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Gesetzentwurf in Aussicht genommene Reichs anstalt vorgezogen hätten, weil vermittelst der- selben die Unfallversicherung leichter und schnel ler hätte eingeführt werden können. Die Referenten schlugen der Versammlung vor, sich mit Entschiedenheit gegen den Zug des Mifs- trauens auszusprechen, der in dem Entwurf deutlich gegen die Arbeitgeber hervortritt. Zur Begründung dieses gegen den Gesetzentwurf er hobenen Vorwurfs lassen wir hier einige diesen Gegenstand behandelnde Ausführungen des Re ferenten , Generalsecretär Bueck, folgen: „Der Gesetzgeber sagt ganz consequent: Bei den Krankenkassen bezahlt der Arbeiter Beiträge, da soll er auch bei der Verwaltung betheiligt sein, bei der Unfallversicherung soll er keine Beiträge zahlen und auch nicht an der Verwaltung theil nehmen. Sie wissen, meine Herren, wir ver langen, er soll Beiträge zahlen, damit er auch mit verwalten kann. Für zwei Punkte indessen nimmt der Gesetzgeber die Mitwirkung der Ar beiter in Anspruch, erstens bei der Festsetzung von Schutzmafsregeln und zweitens beim Ab schätzungsverfahren. Von letzterem will ich gar nicht sprechen, es würde mich zu weit führen. Das Verfahren ist derart geregelt, dafs die Wirkung der Bestimmungen nach meiner Ueberzeugung die sein wird, dafs in Zukunft die Entschädigungen von einem öffentlichen Beamten festgesetzt werden. Die Mitwirkung der Arbeiter beim Erlafs von Sicherheitsmafsregeln soll durch einen Arbeiterausschufs erfolgen, der aus 12 bis 24 Personen besteht und von den Vorständen der Krankenkassen zu wählen ist. Aber, meine Herren, kaum glaublich ist die Bestimmung, dafs, wenn die Vorstände der Krankenkassen zu diesem Wahlact zusammentreten, die Stimmen der Ar beitgeber ausgeschlossen sind. Diese Arbeiter ausschüsse können sich in Sectionen theilen, wählen ihren Vorsitzenden und berathen unter Leitung desselben. Ich glaube, dafs in den jenigen Gegenden, in denen die Socialdemokratie noch vorherrschend ist, wie in Sachsen, in Elber feld und Barmen — hier in Süddeutschland kennt man sie ja beinahe nicht, in unseren grofsen Eisenindustriebezirken auch kaum — die Herren dem Gesetzgeber ungemein dankbar sein werden für diese famosen Conventikel, die man für ihre internen Berathungen gebildet hat. Dies neben her. Ich habe Ihnen als eine der Aufgaben der Genossenschaft dargelegt, dafs sie berechtigt ist, für ihre Genossen Mafsregeln zur Verhütung von Unfällen festzustellen. Diese Sicherheitsmafs regeln müssen den Arbeiterausschüssen zur Be gutachtung vorgelegt werden. Meine Herren, Jeder, der mit Maschinenbetrieb zu thun gehabt hat, wird aus der Praxis wissen, dafs die gröfste Schwierigkeit darin lag. den Bestand der Sicher heitsmafsregeln gegen die Arbeiter zu vertheidigen, denn die Sicherheitsmafsregeln sind ihnen unbe quem, sie halten sie für überflüssig, weil sie durch die tägliche Gewöhnung gegen die Gefahr abgestumpft sind. Zum mindesten ist meines Wissens selbst in den gröfsten Etablissements noch niemals von den Arbeitern der Antrag ge stellt worden, eine Sicherheitsmafsregel zu treffen. Trotz dieser vorliegenden Erfahrungen sollen also die Sicherheitsmafsregeln vorher dem Arbeiter ausschufs zur Begutachtung vorgelegt werden.“ „Nun, meine Herren, die Vorschriften für die Befolgung dieser Sicherheitsmafsregeln sind ein integrirender Theil der Fabrikordnung, und zudem ist es allgemein gebräuchlich, dafs nach der Fabrikordnung derjenige der Arbeiter, der gegen die Sicherheitsmafsregeln verstöfst, mit einer kleinen oder gröfseren Ordnungsstrafe belegt wird, die meines Wissens überall in solche Kas sen fliefst, die zum Wohle der Arbeiter errichtet sind. Was soll nun in Zukunft stattfinden Da soll der Arbeitgeber, wenn ein solcher Ver- stofs gegen die Befolgung der Vorschriften zur Sicherung der Arbeiter vorliegt, nicht berechtigt sein, den Mann in diese Ordnungsstrafe zu neh men, sondern er soll bei der Ortspolizeibehörde die Bestrafung beantragen und dem Arbeiter steht wegen vielleicht 50 Pfg. Ordnungsstrafe noch innerhalb acht Tage das Berufungsrecht bei der höheren Aufsichtsbehörde zu. Was wird die Folge sein? Glauben Sie, dafs unsere grofsen Fabricanten, die Arbeiter - Armeen beschäftigen, bei etwaigen Vorkommnissen sich einem solchen Polizei- und Berufungsverfahren aussetzen wer den? Sicher nicht! Entweder werden sie zu geben, dafs die Sicherheitsmafsregeln umgangen und aufser Acht gelassen werden, oder sie wer den in Zeiten, wo es die Gonjunctur gestattet, einen solchen Arbeiter lieber gehen lassen, als sich mit ihm vor die Ortspolizeibehörde zu schlep pen und sich dem Berufungsverfahren auszu setzen. Beide Folgen sind lediglich nachtheilig für den Arbeiter, und, meine Herren, sie sind entstanden aus dem Mifstrauen, dafs der Arbeit geber diese kleine Macht, die er nach der Fabrik ordnung darin besitzt, die Arbeiter in kleine Ord nungsstrafen zu nehmen, in gröblicher Weise mifsbrauchen wird.“ „Meine Herren, ich bin überzeugt, dafs das in neuerer Zeit hervortretende Bestreben, dem Arbeiter im öffentlichen Leben immer gröfsere Rechte einzuräumen und ihn gegen Uebergriffe der Arbeitgeber zu schützen, aus aufrichtigen, humanen Absichten hervorgeht. Ich glaube aber, dafs man bei diesen Bestrebungen vielfach von falschen Voraussetzungen ausgeht und infolge dessen auch zu falschen Zielen gelangt. Meine Herren, wenn jeder Mensch den gleichen Grad sittlicher Erkenntnifs, der Selbstbeherrschung, des Gefühls der Selbstverantwortung und des Rechts gefühls, mit einem Wort den gleichen Grad gemeiner Bildung haben würde, den sich doch