch das Zusammenwirken von Kapital und Arbeit entsteht, gleichfalls seinen Antheil zu erhalten habe.“ Auch mit der weiteren Frage, mit welchem Rechte man die Fabrikanten und Unternehmer zwingen könnte, ihren Nettogewinn nach be stimmten Normen mit den Arbeitern zu theilen, wird Herr von Fechenbach sehr schnell fertig. Er meint, dafs hier bereits durch die Gesetzge bung eine ganz bestimmte Reihe von Präcedenz- fällen vorliege. „So gut wie man uns (den Grols- grundbesitzern) seiner Zeit die Gerichtsbarkeit, die Zehnten, die Jagd- und Weide- und noch andere Rechte genommen hat (man könnte ja diese Reihe von Rechten der mittelalterlichen Feudalherren durch diejenigen noch vervollstän digen , die Herr von Fechenbach auszusprechen sich scheut) kann man hier verlangen, dafs der Umsatz geleisteter Arbeit, somit das Geld, nicht fast ausschliefslich nur einem Factor der Pro duction zufällt.“ Der Verfasser betrachtet endlich die gesetz liche Regelung der Vertheilung des Nettogewin nes nur als einen Act der Gerechtigkeit und als den einzigen Weg zur Lösung der Lohnfrage;