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November 1881. «STAHL UND EISEN.“ Nr. 5. 201 geboten ist, da sie hierin den Weg zu einer zweck mässigen Entlastung der Reichskasse durch Selbst verwaltung erblickt. B. Betreffend die Invaliden- und Altersversorgung. 1. Die DelegirtenVersammlung des Centralverbandes deutscher Industrieller hält die von der III. General versammlung am 22. September 1879 zu Augsburg gefassten Resolutionen in vollem Umfange aufrecht. Eine bessere Versorgung der invaliden und alters schwachen Arbeiter bleibt ihr eine Aufgabe, deren Lösung eins der hauptsächlichsten Ziele aller be- theiligten Kreise sowie des Staates sein muss. 2. Die Delegirtenversammlung kann jedoch nicht ver kennen, dass die Erreichung dieses Zieles auf dem Wege einer allgemeinen, obligatorischen Versiche rung, wenn nicht unmöglich, so doch höchst zweifel haft ist. Zur Zeit wenigstens stehen einer solchen Versicherung in den Arbeiter- und Productions- Verhältnissen, in der Rücksicht auf die Nothwendig- keit, den internationalen Wettbewerb bestehen zu können, in dem Mangel statistischer Grundlagen, wie ferner in der noch nicht genügenden allge meinen Culturentwicklung sehr ernste Schwierig keiten entgegen. 3. Die allmähliche Erreichung jenes Zieles muss jedoch mit Energie erstrebt werden, insbesondere durch Sammlung von statistischem Material, durch An regung und Förderung der privaten und freiwilligen und genossenschaftlichen Thätigkeit, durch Ver mehrung der Gelegenheit zum Sparen, sowie durch Aufstellung rationeller Grundsätze und eventuell gesetzlicher Normativbedingungen für Arbeiterver sicherungen. 4. In Erwägung aber, dass dieser Weg nur langsam mit der fortschreitenden Culturentwicklung zum Ziele führen kann; dass jedoch im Interesse der Humanität und des socialen Friedens eine mög lichst schnelle Besserung des Looses der invaliden und altersschwachen Arbeiter als dringend noth wendig anerkannt wird, erachtet die Delegirten versammlung eine möglichst baldige Reorganisation des Armenwesens für geboten, bei welcher folgende Gesichtspunkte hauptsächlich ins Auge zu fassen wären: a) Gleichmässigere und gerechtere Vertheilung der Lasten in grösseren Bezirken, etwa nach Mass gabe der Steuerkraft der Einzelnen, gegenüber der jetzigen ungleichmässigen und ungerechten Vertheilung der Armenlast nach Massgabe zu fälliger Ansammlung solcher Elemente an ein zelnen Orten, welche die grössten Gontingente für die Armenpflege stellen. b) Durch eine solche Vertheilung der Lasten Be schaffung ausreichender Mittel zu wirksamer Unterstützung wirklich Hülfsbedürftiger. c) Schaffung von Einrichtungen, durch welche die Durchführung einer verschiedenen Behandlung der Nothleidenden nach Massgabe des eigenen Verschuldens ermöglicht und dem Missbrauche der Armenpflege durch Arbeitsscheue und Bös willige wirksamer gesteuert wird. 3. ad Vdlkswirthschaftsrath. (Referent Rentzsch.) Gegenüber den Beschlüssen des Reichstags in der Session von 1881, betr. die Etatsposition für einen deutschen Volkswirthschaftsrath, erachtet der Centralverband deutscher Industrieller — ge treu seinem schon im Februar 1878 einstimmig gefassten Beschlusse — die Einsetzung eines deut schen Volkswirthschaftsrathes für erforderlich, welcher, aus höheren Beamten und Vertretern des Handels, der Industrie (der Gewerbe), der Land- wirthschaft und des Verkehrswesens bestehend, V, als von der Reichsregierung anerkannter Beirath derselben in volkswirthschaftlichen Fragen fungirt. 4. ad Zweite Stückgutklasse. Beharren bei den hierüber schon früher ge fassten Beschlüssen. (In den Sitzungen des Gentralverbandes am 25. /26. September wurden die oben verzeichneten Anträge ad 1. deutsch-russischer Handelsvertrag, 2. Unfall versicherung , Invaliden- und Altersversorgung ange nommen. Die Anträge ad Volkswirthschaftsrath und Zweite Stückgutklasse gelangten wegen Mangel an Zeit nicht zur Berathung.) IV. Interne Vereins-Angelegenheiten. 1. Beschlossen wird, die diesjährige Generalver sammlung des Vereins gegen Ende October abzuhalten, jedoch den Herrn Vorsitzenden auch zu deren späterer Berufung zu bevollmächtigen, falls eine etwaige Re gierungsvorlage über ein Gesetz für Unfall- und Invali ditätsversicherung dies wünschenswerth erscheinen lassen sollte. 2. Als Delegirte des Vereins zu den betreffenden Sitzungen des Centralverbandes deutscher Industrieller werden gewählt: a) an Stelle des ausgeschiedenen Herrn Hofrath v. Bühler: Herr Domänenrath Klewitz in Slavenciz, b) an Stelle des verstorbenen Herrn Schimmelbusch: Herr Geh. Commerzienrath Baare. 3. Der Vorstand erklärt seine Zustimmung zu der event. Vereinigung der süddeutschen (München), der südwestdeutschen (Strassburg), der mittelwestdeutschen (Frankfurt am Main) Gruppen zu einer bez. zwei süd deutschen Gruppen. V. Eisenbahntarifwesen. 1. Expeditionsgebühren. Die nordwestliche Gruppe beantragt: 1. Der Vorstand des Hauptvereins wolle sich zunächst mit dem Principe einverstanden erklären, dass die Forderung, bei Aufgabe grösserer Quantitäten von Gütern an einen Empfänger die Expeditionsge bühren zu ermässigen, berechtigt ist. Gestützt auf dieses Princip, wolle der Vorstand eine besondere Commission mit der Ermittelung beauftragen, hin sichtlich welcher Güter und Transportlängen An träge auf Ermässigung der Expeditionsgebühren, bezw. bis zu welchen Beträgen gestellt werden können. 2. In Erwägung, dass mit Rücksicht auf die voraus sichtlich den landesüblichen Zinsfuss überschrei tende Verzinsung des zum Ankauf der Bahnen seitens des Staates verwendeten Kapitales bei sorg fältiger Prüfung und Behandlung eine Ermässigung gewisser, den Interessen des Vereins zunächst liegender Frachtsätze zu erreichen sein dürfte, im Hinweis auch auf die bei Inaugurirung des Staats bahnsystems gegebenen Zusagen, dass die Bahnen in erster Reihe im allgemeinen Interesse des Ver kehrs und nicht vorzugsweise im fiscalischen In teresse verwaltet werden sollen, wird die Ernen nung einer permanenten Commission beantragt, welche dem Vorstande ihre Vorschläge über Tarif ermässigung unterbreitet, sobald und insoweit die finanziellen Betriebsresultate der Bahnen die selben rechtfertigen lassen. Beide Anträge werden nach längerer Debatte an genommen. Beschlossen wird ferner, deren weitere Verfolgung einer und derselben Commission zu über tragen , bestehend aus den Herren General-Director Lueg, Geh. Finanzrath Jenke, Director Ehrhardt, Director Ottermann und Hauptmann Schimmelfennig, jedoch mit dem Recht, andere Vereinsmitglieder, ebenso einen Eisenbahntechniker, zu cooptiren. 5