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Januar 1882. »STAHL UND EISEN.“ Nr. 1. Diese Ursachen, denen noch verschiedene angereiht werden könnten, verbanden sich, um der vermehrten Nachfrage nach Meistern und den erhöhten Anforderungen an dieselben vermindertes Angebot und geringere Leistungsfähigkeit gegenüberzustellen. Unter diesen Verhältnissen mochte bei den intelligenten Vertretern der Eisenindustrie wohl schon seit Jahren der Wunsch rege werden, in ähnlicher Weise, wie der Bergbau in seinen Bergschulen, so für die Hüttenindustrie und Ma- schinenfabrication in einer Hüttenschule ein Mittel zur Heranbildung von Unterbeamten zu besitzen. War und ist doch in dem verwandten Gewerbe des Bergbaus trotz seiner vielleicht ebenso unge stümen Entwicklung niemals auch nur annähernd ein so empfindlicher Mangel an Unterbeamten hervorgetreten. Ich unterlasse es, auf die Gründe einzugehen, welche die Eisenindustrie daran ge hindert haben mögen, bisher aus eigener Kraft sich eine derartige Schulanstalt zu schaffen. War diese Industrie als die nützlichste und nothwendigste des Landes doch gewifs auch berechtigt, aus zuschauen nach der Hülfe des Staats, welcher seine Mittel dem Kunstgewerbe nicht versagte und überdies der Eisenindustrie eine Schule entfremdete. Mit der durch die erneute Reorganisation der Gewerbeschulen gebotenen Umbildung der könig lichen Gewerbeschule zu Bochum reifte der Plan und fand die Zustimmung der Königlichen Staats regierung, die stets öde gebliebenen Fachklassen dieser Schule zu ersetzen durch eine niedere Fach schule zur Ausbildung von Meistern an Eisenhütten und Maschinenfabriken, und wie Ihr geehrter Herr Vorsitzender soeben schon erklärte, hat dieser Plan auch die lebhafteste Sympathie in den Kreisen der Industrie gefunden, welcher er dienen soll. Nach den Vereinbarungen zwischen den Vertretern der Stadt und der Königlichen Staats-Re gierung ist für die finanzielle Unterhaltung der neuen Schule ein beträchtlicher Zuschufs auf eine längere Reihe von Jahren gesichert und hat die Stadt sich bereit erklärt, für ein etwaiges Deficit aufzukommen. Nachdem somit das finanzielle Fundament für die Schule geschaffen war, mufste man herantreten an ihren Aufbau und an die Organisation derselben. Hierbei mit zu rathen und mit zu thaten war aber vor allem Ihr Verein berufen, dessen Mitglieder zum guten Theil als Directoren und Ingenieure der Werke mit den Meistern, welche die Schule heranziehen soll, gemeinsam und in unmittelbarem Verkehre zu wirken und zu schaffen haben. Ihr Vorstand ist dahin gehenden Bitten mit liebenswürdiger, dankenswerther Bereitwilligkeit entgegengekommen. Als die Frucht der Berathungen im Schofse Ihres Vorstandes und einer von ihm zu diesem Zwecke besonders niedergesetzten Commission befinden sich, wie ich annehme, in Ihren Händen die Grundzüge der Organisation einer Eisenhüttenschule in Bochum für die Ober bergamts-Bezirke Dortmund und Bonn. Es ist hier nicht der Ort und die Zeit gegeben, um ausführlich die einzelnen Bestimmungen dieses Planes zu erläutern und zu begründen; ich mufs mich darauf beschränken, die hauptsäch lichsten, mafsgebenden Gesichtspunkte hervorzuheben. Vor allem war das Ausbildungsziel, der Zweck der Schule scharf zu begrenzen. Um es zunächst negativ auszudrücken, so konnte es sich bei dieser Schule nicht handeln um die Ausbildung von soge nannten Ingenieuren zweiter Klasse, vielmehr war das Ziel die Heranbildung von Meistern. Die selben sollen aus den fähigeren Arbeitern hervorgehen, aber die Schule darf sie nimmermehr los lösen von der Arbeit und den Arbeitern, deren unmittelbare Beaufsichtigung und Anleitung ihnen obliegt. Aus diesem Gesichtspunkte konnten die theoretischen Anforderungen für die Aufnahme in die Schule verhältnifsmäfsig niedrig normirt werden. Der Organisationsplan verlangt im allgemeinen nicht mehr als das, was eine gute Volksschule zu lehren vermag, ja. es mufste sogar das gute und solide Wissen der Volksschule im Vorzug erscheinen vor dem. unabgeschlossenen Wissen, welches auf den unteren und mittleren Klassen höherer Unterrichtsanstalten verlangt werden kann, da es vor unberechtigten Prätensionen sichert. Höher waren aus demselben Gesichtspunkt die Anforderungen bezüglich der praktischen Vorbildung der aufzunehmenden Schüler zu stellen. Der Organisations plan fordert eine mindestens vierjährige praktische Arbeit auf einem Hüttenwerk oder einer Maschinen fabrik. Diese Arbeitszeit allein kann als genügend erscheinen, um den Schüler mit Kenntnissen und Erfahrungen zu versehen, an welche eine gedeihliche Arbeit der Schule anzuknüpfen und auf welchen sie weiter zu bauen vermag. Es würde auf diese Weise vermieden, dafs, sehr zum Schaden des Fachunterrichts, wie es bei anderer Einrichtung der Fall ist, dieser ertheilt werden soll an mit der Fachpraxis absolut Unvortraute. Die Schule soll aus der Praxis hinüberleiten in die Praxis; sie soll nicht Fundament, sie soll Bindeglied sein, um hinüberzuleiten aus der empirischen, blofs nachgemachten Praxis zu einer reflectirenden, selbstdenkenden Praxis. W eil die Schüler infolge der vorausgegangenen mehrjährigen Arbeit bereits zu jungen Männern gereift sind, so ist über ihre Geeignetheit für den erwählten Beruf bereits durch die Praxis entschieden; ihr zielbewufster Ernst verbürgt den Erfolg des Unterrichts. Da die betreffenden Arbeiter schon seit Jahren der Volks schule entwachsen sind, so bedarf es eines Aufnahme-Examens, um die Lehrer über den Stand punkt des Wissens dieser Schüler zu vergewissern. Es ist zu gleicher Zeit für die Schule zunächst