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210 Nr. 6. „STAHL UND EISEN.“ Juni 1882. zu häufiger Anwendung von Whitwell- und Cowper-Apparaten. Nach Mr. Jeans sind in Grofs- britannien 51 Hochöfen mit Cowper- und 61 mit Whitwell-Apparaten versehen, d. i. 112 von im ganzen 968 Oefen, im Zollverein zählen wir 24 Hochöfen mit Whitwell- und 3 Hochöfen mit Cowper-Apparaten. Die durch Anwendung seiner Apparate erzielte Koksersparnifs schätzt Mr. Cowper auf 10 °/o gegenüber den besten eisernen, und auf 2O n /o gegenüber minder guten, im Middlesborough- bezirk will man 4 bis 41/2 Ctr. Koks auf die Tonne Roheisen erspart haben. Die Bedeutung hoher Windtemperaturen liegt aber nicht allein in Brennmaterialersparnifs und Productionsvermehrung, sondern auch in dem Einflüsse auf die Beschaffenheit gewisser Eisensorten. Die erkannte Unzulänglichkeit der ursprünglichen Whitwell-Apparate führte überall zu bedeutenden Erhöhungen, d. h. zur Vergröfserung der Heizflächen bis zum doppelten der früheren. Gleichwie bei Dampfkesseln spielt die Qualität der Heizfläche eine geringere Rolle als die Quantität. Bequeme Reinigung und Auswechselung, Halt barkeit sind wichtige Factoren zur Beurtheilung der Güte eines Heizapparates, vor Allem aber ist die Gröfse der Feuerfläche mafsgebend und können wir den Engländern das Verdienst nicht streitig machen, dies frühzeitig erkannt zu haben. DieVentile der Whitwell- und Cowper-Apparate lassen manches zu wünschen übrig bezüglich dichten Schlusses und Haltbarkeit. An vielen Stellen wurden ohne Schaden die lästigen Wasser kühlungen beseitigt. Der Hauptfehler liegt jedenfalls in den Undichtheiten. Wenn man bedenkt, dafs ein mit 4 Whitwell-Apparaten — wovon drei auf Gas, einer auf Wind steht — arbeitender Hochofen annähernd 40 laufende Fufs Dichtungsflächen in unzugänglichen, dem Verstauben ausgesetzten Ventilen und Schiebern bietet, also bei nur Linien durchschnittlichem Spielräume schon 10 Quadratzoll freien Ausströmungsquerschnitt == 2 Düsen von 2 1/2 Zoll lichter Weite ergiebt, so mufs man den Bestrebungen des Herrn Burgers, die bisherigen Unvollkommenheiten durch bessere Anordnungen zu ersetzen, recht willkommen heifsen. Unsere Zeitschrift wird den Gegenstand dem nächst ausführlich behandeln. Ein wesentlicher Fortschritt liegt in dem jetzt üblichen raschen und einfachen Anblasen. Während früher Zeit und Koks vergeudet wurden, ist das heute auf ein geringes Mafs beschränkt, ohne Einbufse an Sicherheit und Zuverlässigkeit. Trotzdem die granulirte Schlacke ein dreifach gröfseres Volumen als gewöhnliche einnimmt, hat sich die Granulation doch ziemlich eingebürgert; an einzelnen Stellen nöthigte dazu der die Nachbarn sehr belästigende Staub der zerfallenden, ungranulirten Schlacke. Die von der Georgs- Marienhütte, beziehungsweise Herrn Fritz Lürmann eingeführte Verarbeitung der granulirten Schlacke zu Baumaterial ist an vielen Orten erfolgreich nachgeahmt worden, während die vielgepriesene Schlackenwolle sich wenig bewährte und wohl allmählich wieder verschwinden dürfte. Hohes Möllerausbringen, hinreichende Menge und erhöhte Temperatur des Windes sind die Grundbedingungen für grofse Productionen; gute Kessel- und Maschinenanlagen sind hierzu unerläfs- liehe Bedingungen, werden thatsächlich auch überall angestrebt. In Amerika bedingt die Natur der Rohmaterialien, namentlich des Brennstoffes, viel stärkere Windpressungen als in Europa, und sind dort Pressungen bis zu 13 Pfund auf den Quadratzoll keine Seltenheit, aber auch hier steigern sich die Anforderungen, so wurden neuerdings einer Maschinenbauanstalt 9 Pfund vorgeschrieben. Die Selbstkosten des Roheisens setzen sich zusammen aus dem Ankäufe der Rohmaterialien und den Transportkosten, aus Löhnen, Generalunkosten und einigen anderen kleineren Posten. Die Preise der Rohmaterialien am Gewinnungsorte sind meist von unserm Einflüsse unabhängig und höchstens durch Auffindung neuer Bezugsquellen oder Erweckung anderweitiger Concurrenz vor Ueberschreitnngen zu wahren. Der Schwerpunkt liegt in den Transportkosten, wir dürfen niemals in unseren Bestrebungen erlahmen, für billige Frachtsätze, bequeme Anfuhr- und Absatzwege ein zutreten. Die Löhne hängen von der Höhe der Production, also hauptsächlich von den Einrich tungen ab, ebenso wie andere Nebenkosten, z. B. Stochkohlen für Kessel, Erneuerungen, Repara turen u. s. w. Die Generalunkosten werden vermindert durch grofse Productionen und hinreichende financielle Grundlagen der Werke, ohne welche ein dauerndes Gedeihen unmöglich ist. Allenthalben klagt man über den bösen Einflufs der Warrantsspeculationen an der Börse in Glasgow. Eine Einrichtung, welche zur Unterstützung und zum Segen der Eisenindustrie gegründet wurde, hat thatsächlich eine höchst schädliche Ueberproduction befördet, colossale Vorräthe zinslos angehäuft, das frivole Spiel tollster Speculationen hervorgerufen und lastet wie ein Fluch auf der Eisenindustrie der gesammten Welt. Meine Herren! Wenn ich hiermit die Einleitung beschliefse, so leitet mich allein die Absicht, in keinerlei Weise den folgenden Berichten und der Debatte vorgreifen, Niemand den Stoll zu entziehen, sondern lediglich einige Hauptgesichtspunkte aufstellen zu wollen, an welche sich die Erörterungen und Miltheilungen anlehnen können, möchte nur noch den Wunsch aussprechen, dafs wir die einzelnen Betriebe erst nach Anhören der Specialreferate behandeln. (Bravo!)