Volltext Seite (XML)
zwei Jahren einen sehr beifällig aufgenommenen Vortrag vor der Institution gehalten hat. Von der Anwendung von Unterwind hält man in diesem Land nicht viel. Ein paar Anhänger dieses Systems sind auf Kosten ihrer eignen Tasche von der Vorliebe für dasselbe curirt worden. Vielleicht waren die anfänglichen Versuche von Unglück begleitet und haben uns den Muth genommen, das richtige System ernsthaft zu versuchen. Die Segelschiff-Rhedereien in Deutschland sind lange Anhänger des Holzes gewesen und ihr Wider stand gegen das Eisen ist nicht eher überwunden worden, als bis die Schiffbauer bewiesen hatten, dafs sie eiserne Schiffe zu bauen imstande sind, welche so schnell wie unsere alten hölzernen Klipper segeln können und dabei sehr wenig Ballast verlangen. In den letzten 20 Jahren ist indessen eine Anzahl sehr schöner Eisen- und Stahlschiffe auf deutschen Schiffswerften gebaut worden, darunter einige, welche sich hohen Ruf wegen der Schnellig keit ihrer Fahrten erworben haben. Ich erinnere an das aus Stahl von Blohm & Vofs erbaute Vollschiff „Preufsen", welches von Iquique nach Hamburg in 71 Tagen fuhr; die eiserne Bark „Luna“, erbaut von der Germania-Werft, von Rangoon nach Falmouth in 92 Tagen; Stahl-Viermaster „Placilla", erbaut von Tecklenborg, vom Kanal nach Valparaiso in 58 Tagen; „Selene“, erbaut aus Stahl auf der Rostocker Werft, vom Kanal nach Melbourne in 71 Tagen; „Hebe“, erbaut aus Stahl von Blohm & Vofs, vom Kanal nach Adelaide in 69 Tagen. Das letztgenannte Schiff legte 13 485 Seemeilen mit einer Durch schnittsgeschwindigkeit von 8,14 Meilen in der Stunde und die „Selene“ sogar 91/4 Knoten bei einem Gurs von 6425 Meilen zurück. Auf der Werft von Tecklenborg wurde im letzten Jahr „Potosi“,* ein Fünfmaster aus Stahl, das gröfste Segelschiff der Erde, gebaut. Die Abmessungen sind 110 m zwischen den Ver- ticalen, 15 m Breite und 9,46 m Tiefe bei 4026 Register-Tonnen. Das Schiff vermag eine Ladung von 6200 tons zu tragen und verdrängt 8470 tons bei 7,63 m Tiefgang; es kann eine Segelfläche von 4647 qm entfalten. Es hat sich als ein sehr schneller und bequem zu handhabender Segler erwiesen, welcher mit gröfster Leichtigkeit kreuzt. Die hohen Beanspruchungen, denen diese grofsen Schiffe bei voller Ladung unterworfen sind, haben es gerathen erscheinen lassen, über die Vorschriften von Lloyds hin auszu gehen. Ein Schott hei jedem vollen Mast hat sich als eine ausgezeichnete Querverstärkung erwiesen, und ein auf 1/6 der Schiffslänge mittschiffs einge bautes Brückenbaus erhöht nicht nur die Con- structionsfestigkeit, sondern verleiht dem Schiffe auch noch eine grofse Reserve an Schwimmfähig * Gehört der Rhedereifirma Laeisz an. Red. keit und verhindert, dafs das Deck vorn und hinten überschwemmt wird. Nur wenige unserer Segelschiffe sind für Wasser ballast eingerichtet, vielleicht weniger aus tech nischen, als vielmehr aus ökonomischen Gründen. Wo man Wasserballast aufnehmen will, zieht man tiefe Wassertanks entschieden einem doppelten Boden vor, welcher den Schwerpunkt des Schiffs zu einem gefährlichen Punkt erhöhen kann, sobald das Schiff mit einer gleichmäfsigen Ladung wie Kohle, Reis u. s. w. beladen ist. Nur wenige deutsche Rhedereien hatten Ver trauen zu den „composite“-Schiffen, (eiserne Spanten, hölzerne Beplankung) es ist auch dem entsprechend die Zahl der für Deutschland er bauten Schiffe dieser Art aufserordentlich klein geblieben, glücklicherweise, kann ich hinzufügen, da dieser Schiffstyp bald veraltet war. Stahl wurde von Anbeginn seiner Erzeugung von uns als Schiffbaumaterial angenommen, es war dies um so leichter für uns, als dieses Material in Deutschland in ausgezeichneter Beschaffenheit und in den ersten Jahren zu verhältnifsmäfsig niedrigerem Preis als in England erzeugt wurde. Später wurde es indessen für unsere deutschen Stahl werke unmöglich, mit britischem Erzeugnifs in Wettbewerb zu treten, welches nach den deutschen Häfen billiger geliefert werden kann als das im ’ Inland erzeugte Fabricat, welches auf weite Ent- | fernungen hohe Eisenbahnfrachten zu tragen hat. Es darf nicht vergessen werden, dafs weder auf Schiffbaumaterial noch auf Kohle irgend ein Zoll zu entrichten ist, gerade so, wie auch in der Höhe der Hafenabgaben zwischen deutschen und ausländischen Schiffen ein Unterschied bei uns nicht besteht. Ich möchte bei dieser Gelegenheit den Irrthum berichtigen, der mir häufig in englischen Zeit schriften begegnet ist, nämlich den Glauben, dafs unsere Handelsflotte durch die Regierung in aus giebiger Weise unterstützt wird. Eine solche Behauptung kann kaum aufrecht erhalten werden, j wenn man bedenkt, dafs mit Ausnahme der zwei Postdampfer-Subventionen (eine von 4 Millionen Mark für die ostasiatisch - australische Linie und eine andere von 900 000 46 für eine ostafrikanische Linie) keine Subventionen, Prämien, Fracht vergünstigungen oder Privilegien in irgend welcher Form zu Gunsten der in Deutschland erbauten oder dorthin gehörigen Schiffe über jene anderer Nationalitäten existiren. Die Gesetzgebung, welche in gewissen Ländern so viel thut den Unternehmungsgeist zu beein trächtigen, hat uns auch nicht verschont; aber sie hat sich bis jetzt damit begnügt die Rheder allein wirthschaften zu lassen, vorausgesetzt, dafs sie alles Mögliche thun, dafs die Schiffahrt so sicher wie möglich gestaltet wird und die Seeleute und ihre Angehörigen bei Unfällen Entschädigung | finden. Die See-Berufsgenossenschaft, welcher in