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lungen dieser beiden Vereine gemeinschaftlich gehalten werden sollten. Die Mitglieder der einen Vereinigung waren, ohne besondere Beitrags zahlung, berechtigt, an den Versammlungen der andern als rede- und stimmberechtigte Mitglieder theilzunehmen. In der Regel sollte in einem Jahre der volkswirthschaftliche Congrefs, in dem andern der Verein für Socialpolitik die Führung der gemeinschaftlichen Versammlung haben. Die oben angeführten Worte des Vorsitzenden zeigen genügend, dafs die Verbindung mit dem volkswirthschaftlichen Congrefs ein Irrthum war; denn wie konnte ein Verein, welcher gegen den einseitigen Individualismus protestirt, eine er- spriefsliche Wirksamkeit in dem Zusammengehen mit dem vorerwähnten Congrefs üben, welcher in der Hauptsache bestimmt war, das Dogma vom krassesten Individualismus zu predigen und hoch zu halten ? Dieser Irrthum wurde von den Leitern des Vereins erkannt, die Verbindung gelöst, und die auf den 29. December v. J. nach Frankfurt be rufene Generalversammlung sollte durch die betreffende Aenderung der Statuten die Trennung sanctioniren. Noch eine andere wichtige Statutenänderung wurde von dem Ausschüsse des Vereins vorge schlagen ; der betreffende Passus lautete: „Die Vereinsversammlungen, wie der Ausschufs, fassen nur über Vereinsange- Jegenheiten, nicht über Thesen wissen schaftlichen oder politischen Inhalts Beschlüsse.“ Ich glaubte, dafs diese Aenderung vorgenommen werden sollte, um Vorgänge zu vermeiden, die in der Generalversammlung des Jahres 1879 die Leiter des Vereins höchst unangenehm be rührt hatten. Man wird sich erinnern, dafs die Entscheidung des Reichstages über die Zoll Vor lage damals nahe bevorstand, dafs der Verein für Socialpolitik auch noch sein Votum abgeben wollte, welches, durch die Mitwirkung einer gröfseren Anzahl von Industriellen, zum grofsen Leidwesen der Freihandelspartei, theilweise für den Schutzzoll lautete. Ich konnte nicht umhin, in der vorerwähnten Generalversammlung meiner Vermuthung bezüglich der Gründe für diese eigenthümliche Statuten änderung Ausdruck zu geben, wurde aber belehrt, dafs der Vorschlag des Ausschusses in keinem Zusammenhänge mit jenem Vorgänge stehe, sondern dafs die Beseitigung der Abstimmung als nothwendig erachtet werde, um einen neu tralen Boden zu schaffen, auf welchem Männer der verschiedensten politischen und wirthschaft- liehen Parteien sich zur Besprechung social politischer Fragen vereinigen können. Ich bezweifelte damals, dafs Verhandlungen ohne darauf folgende Abstimmungen genügendes Interesse erwecken würden, auch wollte es mir nicht einleuchten, dafs derartige, ohne den ge wöhnlichen Abschlufs geführte Verhandlungen die Zwecke wesentlich fördern könnten; ich stimmte jedoch für die Statutenänderung, da ich keine Berechtigung zu haben glaubte, einer Form Wider stand entgegen zu setzen, welche von dem ge- sammten Ausschüsse des Vereins als zweck- mäfsig für denselben erachtet worden war. Diese Form hatte bei der jüngsten, am 9. und 10. October in Frankfurt abgehaltenen Generalversammlung ihre erste Probe zu bestehen, und sie ist glänzend ausgefallen. Um dies zu verstehen, mufs man die Aufgabe erfassen, welche der Verein sich gestellt hat. In dieser Beziehung sagte der Vorsitzende in seiner Eröffnungsrede — ich folge dem Referate der „Frankfurter Zeitung“ — im Anschlufs an die vorcitirten Worte: „Der Verein wurde von Ver tretern aller Parteien gegründet. Er war ein Mahnruf aus dem gebildeten Deutschland heraus und er hat Anklang gefunden. Wäre die Auf gabe des Vereins nur eine negative gewesen, so wäre sie schnell erfüllt worden. Indefs der Verein hat auch eine positive Aufgabe, die gründ liche, sorgfältige Erörterung wichtiger social politischer Fragen unabhängig von dem Kampfe der Parteien. Der Parteikampf absorbirt zu viel Zeit, um eine gründliche Vorbereitung der Ge setze seitens der gesetzgebenden Factoren zuzu lassen. Die grofse Mehrzahl der anderen Ver eine dieser Art steht ebenfalls zu sehr im Kampfe der Parteien und auf dem Interessenstandpunkte. “ .. . Nach diesen Ausführungen des Vorsitzenden stellt sich der Verein die Aufgabe, durch objec- tive Erörterung und ohne Rücksicht auf die An schauung der politischen Parteien und die Be strebungen einzelner Gruppen von Interessenten das Verständnifs für die schwebenden social politischen Fragen zu fördern, dadurch der Gesetzgebung vorzuarbeiten und auf dieselbe an regend zu wirken. Der Verlauf der jüngsten Versammlung hat gezeigt, dafs die Erreichung des Zweckes durch den Fortfall der Abstimmungen wesentlich gefördert worden ist. Es waren in der That unter den 70 bis 80 Anwesenden Vertreter der verschiedensten poli tischen Richtungen und wirthschaftlichen An schauungen erschienen, aber weder in den Refe raten, noch in den theilweise sehr lebhaften Debatten zeigte sich eine Spur des aggressiven, gehässigen Tones, der jetzt, bei dem wüsten Parteikampfe auf allen Gebieten unseres öffent lichen Lebens, überall vorzuherrschen pflegt, wo Mitglieder verschiedener Parteien einander be gegnen. Die Verhandlungen wurden streng sachlich gehalten, die verschiedensten Ansichten über eine und dieselbe Frage wurden mit der gleichen Aufmerksamkeit und Achtung angehört, und da keine Rücksicht auf eine folgende Abstimmung