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126 Nr. 4. „STAHL ÜND EISEN. 4 April 1882. nachfolgende Bruch eintritt, die Zähigkeit des Materials in vollem Mafse beansprucht wird. Das Mafs für die Zähigkeit an der Bruchstelle ist aber die dort gemessene Contraction, mit wel cher übrigens an der kurzen localen Einschnü rung eine entsprechende Dehnung verbunden ist. Ein weiterer Vorwurf, fuhr Herr W. fort, rich tet sich gegen die Aufstellung der sogenannten Qualitätszahl, d. h. der Summe aus Gontractions- und Festigkeitszahl, da eine Summirung ungleich artiger Zahlen nicht statthaft sei. Die Commis sion deutscher Eisenbahnverwaltungen ist bei Normirung der Qualitätszahl von der Ansicht ausgegangen, dafs bei gleicher Güte des Materials die Zähigkeit und die Festigkeit in einem Wech- selverhältnifs stehen, zufolge welchem die durch eine Abnahme (natürlich innerhalb beschränkter Grenzen) der einen entstehenden nachtheiligen Folgen durch eine Zunahme der andern com- pensirt werden. Es galt also nur, äquivalente Mafszahlen für Zähigkeit und Festigkeit aufzu stellen, und diese sind, wie bekannt, auf Grund umfangreicher Versuchsresultate und Erfahrungen so aufgestellt, dafs die Contractionszahl des Bruchquerschnittes in Procenten bezogen auf den ursprünglichen Querschnitt und die Festigkeits zahl in kg pro qmm ausgedrückt werden. Wenn diese, sich gegenseitig entsprechenden Mafszahlen so einfach gleichwerthig herzustellen sind, so ist dies ein Spiel des Zufalls, jedoch darf daraus nicht der Vorwurf der Unmöglichkeit der Ad dition abgeleitet werden. Wenn Herr Prof. Tetmajer in Zürich statt unserer aus zwei Summanden bestehenden Qua litätszahl das Product aus bleibender Dehnung und Bruchfestigkeit aufstellt, so ist schon nach gewiesen , dafs die Gesammtdehnung kein rich tiges Mafs für die Zähigkeit ist, sondern nur die an der engbegrenzten Stelle der Einschnürung zu messende Dehnung, welcher die Localcontraction entspricht. Wenngleich nun das Mafs der letz teren auch nur die Zähigkeit für die Bruchstelle selbst angiebt, so lehrt die Erfahrung, dafs bei gutem Material die Zähigkeit überall als an nähernd gleich angenommen und die an der Zer- reifsungsstelle gemessene Contractionszahl für den ganzen Stab eingesetzt werden kann. Zur Erleichterung der Fabrication hat die Commission der E. B. V. den zwei Zahlen, durch deren Summirung die Qualitätszahl gebildet wird, möglichst weite Grenzen, innerhalb deren jede ein zelne schwanken darf, bewilligt, hierbei ein Minimum für jede einzelne Zahl bestimmend, das natürlich von einem höheren Betrage der jeweiligen an dern Zahl begleitet sein mufs. Wenn nun bei einer Probe eine geringere Zähigkeit und bei einer andern eine geringere Festigkeit eine hin reichende Qualität ergiebt, so ist der Schlufs der Hüttenleute, dafs bei gleichzeitigem Eintreffen von geringerer Zähigkeit und Festigkeit auch noch eine genügende Qualität vorhanden sei, nicht berechtigt. Es kommt dieser Schlufs auf die Logik hinaus, welche bei der Fütterung eines Rosses in Anwendung kommt, wenn man das selbe zuerst mit zwei Füttereinheiten in Hafer und acht Futtereinheiten in Heu und dann mit sieben Futtereinheiten an Hafer und drei Futter- einheiten an Heu, also in summa jedesmal mit zehn Futtereinheiten satt füttert und dann fol gert: kommt in einem Fall das Rofs mit zwei Einheiten Hafer und im andern mit drei Ein heiten Heu aus, so kann es überhaupt mit den fünf Futtereinheiten bestehen. Manch armes Rofs beweist die Hinfälligkeit einer solchen Logik. Im weiteren Verlauf seiner Rede vertheidigt Herr W. die Lieferungsbedingungen der Eisen bahnen gegen den von Herrn Dr. Wedding er hobenen Vorwurf, dafs die Bedingung, welche einfachFlufsstahl als Schienenmaterial vorschreibt, ein Widerspruch sei, da doch die noch zu lässige Qualitätszahl schon dem Flufseisen an gehöre. Herr Wöhler hält dafür, dafs die Begriffe Flufsstahl, Flufseisen und ebenso auch Härten, durch dessen Vornahme die Nomenclatur der beiden ersteren entschieden werden soll, alle drei nicht hinlänglich festgestellt und kommt der er hobene Vorwurf dadurch in Wegfall, dafs die Wahl des Namens gleichgültig, so lange man sich über die Anforderung an Festigkeit und Zähigkeit einig sei. Wenn ferner Herr Wedding die Vorschrift, dafs die Gufsblöcke fehlerfrei, vollkommen homo gen, fest und dicht sein sollen, vom Standpunkte der Fabrication überflüssig und ungerechtfertigt nennt, so kann Herr W. dies deshalb nicht an erkennen, weil bei Flufsstahl derartige Fehler nicht wie beim Schweifseisen oder Stahl durch die weitere Bearbeitung verschwinden. Der weiteren Ansicht des Herrn Wedding, welcher die Hüttenwerke als aufser Stande be zeichnet, die Versuche auf ihren Werken selbst in genügender Weise vorzunehmen, tritt Herr Wöh ler entgegen und hält diese Einrichtung für nütz lich und wohl angebracht. Gegenüber dem von Herrn Wedding auf Grund der Untersuchungen Dudleys geäufserten Vorschläge, die Dehnung zu messen, aber an Stelle der Contractionszahl die chemische Zu sammensetzung vorzuschreiben, legte Herr Wöhler den Untersuchungen Dudleys keinen mafsgeben- den Werth bei. Dudley hatte bekanntlich im Auftrag der Pennsylvanischen Eisenbahn eine gröfsere Anzahl Schienenstücke, welche aus den verschiedensten Lagen, wie inneren und äufseren Kurven, Stei gungen etc. entnommen worden waren und von denen die Hälfte sich im Betrieb bewährt, die andere Hälfte als schlecht erwiesen hatte. Dudley analysirte sämmtliche Schienen und stellte die