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Februar 1882. STAHL UND EISEN.“ Nr. 2. 69 gangenen Rechtshandel in seinen Hauptzügen nach dem Bericht eines amerikanischen Fach blattes »The Engineering and Mining Journal«, und zerfällt derselbe demzufolge in zwei Streit punkte, Punkt A, gemäfs welchem Härmet ein Patent auf das Verfahren des Entsilici- rens von phosphorhaltigem Roheisen in einem Bessemer-Converter mit siliciumhaltigem oder anderm Futter verbunden mit darauffolgendem Fertigblasen in einem zweiten Bessemer-Converter mit kalkbasischem Futter in Gegenwart von basi schen Zuschlägen ertheilt war, und Punkt B, der die Bewerbung von Thomas, Reese und Osann auf Ertheilung eines Patentes für Stahl- fabrication vermittelst eines Verfahrens enthält, wobei phosphorhaltiges Eisen zuerst in einem sauren Converter entsilicirt und dann in einem Ofen mit offenem Herd und Kalkfutter ent- phosphorisirt wird. Wir brauchen nicht auf die Frage uns einzulassen, welcher von den ver schiedenen Beanspruchern, Osann, Härmet oder Thomas, der erste Erfinder in jedem Fall war, weil sie alle ihre Ansprüche auf Erfindungen begründen, die innerhalb der letzten vier Jahre gemacht worden sind, während der vierte, Reese, daran festhält, dafs er das Grundwesen schon vor vielen Jahren entdeckte. Die Geschichte von den früheren Anstrengungen und Erfolgen Thomas’ ist zu bekannt, um hier von neuem aufgefrischt zu werden. Durch aus dauernde wissenschaftliche Nachforschungen ge lang es Thomas und denjenigen, welche seine Idee auffafsten und weiter ausbildeten, eine That- sache nach der andern, welche jetzt als die wesentlichen allgemein bekannt sind, an das Licht zu bringen. Die Nothwendigkeit des Vorhanden seins eines Kalkfutters, sowie basischer Zuschläge bildete den Anfang der Entdeckung, sodann er kannte man, dafs die eigentliche Entphosphori- sirung fast ausschliefslich während des Nachblasens vor sich geht, und endlich machte man die Ent deckung, dafs der Phosphor geeignet ist, das Silicium als das Element zu ersetzen, dessen Ver brennung nothwendig ist zur Erzeugung der hohen Temperatur, der die Charge zum Flüssigbleiben und zur Lieferung guter Gufsblöcke bedarf. Reese constatirt in seiner Zeugenaussage, dafs er im Frühjahr 1865 in mit Kalkstein ausge fütterten Schmelztiegeln experimentirte, indem er darin Roheisen mit Erzschlacke und Kalk in der Absicht, das erstere zu entphosphorisiren, zu sammenschmolz. Es mifslang ihm, weil die j Fütterung von dem Tiegel absprang. Er con- struirte dann einen Flammofen, der mit Kalk steinen ausgefüttert und mittelst Oel geheizt wurde, und durch diese Methode gelang es ihm, den Phosphorgehalt bedeutend zu reduciren. Im Jahre 1866 baute er eine Anlage, um metallische Oxyde durch die Anwendung von Wasserstoff und Kohlenwasserstoffgasen zu reduciren. Die Anlage bestand aus einem Cupolofen und einem kleinen stationären Converter, er schmolz in dem ersteren das Eisen mit Kalk und Eisenoxyden zusammen und liefs die Masse dann in den mit Kalkstein ausgefütterten Converter .laufen. Das Resultat fiel nicht besonders aus, das Metall er starrte und die Fütterung flofs sehr schnell herunter, weil die Asche des Heizmaterials sili ciumhaltig war. Er fand dabei, dafs bei einem hohen Gehalt der Schlacke an Phosphor der selbe sich in basischer Verbindung befand, und ferner, dafs er bei einem geringen Siliciumgehalt der Schlacke geringere Schwierigkeit hatte, die Masse flüssig zu halten. Nun fütterte er den Converter wieder mit feuerfesten Steinen aus und versah den anstofsenden offenen Herdofen mit Kalkfutter, dann schmolz er Pine-Creek-Eisen mit 1,6 °/o Phosphorgehalt, liefs es in den Con verter laufen, blies dann, bis der Kohlenstoff und das Silicium entfernt waren, und gofs es endlich in den offenen Herdofen., in den er eine aus Kalk und Eisenoxyden zusammengesetzte Schlacke geworfen hatte, und reducirte so den Phos phorgehalt bis auf 0,21 %. Er baute dann einen zweiten Converter, und nachdem er das Eisen mit Kalk als Flufsmittel zusammenge schmolzen hatte, blies er es zuerst in einem sauren Converter und behandelte dann einen Theil in der mit Kalk ausgefütterten Birne, wodurch er den Phosphorgehalt bis auf 0,10 % heruntertrieb. Am 21. December 1867 zerstörte eine Kessel explosion die Anlage, aber sie wurde wieder her gestellt und weitere Versuche angestellt, bis sie endlich durch Feuer am 8. Januar 1870 ver nichtet wurde. Mr. Reese sagt in seiner Zeugen aussage aus, dafs er zur Befestigung des Futters in den Birnen eine Mischung von Petroleum und Kalk anwandte. Nach stattgehabter Explosion machte Reese eine Reihe von Versuchen „in der Absicht, mittelst Benutzung von phosphor haltiger Schlacke Eisen von hohem Phosphorge halt herzustellen, um sich eine höhere Temperatur in dem basischen Converter zu sichern, da er vorher bemerkt hatte, dafs das Metall während und nach der Entphosphorisirung desto flüssiger blieb, je höher der Phosphorgehalt war.“ Aus diesem Auszug der Zeugnifsaussage von Reese ersehen wir, dafs fast jeder einzelne der Punkte, welche jetzt nach Jahren mühevoller Nachforschungen seitens der geschicktesten Hütten leute und Chemiker Europas als die zur Ent phosphorisirung wesentlichen erkannt sind, von Reese als ihm schon seil Jahren bekannt bean sprucht wird. Obgleich die amerikanischen Zeit schriften vor der Versammlung des »American Institute of Mining Engineers« im Mai 1879 in Pittsburg den Prozefs Schritt für Schritt ver folgten und mittheilten, behauptete er, dafs ei erst bei dieser Gelegenheit von dem hörte, was anderwärts vor sich ging. Es ist zu bedauern.